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Große Wind- und Solarparks: Kollateralschäden am Klima?

Gigantische Windparks und Fotovoltaikanlagen könnten unerwünschte Nebenwirkungen haben und zum Beispiel Trockenheit fördern. In der Theorie. In der Praxis sieht es anders aus.
Riesige Solarparks erzeugen ihr eigenes Mikroklima

Mitten in der Nordsee, 95 Kilometer nördlich von Borkum und 100 Kilometer nordwestlich von Helgoland: In Reih und Glied stehen auf 40 Quadratkilometern 71 riesige Windräder mit einer Nennleistung von insgesamt 497 Megawatt. Rund 300 000 Haushalte kann der Windpark »Hohe See«, die größte Windkraftanlage Deutschlands, mit Strom versorgen. Die größte Solarenergieanlage Deutschlands liegt in Werneuchen im Landkreis Barnim in Brandenburg. Auf 164 Hektar produzieren hier 465 000 Solarmodule Strom für rund 50 000 Haushalte. Beides gewaltige Anlagen, beides bedeutende Beispiele für einen wichtigen Baustein der Energiewende: Ohne solche Wind- und Solarparks wird Deutschland seinen Kohlenstoffdioxidausstoß nicht minimieren können.

Die bis zu 100 Meter langen Rotorblätter der Windräder verteilen Wärme, indem sie Luftmassen verwirbeln und mischen. Zusätzlich bremsen sie den Wind und verändern dadurch Luftströmungen. In der Folge erwärmt sich die Luft in Bodennähe der Windräder, wie mehrere Analysen gezeigt haben – unter anderem eine Studie von zwei Forschern der University of Illinos aus dem Jahr 2009. Tatsächlich werden in der Landwirtschaft sogar vereinzelt Windräder eingesetzt, um Obstplantagen und Weinberge vor Kälte und Frost zu schützen. In Anbetracht dieser Tatsachen fragen sich manche Fachleute, ob riesige Windparks einen Einfluss auf das Klima haben könnten – etwa, indem sie Dürreperioden begünstigen. Ähnliche Überlegungen drehen sich um Fotovoltaikanlagen, da die Erwärmung der Solarpaneele dazu führt, dass netto mehr Wärme in der Erdatmosphäre verbleibt. Würden diese Effekte in nennenswerter Weise das Klima beeinflussen, könnte das vielleicht den Beitrag der Techniken zum Klimaschutz schmälern, so die Bedenken.

Themenwoche: Wie die Energiewende klappen kann

Deutschland hat einiges zu tun, damit die Energiewende hin zu einer klimaneutralen Versorgung bis 2045 gelingt. Auf Grund des Krieges in der Ukraine ist die Energieversorgung noch unsicherer geworden. Wie lässt sich die Versorgung ohne russische Energieimporte gewährleisten? Sind erneuerbare Energien schon so weit, dass man auf Kohlekraft verzichten kann? Diese und weitere Fragen behandelt »Spektrum.de« in der Themenwoche »Energiewende«.

Besonders vor dem Hintergrund geplanter gigantischer Wind- und Solarparks könnten solche Fragen relevant werden. In Westaustralien soll etwa der Asian Renewable Energy Hub (AREA) entstehen mit insgesamt 1743 Windturbinen und 18 riesigen Solarfeldern auf einer Fläche von annähernd 7000 Quadratkilometern, das ist fast doppelt so groß wie das Ruhrgebiet. Dieser Mix aus Wind- und Sonnenenergie könnte in rund 20 Jahren bis zu 26 Gigawatt Leistung erbringen. Der Gansu-Windpark in China, der aus einer Gruppe mehrerer Anlagen besteht, soll in Zukunft insgesamt 7000 Windturbinen umfassen und zum größten Windpark der Welt werden mit einer Nennleistung von rund 20 Gigawatt. Die größten Solarfarmen könnten bis 2030 in Saudi-Arabien in Betrieb sein, um die knapp 35 Millionen Einwohner vollständig mit Sonnenenergie zu versorgen. In Zukunftsvisionen sind außerdem enorme Teile der Sahara mit Solarpaneelen gepflastert, die für Afrika grünen Strom produzieren. Bereits heute steht in Ägypten eine der größten Fotovoltaikanlagen weltweit mit insgesamt sechs Millionen Modulen und einer Leistung von 1,6 Gigawatt; noch gigantischere Anlagen gibt es in China und Indien.

