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Empathie: Freunde leiden körperlich mit

Die Hände werden feucht, der Puls steigt: So reagieren viele auch dann, wenn nicht sie selbst unter Stress stehen, sondern eine andere Person. Ein gutes Zeichen, denn wer die Gefühle von Freunden am eigenen Körper miterlebt, weiß sie auch besser einzuschätzen.
Mädchen legt tröstend den Arm um ein anderes Mädchen

Ein Stresstest im Labor: Eine Frau soll vor laufender Kamera erklären, warum sie für einen fiktiven Job qualifiziert ist. Das Video bekommt sie danach vorgespielt und soll ihre Gefühlslage in der Situation nachträglich beschreiben. Eine Freundin von ihr bekommt das Video ebenfalls zu sehen, und auch sie soll die Gefühle der Vortragenden einschätzen. Wie gut gelingt ihr das, und spiegelt sich das auch in ihren eigenen körperlichen Stressreaktionen?

Das wollte eine Forschungsgruppe um Felicia Zerwas von der University of California in Berkeley mit dem geschilderten Experiment klären. Das Team stellte dazu rund 50 Freundinnenpaare aus San Francisco und Umgebung vor die beschriebene Aufgabe. Die 100 Frauen, im Schnitt Anfang 40, wurden dabei an Geräte angeschlossen, um physiologische Merkmale wie den Puls und die Hautleitfähigkeit (infolge feuchter Hände) zu erfassen.

Ergebnis: Die körperlichen Reaktionen der Freundinnen gingen Hand in Hand. Am stärksten stimmte die Hautleitfähigkeit beim Vortragen und Zuschauen überein: Die Korrelation, ein Maß für den Zusammenhang, lag mit mehr als 0,6 sehr hoch. Und daran ließ sich auch die Empathiefähigkeit der Zuschauerinnen ablesen. Je enger ihre körperlichen Reaktionen mit den Gefühlen der Vortragenden zusammenhingen, desto besser konnten sie diese einschätzen.

Diese »empathische Genauigkeit« war allerdings nicht so sehr davon abhängig, wie sehr sich die physiologischen Reaktionen der Freundinnen ähnelten, wie die Psychologin Zerwas und ihr Team schreiben. Vielmehr kam es darauf an, wie stark der Körper der Zuschauerin den gefühlten Stress der Freundin spiegelte. Zwei Erklärungen seien denkbar: Zum einen könnte das Wissen um die Gefühlslage der Freundin vergleichbare physiologische Reaktionen bei ihr auslösen. Zum anderen könnten die körperlichen Reaktionen der Zuschauerin als Hinweis auf die emotionale Erfahrung der Vortragenden dienen.

Zerwas und ihr Team wollen ihre Befunde nicht überbewerten, unter anderem wegen der kleinen Stichprobe und ihrer Beschränkung auf Frauen. Sie glauben jedoch, dass sich die Befunde auf Männer übertragen lassen, weil andere Forschungsarbeiten bislang keine Geschlechterunterschiede in objektiven Maßen für Empathie gefunden haben. Die Verbindung zwischen körperlichen Reaktionen und Empathie könnte allerdings stärker oder auch schwächer ausfallen, wenn Freunde oder Freundinnen die Stresssituation nicht auf Video beobachten, sondern direkt miteinander interagieren.

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