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Speicher-Infrastruktur: Ein Sicherheitsnetz aus Batterien und grünem Gas

Sie sind das letzte Puzzleteil zum klimaneutralen Stromsystem: Energiespeicher. Kleine und große Batterien, Wasserstoff und Biogas stabilisieren Schwankungen in Millisekunden oder überbrücken tagelange Dunkelflauten – aber nur, wenn man sie lässt.
Luftaufnahme eines großen Solarkraftwerks mit mehreren Reihen von Solarmodulen, die auf einem asphaltierten Gelände angeordnet sind. Die Module sind in parallelen Linien aufgestellt, umgeben von Straßen und Vegetation. Im Vordergrund befindet sich ein Gebäude, das möglicherweise als Kontrollzentrum dient. Die Szene zeigt eine klare, strukturierte Anordnung der Solarpanels, die auf nachhaltige Energieerzeugung hinweist.
Die modularen Batteriespeicher können große Mengen an Strom sehr schnell aufnehmen und wieder abgeben.

Der Ort könnte symbolträchtiger kaum sein: Im baden-württembergischen Philippsburg, wo bis 2019 zwei Kernreaktoren Elektrizität erzeugt haben, bereitet der Stromkonzern EnBW den Bau seines bisher größten Batteriespeichers vor. Geht alles nach Plan, werden Bauarbeiter demnächst in langen Reihen Container mit Lithium-Ionen-Batterien aufstellen. Deren Aufgabe ist es, Strom aus dem Netz aufzunehmen, wenn er im Überfluss vorhanden ist, und ihn abzugeben, wenn zusätzlicher Bedarf besteht.

»Es gibt immer unerwartete Windböen oder Wolkenbildungen, die Rotoren beschleunigen oder Solarmodule verdunkeln und dadurch von einem Moment auf den anderen die Stromproduktion sehr stark nach oben oder nach unten drücken«, sagt Arnim Wauschkuhn, Leiter des Bereichs Batteriespeicherlösungen bei EnBW. Großbatterien seien gut dafür geeignet, im Bereich von Millisekunden bis zu wenigen Stunden als Puffer »kurzfristige Spitzen und Senken in der Stromproduktion auszugleichen«.

Die Anlage ist darauf ausgelegt, gleichzeitig 0,4 Gigawatt Strom zu liefern und 0,8 Gigawattstunden zu bevorraten. Damit kann allein diese Großbatterie dem Unternehmen zufolge rechnerisch 100 000 Haushalte einen Tag lang mit Strom versorgen, bevor sie wieder aufgeladen werden muss. Das Geschäftsmodell von Batteriebetreibern liegt darin, Strom bei einem Überangebot billig zu kaufen und dann wieder einzuspeisen, wenn er bei hoher Nachfrage mehr einbringt.

Insgesamt sind schon Großbatterien mit einer Leistung von 2,4 Gigawatt in Betrieb. Allein 50Hertz, einer der vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland, hat bis 2029 bereits Anschlüsse für zusätzliche zwölf Gigawatt Leistung verbindlich zugesagt. Das könnte reichen, um pro Ladezyklus die Versorgung von 1,5 Millionen Haushalten für einen Tag zu überbrücken. Die Projekte zielen darauf ab, die größte Schwachstelle eines erneuerbaren Energiesystems zu beseitigen: dass die Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne ständig schwankt und manchmal sogar auf nahe null sinkt.

Themenwoche »Energiespeicher«

Ausbau der Erneuerbaren: läuft. Bau neuer Stromtrassen: geht voran. Doch erst Speicher machen die Energiewende komplett. In dieser Themenwoche nehmen wir kleine und große Batterien, Wasserstoffspeicher und Biogas in den Blick. Sie stabilisieren das Stromnetz in Millisekunden oder überbrücken tagelange Dunkelflauten. Doch Energie ist nicht nur Strom. Den Großteil unserer Energie nutzen wir in Form von Wärme. Und auch die lässt sich im großen Maßstab speichern – über Jahreszeiten hinweg.