Erwärmung durch Albedo-Effekt

Die dunklen Oberflächen der Solarmodule absorbieren den größten Teil des Sonnenlichts, wandeln jedoch nur einen Bruchteil davon in Strom um – im Durchschnitt rund 15 Prozent. Die restliche Energie wird in Form von Wärme an die Umwelt zurückgegeben. Da die Paneele in der Regel deutlich dunkler sind als der Boden in der Umgebung, bleibt zusätzliche Energie in der Atmosphäre. In diesem Zusammenhang nutzen Experten bisweilen den Begriff Albedo-Effekt. Albedo ist ein Maß dafür, wie gut Oberflächen das Sonnenlicht reflektieren. Sand zum Beispiel reflektiert deutlich besser als ein Solarmodul und hat infolgedessen eine höhere Albedo.

Megaprojekte am Rande der Wüste Gobi | In der nordwestlichen chinesischen Provinz Gansu will das chinesische Regime gewaltige Windparks aufbauen.

Die Frage ist nun, ab wann dieser Albedo-Effekt tatsächlich einen Einfluss auf das Klima haben kann. In einer Studie aus dem Jahr 2018 simulierte eine Forschergruppe um Yan Li an der University of Maryland in einem Klimamodell die Auswirkungen von riesigen Solarparks und Windenergieanlagen in der Sahara. Ihre Berechnungen ergaben, dass eine Rückkopplungsschleife in Gang gesetzt wird, sobald die Module 20 Prozent der Gesamtfläche der Wüste bedecken. Die durch den Albedo-Effekt zusätzlich zurückbleibende Wärme führt zu einem stärkeren Temperaturunterschied zwischen dem Land und den umliegenden Ozeanen. Dadurch sinkt der Luftdruck an der Wasseroberfläche, weshalb mehr Wasser verdunstet und zu Regentropfen kondensiert. Höhere lokale Niederschlagsmengen wären die Folge, die wiederum ließen Pflanzen gedeihen, was dann seinerseits die Regenmenge weiter erhöhen würde.

Ähnliches bewirken laut den Modellrechnungen riesige Windparks in den Wüstengebieten. Sie erwärmen die oberflächennahe Luft, weil die Windturbinen die vertikale Durchmischung der Luftmassen verstärken. Somit bringen sie insbesondere in der Nacht wärmere Luft von oben in tiefere Schichten. Zusätzlich bremsen die Turbinen den Wind, was ebenfalls dazu führt, dass es in Bodennähe etwas wärmer wird, in den Luftschichten über der Windturbine etwas kälter. Infolgedessen würde es laut den Modellrechnungen in der Sahara gleichermaßen wie beim Albedo-Effekt zu mehr Regenfällen kommen. Die Autoren schlussfolgern daher, dass Solar- und Windenergie neben der Einsparung von Kohlenstoffdioxid sogar weitere positive Auswirkungen auf das Klima haben könnten, wenn man die Techniken in der Sahara in ganz großem Maßstab einsetzen würde. Freilich ist ein solches Szenario derzeit fern jeglicher technischen und politischen Umsetzbarkeit: 20 Prozent der Sahara sind fast zwei Millionen Quadratkilometer; auf Europa übertragen wäre dies ein Gebiet, das von der französischen Atlantikküste an die Ostgrenze Polens reicht und von der Nordsee zum Mittelmeer.

Mögliche Dürren durch gigantische Solar- und Windparks

Ohnehin kommt eine Studie in dieser Frage zu einem etwas anderen Ergebnis. Die Forschergruppe um Benjamin Smith, Forschungsdirektor am Hawkesbury Institute for the Environment an der Western Sydney University in Australien, hat für ihre Simulationen, publiziert in »Geophysical Research Letters« im Jahr 2020, das Szenario selbst noch einmal durchgerechnet. Zwar findet auch sie eine Erwärmung der Sahara bei einer hypothetischen 20-prozentigen Bedeckung mit Solarmodulen. Diese Wärmenergie würde sich aber schließlich über die Atmosphäre und die Ozeane über den gesamten Globus verteilen, was zu einem Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur um 0,16 Grad Celsius führte. Dürren, etwa im Amazonasgebiet, wären die Folge, inklusive des Verlusts von Waldflächen. Auch das Meereis würde zurückgehen, besonders in der Arktis. Ein Vergleich mit erdgeschichtlichen Daten aus der Zeit vor ungefähr 6000 Jahren, als die Sahara tatsächlich feuchter und grüner war als heute, bestätigt die Ergebnisse des Modells. Laut Smith und seinem Kollegen Zhengyao Lu beginnen Forscherinnen und Forscher gerade erst die Auswirkungen gigantischer Solar- und Windparks auf das Klimasystem zu verstehen – Hoffnungen auf ein baldiges Ergrünen der Sahara sind da wohl eher nicht angebracht. Rein rechnerisch könnte man den Weltenergiebedarf ohnehin mit deutlich weniger Fotovoltaikfläche decken, als in diesen Modellrechnungen zu Grunde gelegt wird.

