Direkt zum Inhalt

News: Ende einer Isolation

27 Millionen Jahre lagen die Knochen unter der Erde. Jetzt sind sie von Paläontologen ans Tageslicht geholt worden - und erzählen eine Geschichte von Gewinnern und Verlierern.
Arsinoitherium
Vor 24 Millionen Jahren endete eine langjährige Isolation. Damals, am Übergang des Oligozäns zum Miozän, stieß der afro-arabische Kontinent – das trennende Rote Meer existierte noch nicht – gegen Eurasien. Die Folgen waren dramatisch: Afrikanischen Arten war der Zugang nach Europa und Asien geöffnet, während Europäer und Asiaten den "Schwarzen Kontinent" für sich erobern konnten. Neue Arten entstanden aus diesem regen Austausch, andere mussten dafür abtreten.

Damals fanden entscheidende Schritte in der Evolution der Säugetiere statt, die ihre Blütezeit im Tertiär erlebten – nachdem die Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren das Feld geräumt hatten. Für die Zeit bis vor 32 Millionen Jahren ist die Säugerentwicklung recht gut fossil belegt, doch ausgerechnet für die interessante Periode "kurz" vor dem afro-arabisch-eurasischen Zusammenprall waren die Funde bisher nur spärlich. "Das sind die 'verlorenen Jahre' Afro-Arabiens", erläutert der Paläontologe John Kappelman. "Was wirklich mit den Säugetieren während dieser acht Millionen Jahre passierte, blieb lange ein Rätsel für die Wissenschaft."

Doch jetzt stieß der Wissenschaftler von der University of Texas auf reichlich Überreste dieser verlorenen Jahre. Zusammen mit seinen Kollegen grub er in der Region Chilga im Hochland von Äthiopien Fossilien aus dem späten Oligozän aus. Die Datierung der Schicht durch Peter Copeland von der University of Houston ergab das Alter von 27 Millionen Jahren – die Knochen stammten also genau aus dem vermissten Zeitfenster.

Und die Beute war ergiebig: Insgesamt zehn Säugerarten, die der Wissenschaft bisher noch völlig unbekannt waren, konnten die Forscher identifizieren. Die meisten gehörten zur Ordnung der Rüsseltiere (Proboscidea), waren also Vorfahren der heutigen Elefanten. Aber auch Schliefer (Hyracoidea) waren unter den Funden – kaninchengroße Wiederkäuer, die vermutlich mit Elefanten und Seekühen verwandt sind, und von denen heute nur noch wenige Arten in Afrika und Vorderasien existieren.

Am spektakulärsten dürfte Arsinoitherium sein: Ein nashornartiges Wesen, das mit einer Schulterhöhe von über zwei Metern "in jedem Zoo die Hauptattraktion wäre", wie der Paläontologe Tab Rasmussen von der Washington University meint. Die Gattung kannten Forscher bereits aus Ägypten, Libyen, Oman und Angola, sie sollte jedoch vor 27 Millionen Jahren eigentlich schon ausgestorben sein.

Überhaupt überraschte die Forscher die vielen Arten, von denen sie erwartet hatten, dass sie damals längst verschwunden gewesen sein sollten. Doch offensichtlich hatten sich etliche Säuger in der Isolation gut gehalten. Erst mit dem Zusammenstoß der beiden Kontinente war ihre Zeit gekommen.

Andere hatten dagegen mehr Glück. Insbesondere die Rüsseltiere nutzten ihre Chance und verbreiteten sich als größte Landsäugetiere über Europa, Asien und später auch Amerika. Doch auch die riesigen Mammuts – von unseren Vorfahren als Jagdbeute heiß begehrt – haben inzwischen das Zeitliche gesegnet. Von der einst äußerst formenreichen Säugetierordnung – die damals zu ihrem Siegeszug über die Erde antrat – blieben nur drei Arten: der Afrikanische, der Indische und der Zwergelefant.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.