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Speicher für Millisekunden und mehrtägige Dunkelflauten

Auf dem Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem mit erneuerbaren Energiequellen hat Deutschland schon viel geschafft. Etwa 60 Prozent der Stromerzeugung kommen aus Sonne, Wind, Wasserkraft oder Biomasse. Pro Kilowattstunde strömt nur noch halb so viel Kohlendioxid in die Luft wie 1990. Blackouts sind bisher ausgeblieben, Deutschland gehört weiter zu den Ländern mit der verlässlichsten Stromversorgung. Zudem kommen mit Wärmepumpen, elektrisch betriebenen Industrieöfen und E-Autos zunehmend Produkte und Technologien zum Einsatz, die fossile Energieträger mithilfe von Strom ersetzen.

Symbolträchtiger Ort | Direkt neben dem stillgelegten Atomkraftwerk Philippsburg entsteht einer der größten Batteriespeicher Deutschlands.

Für eine vollständige Energiewende reicht es allerdings nicht, einfach immer mehr Windräder und Solaranlagen zu bauen, und selbst neue und größere Stromleitungen von Nord- nach Süddeutschland sind nicht genug. Denn je größer der Anteil von Wind und Sonne an der Stromerzeugung wird und je mehr Kohlekraftwerke vom Netz gehen, desto abhängiger wird das Land vom Auf und Ab des Wetters – sofern es keine Puffer gibt. Doch dieser letzte Teil des klimaneutralen Stromsystems – die Energiespeicherung – ist technisch gesehen der komplizierteste. Und die Angst vor den enormen Kosten für die Technik ist groß, auch wenn am Horizont die Belohnung winkt, künftig nicht mehr 70 bis 80 Milliarden Euro im Jahr für fossile Brennstoffe ausgeben zu müssen.

Ohne Energiespeicher drohen nicht nur Phasen von Strommangel, etwa im Winter, sondern, was man früher für unmöglich gehalten hätte, auch gefährliche Überschüsse an Ökostrom. Wenn etwa mittags Solarstrom das Land flutet und das Stromnetz zu überfordern droht, ist es nicht immer möglich, ihn schnell ins Ausland zu verkaufen. Ohne Puffer wird es noch häufiger nötig, Windkraftanlagen zwangsweise gegen Entschädigung stillzulegen oder Großabnehmer teuer für Stromverbrauch zu bezahlen, was die Energiewende bisher schon spürbar verteuert.

Deshalb entsteht derzeit ein neuer Grundpfeiler der Energieversorgung: Mit stationären Batterien, einem Schwarm kleiner Stromspeicher in Haushalten und Autos, Biomasse sowie klimaneutral erzeugtem »grünem« Wasserstoff wollen Unternehmen, Ingenieure und Wissenschaftler das größte Hindernis auf dem Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem überwinden. Zwischenspeicher für Ökostrom sollen Schwankungen im Bereich von Millisekunden bis hin zu mehrtägigen Dunkelflauten ausgleichen. Druckluftspeicher und andere neuartige Langzeitspeicher – beispielsweise für Wärme in der Tiefe der Erde oder aus Flüssigmetall, wie sie an den deutschen Helmholtz-Zentren in Entwicklung sind – könnten das technische Arsenal künftig noch erweitern.

Wasserstoff, Biogas – oder Erdgas?

Speicher unterscheiden sich hinsichtlich ihrer in Watt gemessenen Leistung, also darin, wie viel Strom sie auf einmal abgeben oder aufnehmen können, und in ihrer Kapazität in Wattstunden, das heißt, wie lange der Strom bei einer bestimmten Leistung fließen kann, bis der Speicher neu geladen werden muss. Heim- und Großbatterien sind derzeit zum Beispiel so ausgelegt, dass sie zwei Stunden lang Strom liefern können. Bei Großbatterien gehen die deutschen Stromnetzbetreiber davon aus, dass sich die mögliche Einsatzdauer bei voller Leistung sukzessive auf vier Stunden erhöhen wird. Die Stärke der Batteriesysteme liegt darin, über einen kurzen Zeitraum große Mengen an Energie bereitzustellen.

