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News: Energiebündel

Viren sind einfach gebaute Parasiten, die nur aus einer Nucleinsäure und einer Proteinhülle - dem Kapsid - bestehen. Sie besitzen selbst keine proteinbildenden Strukturen und nutzen deshalb zur Vermehrung die Organellen ihrer Wirtszelle. Dazu dringen Viren in fremde Zellen ein und programmieren deren Syntheseapparat so um, dass ihr Erbgut repliziert wird. Da ihre Proteinhülle dabei nicht direkt um die Nucleinsäure entsteht, muss diese anschließend in das Kapsid gepackt werden. Aber wie zwingen Viren ihre Nucleinsäure in die winzigen Proteinhüllen? Biophysiker haben die enormen Kräfte, die hinter diesem Prozess stehen untersucht.
Infektionskrankheiten haben die Menschen im Laufe der Geschichte immer wieder bedroht. So haben Pest, Cholera, Malaria und Syphilis sogar zu ökonomischen, politischen und sozialen Problemen geführt und auch heute können wir uns noch nicht völlig vor Infektionskrankheiten schützen. Neben Bakterien verursachen auch Viren Infektionen. Häufig sind sie Auslöser harmloser Grippeerkrankungen, sie sind aber auch für tödlich verlaufende Krankheiten – wie AIDS – verantwortlich.

Deshalb ist es wichtig, das Wesen der Viren genau zu erforschen. Douglas Smith von der University of California in Berkeley und seine Kollegen von der University of Minnesota untersuchten, wie der Bakteriophage phi-29 ihre DNA in die Proteinhülle packt. Den Aufbau ihres "Verpackungs-Motors" kannten die Wissenschaftler schon. Er besteht aus drei Teilen: dem Kapsid, einem Verbindungsstück, durch welches die DNA in die Hülle geschleust wird und einem RNA-Enzym-Komplex, der chemische in mechanische Energie umwandelt. Nun maßen die Forscher die Kraft, die beim Packprozess aufgewendet wird und den Druck, der sich währenddessen im Kapsidinneren aufbaut.

Dazu befestigten die Wissenschaftler ein winziges Styroporkügelchen am Kapsid des Bakteriophagen und hielten es mit einer Pipette fest. An das freie Ende der Viren-DNA hefteten sie ein weiteres Kügelchen. Dieses fixierten sie mit einer optischen Pinzette – Laserstrahlen, mit denen sich der Widerstand, der durch die Zugkraft entsteht, messen lässt.

Zu Beginn zog der RNA-Enzym-Komplex die DNA mit 57 bis 60 Pikonewton in das Kapsid. Je mehr DNA in die Hülle gelangte, desto ineffizienter wurde der Packprozess, da der Druck im Kapsid enorm anstieg. Das ist nicht verwunderlich, denn immerhin wird das Volumen der DNA etwa 6000-fach komprimiert. Ist die DNA vollständig in das Kapsid eingeschleust, liegt der innere Druck bei etwa sechs Megapascal.

Bisher kannten die Wissenschaftler keinen so leistungsfähigen molekularen Motor. Der erzeugte Druck dieses Motors innerhalb des Kapsids übersteigt den einer Sektflasche um das Sechsfache. Rätselhaft bleibt, was mit all dieser Energie passiert. Die Wissenschaftler vermuten, dass der Bakteriophage sie bis zur nächsten Infektionsphase speichert und dann damit die DNA in die Wirtszelle injiziert. Da einige menschliche Viren denselben "Verpackungs-Mechanismus" anwenden, hoffen die Forscher, diese Frage bald zu klären und neue Ansätze für Medikamente gegen Virusinfektionen zu finden.

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