Andersherum verhält es sich bei den Langzeitspeichern Wasserstoff und Biogas. Grüner Wasserstoff wird in Elektrolyseuren erzeugt, die Wassermoleküle mithilfe von überschüssigem Ökostrom spalten. Wasserstoff soll bisherigen Plänen zufolge ab Mitte der 2030er-Jahre Erdgas in Großkraftwerken ersetzen.

Der Brennstoff für Biogasanlagen entsteht aus gelagertem Pflanzenmaterial, das durch Mikroben in Methan verwandelt wird. Wie Wasserstoff ist Biogas ebenfalls speicherbar. So wie heute bereits Erdgas unterirdisch in früheren Lagerstätten sowie Kavernen- und Porenspeichern für den Winter gehortet wird, wird dies auch für das sogenannte Grüngas nötig.

Thermische Kraftwerke können mit Wasserstoff und Biogas im Gegensatz zu Batterien rund um die Uhr laufen

Thermische Kraftwerke können mit Wasserstoff und Biogas im Gegensatz zu Batterien rund um die Uhr laufen, wenn ausreichend viel Brennstoff zur Verfügung steht. Die Umwandlung von Strom in Wasserstoff ist zwar mit einem Wirkungsgrad von 60 bis 70 Prozent nicht gerade hoch, im Vergleich zu Batterien mit 80 bis 95 Prozent. Für längere Lücken, wie sie bei Dunkelflauten auftreten, halten nahezu alle Experten einen gewissen Anteil dieses Kraftwerktyps dennoch für unverzichtbar.

Im Berliner Regierungsviertel und bundesweit wird deshalb heftig darum gerungen, welche Beiträge Batterien, Wasserstoff und Biomasse im künftigen Stromsystem liefern sollen. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt allerdings auf einen altbekannten fossilen Energieträger. Ihr zufolge sollten hauptsächlich Gaskraftwerke drohende Lücken in der Stromversorgung schließen. Die entstehenden CO2-Abgase sollen tief unter der Nordsee entsorgt werden

Schon bis Anfang der 2030er-Jahre wollte die Ministerin am liebsten subventionierte fossile Anlagen mit rund 20 Gigawatt Leistung neu gebaut sehen, vor allem in Süddeutschland. Das hätte rund 40 neuen fossilen Kraftwerken entsprochen, und weitere sollten hinzukommen. Dem Ziel, die Kraftwerke baldmöglichst auf Wasserstoff umzustellen und Batteriespeicher massiv auszubauen, räumte die Wirtschaftsministerin dagegen in ihrem ersten halben Jahr im Amt kaum Priorität ein und kassierte bisherige Ausbau- und Zeitpläne dafür ein.

Doch dann grätschte Mitte Oktober 2025 die EU-Kommission dazwischen und teilte mit, Deutschland maximal zwölf Gigawatt an subventionierten Gaskraftwerken zu genehmigen. Die Bundesregierung beschloss einen Monat später, im Jahr 2026 zunächst acht Gigawatt für neue Gaskraftwerke auszuschreiben, die später auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Nur zwei Gigawatt werden »technologieoffen« für flexible Lösungen ausgeschrieben, etwa Speicher.

Gasturbine | Wird die Ära der fossilen Energien überdauern, dann mit Wasserstoff anstelle von Erdgas als Brennstoff.

Verfechter einer konsequenten Energiewende warnen, dass Reiches Fokus auf Gaskraftwerke zu höheren CO2-Emissionen führt, dass Strom entgegen dem erklärten Ziel der Ministerin teurer wird und dass das Ziel eines klimaneutralen Stromsystems in die Ferne rückt. Sie fordern stattdessen, das Potenzial von Batterien, des europäischen Stromnetzes und der gezielten Anpassung des Verbrauchs an die verfügbaren Strommengen zu priorisieren und voll auszunutzen. Nur die danach verbleibende Lücke solle mit Wasserstoff und Biogas gefüllt werden.

Das Netz wird volatiler

Als sicher gilt: Der Strombedarf wird in den nächsten Jahren deutlich steigen. Häuser werden zunehmend mit strombetriebenen Wärmepumpen beheizt, Stahl entsteht in Elektroöfen und statt Verbrennermotoren treiben Batterien Autos an. Experten des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln (EWI) rechnen in einer im September 2025 vorgelegten Analyse damit, dass der jährliche Stromverbrauch in Deutschland von derzeit rund 470 Terawattstunden (entsprechend 470 000 Gigawattstunden) schon bis 2030 auf mindestens 580 Terawattstunden und möglicherweise sogar auf bis zu 700 Terawattstunden steigt, je nachdem, wie rasch die Energiewende Fortschritte macht. 

Damit das Stromnetz das leisten kann, braucht es vor allem Stabilität. Das funktioniert bloß, wenn immer nur so viele Elektronen eingespeist werden, wie an anderer Stelle auch verbraucht werden. Gibt es zu wenig oder zu viel Strom und steigen oder sinken Netzfrequenz und Spannung über oder unter eng definierte Schwellenwerte, drohen Störungen bis hin zum Blackout.

Dass der bisherige steile Anstieg des Ökostromanteils auf etwa 60 Prozent möglich war, liegt an den Schaltzentralen für das Stromnetz, die leistungsfähiger wurden und mithilfe von immer präziseren Wettervorhersagen öfter aktiv in die Stromerzeugung eingreifen. Es lag aber auch daran, dass Wind- und Sonnenkraft sich unterm Strich überraschend gut ergänzen: Bei sonnenarmem Wetter weht oft der Wind und umgekehrt. Wetterlagen unterscheiden sich auch regional zwischen dem Norden und Süden des Landes und gleichen die Stromproduktion aus. Deutschland ist zudem keine Energieinsel, sondern über das europäische Verbundnetz mit allen Nachbarländern verbunden, sodass bei Bedarf Strom aus anderen Regionen hinzugekauft oder dorthin abgegeben werden kann.

Doch mit dem kompletten Wegfall der Kohlekraftwerke nimmt die Volatilität nochmal erheblich zu. Erneuerbare Stromquellen koppeln sich massenhaft von einem Moment auf den anderen vom Netz ab und wieder an. Auch im Tagesverlauf sind die Schwankungen bei Wind und Sonne groß. Je mehr Solarmodule auf deutschen Balkonen, Dächern und Landschaften installiert sind, desto steiler schießt morgens die Stromproduktion nach oben, wenn die Sonne aufgeht, und nach unten, wenn es abends dunkel wird. Produktion und Verbrauch sind obendrein oft nicht synchron – etwa wenn an einem Feiertag, an dem Industriebetriebe stillstehen, bei sonnigem Wetter auch noch der Wind weht und es Strom im Überfluss gibt. 

Je höher der Anteil von Wind und Sonne an der Stromversorgung steigt, desto stärker ist das Land auch den gefürchteten Dunkelflauten ausgeliefert, während derer tagsüber kaum Sonnenlicht durch die Wolkendecke dringt und es gleichzeitig windstill ist. Besonders kritisch wird es im Winter, wenn der Stromverbrauch am höchsten, aber zugleich die Wahrscheinlichkeit einer längeren Dunkelflaute am größten ist. Der Deutsche Wetterdienst hat ermittelt, dass im Durchschnitt mindestens zweimal im Jahr länger als 48 Stunden weniger als zehn Prozent der installierten Erzeugungskapazitäten zur Verfügung stehen.

Manchmal erstrecken sich Dunkelflauten über mehrere Tage, wie etwa Anfang November 2024. Damals sank der Beitrag von Wind- und Sonnenenergie zur Last, also dem Verbrauch, über eine ganze Woche hinweg auf nur elf Prozent. Biomasseanlagen und Wasserkraftwerke hoben den Anteil der Erneuerbaren auf rund 25 Prozent, Stromimporte aus Nachbarländern trugen weitere 15 Prozent bei. Den größten Anteil hatten aber mit rund 55 Prozent fossile Kraftwerke, deren Output vom Schaltpult aus nach oben oder unten geregelt werden kann und die mit ihren wuchtigen Schwungrädern zusätzlich die Frequenz bei der technisch vorgegebenen Frequenz von 50 Hertz halten.

Was Batterien netzdienlich macht

Wie kann Deutschland solche langen Phasen künftig ohne Blackout-Risiko überwinden und gleichzeitig klimaneutral werden? Die Antwort hat drei Komponenten. Die erste besteht darin, die europäischen Nachbarländer stärker als kollektiven Stromspeicher zu nutzen. Dazu müssen die Stromnetze und die sogenannten Kopplungsstellen in die Nachbarländer ausgebaut werden. So wie andere Waren kann auch Strom in der EU frei zirkulieren und gehandelt werden. Das Risiko, dass eine Dunkelflaute sich über ganz Europa erstreckt, ist sehr gering. Schon heute springt häufig vor allem Norwegen über die 2021 in Betrieb genommene NordLink-Stromleitung ein. Doch nicht alle Länder ziehen mit. Schweden erteilte einer geplanten Großleitung nach Deutschland 2024 eine Absage – aus Furcht, die heimischen Strompreise könnten steigen.

Ein zweiter Teil der Antwort kann das sogenannte Lastmanagement sein, das eine Art zeitlichen Speicher darstellt. Bei Strommangel drosseln Industriebetriebe in Absprache mit den Stromversorgern und Netzbetreibern ihre Fließbänder, bei Überschuss werden sie wieder angeworfen. Haushalte können mittels neuer Strommessgeräte beitragen, indem sie zum Beispiel Waschmaschinen bei einem Überangebot von Strom konzertiert anschalten. Noch haben aber erst drei Prozent der Haushalte ein solches Smart Meter. Firmen werden noch immer nach alten Regeln dafür belohnt, Strom konstant zu verbrauchen, statt sich flexibel anzupassen.

Die wichtigste Rolle für den nötigen Puffer dürften deshalb drittens elektrische Speicher und klimaneutrale Brennstoffe spielen. Während das Potenzial heimischer Wasserkraftwerke mit bald zwölf Gigawatt installierter Leistung von Pumpspeichern als beinahe ausgereizt gilt, steht der Einsatz von Großbatterien, privaten Heimspeichern und Autobatterien sowie grünem Wasserstoff im Stromsystem erst am Anfang.

Pumpspeicherkraftwerk Geesthacht | Das Potenzial an Pumpspeicherkraftwerken in Deutschland ist nahezu erschöpft.

Die Vorteile sind groß, vor allem, wenn die Anlagen mit hochempfindlichen Wechselrichtern ausgestattet sind. Dann bilden sie innerhalb von Millisekunden die sogenannte Momentanreserve. »Die Momentanreserve ist wichtig, weil sie sehr schnell eingreifen kann. Sie hilft dabei, die Netzfrequenz und damit das Stromnetz zu stabilisieren«, sagt EnBW-Experte Wauschkuhn. Dasselbe gilt für die Bereitstellung von Energie im Sekundenbereich, für die sogenannte Primär- und Sekundärreserve. Auch Blindleistung können Großbatterien einspeisen oder aufnehmen. Das ist jener Teil der elektrischen Leistungen, der für den Stromtransport und den Aufbau der elektromagnetischen Felder in Kondensatoren und Spulen wichtig ist. »Außerdem sind unsere Großbatterien dafür ausgelegt, den sogenannten Schwarzstart zu unterstützen, also die Wiederinbetriebnahme von Stromnetzen nach einem Ausfall«, sagt Wauschkuhn.

Wie das in der Praxis funktioniert, lässt sich heute schon in Kalifornien beobachten. Morgens, wenn die Solarstromerzeugung sehr steil ansteigt, dienen die Großbatterien als Puffer und nehmen den Überschuss auf. Der steht dann am Abend zur Verfügung, wenn es längst dunkel ist, aber die Menschen zu Hause kochen und ihre Elektrogeräte verstärkt nutzen. »Ein modernes Stromsystem muss Angebot und Nachfrage in Echtzeit ausbalancieren«, sagt Bundesumweltminister Carsten Schneider und fordert auch für Deutschland eine Offensive bei Speichertechnologien. Die deutschen Netzbetreiber halten es für möglich, dass Heimspeicher und Großbatterien zusammen bis 2037 zwischen 58 und 96 Gigawatt Leistung mit einer Kapazität 135 bis 221 Gigawattstunden bereitstellen. Das würde rechnerisch reichen, den kompletten heutigen Strombedarf des Landes pro Ladezyklus für rund zwei bis vier Stunden zu decken.

»Mit strategisch gut platzierten Batterien könnte man sich vor allem in Bayern einiges von den immensen Ausgaben für neue Stromleitungen sparen«Ulrich Bürger, Experte für Batteriespeicher

Uli Bürger, Geschäftsführer und Technikvorstand beim deutsch-norwegischen Unternehmen Eco Stor, bezeichnet Großbatterien als »Schweizer Taschenmesser der Energiewende«. Sie seien vielseitig einsetzbar, bräuchten keine staatliche Förderung und könnten den Bedarf für teure Leitungen reduzieren, wenn sie zum Beispiel verstärkt im wirtschaftlich starken Süden gebaut würden und den überschüssigen Strom der dort reichlich vorhandenen Solaranlagen aufnehmen. »Mit strategisch gut platzierten Batterien könnte man sich vor allem in Bayern einiges von den immensen Ausgaben für neue Stromleitungen sparen«, sagt Bürger. Batteriespeicher könnten rund neun Gaskraftwerke ersetzen und jährlich sieben Millionen Tonnen CO2-Emissionen vermeiden helfen, rechnete das internationale Beratungsunternehmen Frontier Economics in einer Studie für Batterieunternehmen vor.

Ergänzt werden könnten Großbatterien durch Akkus in E-Autos, die Strom nicht nur laden, sondern auch in die umgekehrte Richtung wieder ins Stromnetz abgeben können. Einer Anfang September 2025 erschienenen Analyse des Energiekonzerns E.ON zufolge ist das Potenzial dieses »bidirektionalen Ladens« riesig, auch weil die meisten Autos den Großteil des Tages geparkt sind.

Allein die 225 000 Elektroautos, die bereits heute technisch zur Stromabgabe in der Lage sind, könnten über zwölf Stunden hinweg acht Gigawattstunden Strom liefern. »Das ist genug, um zweieinhalb Millionen Haushalte von 17:30 Uhr abends bis 5:30 Uhr am Morgen zu versorgen, also beispielsweise genau dann, wenn viele Geräte laufen, aber weniger Solarenergie zur Verfügung steht«, sagt Filip Thon, CEO von E.ON Energie Deutschland.

Die Leistung entspreche der »von knapp zweieinhalb großen Gaskraftwerken, die in dieser Zeit stillstehen könnten«. Da es in Deutschland fast 50 Millionen Fahrzeuge gibt, wartet noch viel ungehobenes Potenzial. Voraussetzung ist wie bei den Heimspeichern, dass Netzbetreiber künftig im Gegensatz zu heute genau steuern können, wann die Kleinbatterien Strom aufnehmen oder abgeben. Die Technik für diese »Netzdienlichkeit« muss erst noch eingebaut werden, aber der ökonomische Wert ist hoch. Der Autokonzern BMW bietet Käufern, die ihr Fahrzeug in den Dienst des Netzes stellen, dafür neuerdings kostenlosen Strom an.

Das richtige Mittel gegen lange Dunkelflauten

Die Integration von Hunderttausenden kleinen und großen Speichern ins Stromsystem ist eine technische Herausforderung. Die Anlagen müssen darauf programmiert sein, binnen Millisekunden automatisch zu entscheiden, ob sie Strom laden oder abgeben. Zudem muss der Stromnetzbetreiber durchgreifen können. Er muss eine bestimmte Fließrichtung der Elektrizität erzwingen, um Leitungen zu stabilisieren. Bei den Netzbetreibern geht die Sorge um, dass vor allem die Betreiber von Großbatterien egoistisch agieren und das Netz zusätzlich belasten könnten, indem sie Strom dann einspeisen, wenn die Preise hoch sind, und nicht, wenn es Entlastung braucht. Sie pochen darauf, dass die Betreiber verpflichtet werden, sich »netzdienlich« zu verhalten, auch wenn ihnen dadurch Einnahmen entgehen.

In jedem Fall bleiben Batterien auf absehbare Zeit Lösungen für Millisekunden bis hin zu mehreren Stunden. Bezieht man den technologischen Fortschritt mit ein, kommt man absehbar – und bei enormen Investitionen – auf rund 600 GWh Speicherkapazität. Das wäre genug für einen halben Tag. »Dunkelflauten lassen sich also aller Wahrscheinlichkeit nach auch in Zukunft nicht alleine mit Kurzzeitspeichern bewältigen«, folgert deshalb wie viele andere Beobachter der Thinktank LBBW Research. Batteriespeicher für eine ganze Woche Überbrückung vorzuhalten, würde Hunderte Milliarden Euro Investitionen erfordern, die sich nie auszahlen. »Wenn es Richtung Langfrist geht, sind Batterien einfach nicht die optimale Technologie«, sagt auch Uli Bürger von Eco Stor.

Kein Daten, sondern Energie | Was auf den ersten Blick an einen Serverraum erinnert, ist ein Großbatteriespeicher. Solche Einrichtungen bilden im künftigen Energiesystem den Puffer für Zeiträume von Millisekunden bis hin zu mehreren Stunden.

An einer gewissen Zahl an Wasserstoffkraftwerken und Biogasanlagen führt im klimaneutralen Energiesystem deswegen kein Weg vorbei. Ausgerechnet in diesen beiden zentralen Bereichen herrscht im Kontrast zum Boom bei den Batterien allerdings Stagnation.

Über viele Jahre hinweg haben Bundesregierungen eine Zukunft beschworen, in der Wasserstoff aus Ökostrom produziert und als Allzweck-Energieträger Wärme, Antrieb, chemische Grundstoffe oder erneut Elektrizität liefert. Doch der Bau der dafür nötigen Elektrolyseure zur Wasserspaltung, einem seit mehr als 200 Jahren bekannten Verfahren, liegt weit hinter den Planungen zurück.

Bis 2030 strebte die Bundesregierung bisher eine Elektrolyseleistung für grünen Wasserstoff von mindestens zehn Gigawatt an – für alle Arten von Bedarf, also auch die Industrie. Mitte 2024 waren dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI) zufolge allerdings erst 0,1 Gigawatt in Betrieb und ein Gigawatt in Bau, nennenswerte Importe von grünem Wasserstoff gab es noch nicht.

Rechnet man alle geplanten Vorhaben zusammen, würden bis 2030 zwar 11,2 Gigawatt erreicht – aber nur, wenn Investoren nicht ihr Vertrauen darauf verlieren, dass die Wasserstoffwirtschaft auch wirklich kommt. Schätzungen, wie viel Wasserstoffleistung 2040 allein für die Kraftwerke zur Verfügung stehen muss, reichen bis zu 100 Gigawatt. Die Lücke ist also gewaltig.

Langzeitspeicher mit ungewisser Zukunft

Die Ansage von Bundeswirtschaftsministerin Reiche, den Wasserstoffausbau nun strikt am – derzeit noch geringen – Bedarf auszurichten, könnte jeden Schwung aus der Entwicklung nehmen, warnen Experten. Folge könnte sein, dass entweder Erdgas noch lange verbrannt wird, wobei unklar ist, ob die Entsorgung von CO2 unter der Nordsee wirklich klappt, oder dass eine Versorgungslücke entsteht.

Ähnlich problematisch sieht es bei Biogasanlagen aus, in denen Mikroben aus Anbaupflanzen wie Mais, pflanzlichen Abfällen oder Gülle das unbefristet lagerbare Methan erzeugen. Die Energiequelle wird zwar wegen des Flächenbedarfs und der Umweltfolgen des Maisanbaus kontrovers diskutiert. Sie hat es aber immerhin geschafft, mit einem konstanten Anteil von rund neun Prozent an der Stromerzeugung die Rolle der kontinuierlichen Grundlastversorger zu übernehmen, die zuletzt Kernkraftwerke hatten.

Energie aus Pflanzen | Biogasanlagen liefern Grundlast in einer Größenordnung, wie sie zuletzt Kernkraftwerke bereitgestellt hatten.

Das Potenzial von Biomasse als flexiblem Energiespeicher ist noch nicht ausgeschöpft, findet Daniela Thrän, Leiterin des Departments Systemanalyse und Nachhaltigkeitsbewertung am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig: »Während Batteriespeicher insbesondere kurzfristige Schwankungen kostengünstig ausgleichen können, kommen Biogasanlagen eher bei längeren Schwankungen zum Tragen.« Sie könnten »prinzipiell auch Back-up-Gaskraftwerke ersetzen«, sagte sie gegenüber dem »Science Media Center«. Und doch hat die Biomassebranche schwer zu kämpfen. Zuletzt konnte sie so eben noch verhindern, dass ein erheblicher Teil der Anlagen mangels Förderung den Betrieb einstellen muss. Ein Boom der Technologie ist in den Plänen der Bundesregierung nicht vorgesehen.

Auch bei den Batterien schaltet die Bundeswirtschaftsministerin auf Schneckentempo. Hat die Bundesnetzagentur noch im April 2025 betont, wie »maßgeblich« deren künftige Rolle sei, legte sie der Wirtschaftsministerin fünf Monate später einen Bericht vor, der statt des bereits laufenden Ausbaus von heute 2,4 auf 40 und mehr Gigawatt einen Beitrag von nur 0,8 Gigawatt ansetzt – Großbatterien, so die Botschaft, sind verzichtbar. Der Beitrag von Elektroautobatterien soll bis 2030 auf gerade einmal sieben Gigawatt und dann bis 2035 auf 20 Gigawatt steigen, was bedeutet, dass nur ein kleiner Teil der Fahrzeuge in die Stromspeicherung eingebunden würde.

Wenn Gaskraftwerke auch kurzfristige Schwankungen ausgleichen sollen, könnte das den Strompreis in die Höhe treiben

Das Risiko dieses Kurses ist groß: Wenn Gaskraftwerke auch kurzfristige Schwankungen ausgleichen sollen, könnte das den Strompreis in die Höhe treiben – zum einen, weil sich der Preis für CO2-Emissionen im Lauf der 2030er-Jahre vervielfachen wird, zum anderen, weil im Großhandel immer im Viertelstundentakt die Quelle der letzten benötigten Kilowattstunde den Preis für alle setzt. Ist das Gas teuer, wird auch Ökostrom für alle teuer. Hinzu kommen geopolitische Risiken, wie die dramatische Erhöhung des Gaspreises nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gezeigt hat.

Das Potenzial von flexiblen Speichern ist riesig – sofern es genutzt wird. Danach sieht es laut Uli Bürger von Eco Stor im Moment aber nicht aus: »Die aktuelle politische Stimmung ist so, dass man gerne am Althergebrachten festhalten möchte, obwohl die Klimaziele von Paris uns eigentlich zum schnellen Handeln mahnen.«

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