Aber auch etwas realitätsnäher dimensionierte Windkraft- und Solarparks könnten nach Ansicht einiger Fachleute eine gewisse Klimarelevanz haben. So etwa äußerten sich die beiden Wissenschaftler Lee Miller und David Keith von der Harvard University in der Fachzeitschrift »Joule« im Jahr 2018. Sie modellierten ein Szenario, in dem der gesamte Strombedarf der USA ausschließlich aus Windkraftanlagen kommt. Laut ihrer Simulation erwärmten die dazu nötigen Windräder die Oberflächenluft der USA um durchschnittlich 0,24 Grad Celsius. Der Effekt würde sich noch etliche Kilometer windabwärts bemerkbar machen. Daher würde auch die Windkraft zu einer Erhöhung der Erdtemperatur beitragen. Entsprechend äußerte sich äußerte sich Keith in einer Pressemitteilung in einer Pressemitteilung: »Wind schlägt Kohle in allen Umweltbelangen, aber das bedeutet nicht, dass seine Auswirkungen vernachlässigbar sind.« Die beiden Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die Klimaauswirkungen von Fotovoltaikanlagen etwa zehnmal geringer sind als die von Windkraftanlagen.

Die Ouarzazate Solar Power Station in Marokko | Die Anlage in der Sahara ist das größte Sonnenwärmekraftwerk der Welt. Anders als bei der Fotovoltaik wird hier aus dem fokussierten Sonnenlicht Wärme und daraus Strom gewonnen.

Mark Jacobsen von der Stanford University kritisiert die Studie allerdings deutlich. Die Ergebnisse seien »zu 100 Prozent falsch«, schreibt er in einer ausführlichen Reaktion. Miller und Keith würden den wichtigsten Einfluss von Windturbinen auf die Temperatur nicht berücksichtigen, nämlich die Reduktion von Wasserdampf in der Luft auf globaler Ebene. Wasserdampf ist ein Treibhausgas, das in den letzten Jahrzehnten durch Verdunstung infolge steigender Temperaturen zugenommen hat. Windkraftanlagen senken laut Jacobsen die Konzentration des globalen Wasserdampfs und verringern damit auch dessen Beitrag zur globalen Erwärmung.

Einflüsse im »einstelligen Promillebereich«

Andere unabhängige Fachleute machen im Zusammenhang mit der Studie von Miller und Keith darauf aufmerksam, dass Windräder der Atmosphäre netto keine zusätzliche Energie hinzufügen. Zwar wird es in Bodennähe wärmer, doch die Luft oberhalb der Windräder kühlt entsprechend ab. »Diese und andere Studien deuten darauf hin, dass Windparks eine lokale und regionale Erwärmung verursachen können – aber keine globale Erwärmung«, sagte etwa Alona Armstrong, Forscherin am Lancaster Environment Centre in Großbritannien und Dozentin für Energie- und Umweltwissenschaften. Wenn man die Windräder abstelle, würde der Effekt verschwinden, anders als bei Kraftwerken, die fossile Brennstoffe verfeuern.

Ähnlich sieht es Stephen Mobbs, Direktor des Centre for Atmospheric Science. Windturbinen könnten nur die vorhandene Energie anders verteilen – ganz im Gegensatz zu Treibhausgasen wie Kohlendioxid, deren erhöhter Ausstoß einen echten Anstieg der Wärme in der Atmosphäre bewirkt. Daher würden sich die Einflüsse der Windräder auf die lokale Ebene beschränken.

Offshore-Windparks könnten Küsten trockener machen

In einer Untersuchung aus dem Jahr 2020 kommen Nicolas Al Fahel und Cristina Archer von der University of Delaware zu dem Ergebnis, dass Offshore-Turbinen zu mehr Regen über dem Meer führen und dadurch zu weniger Feuchtigkeit an Land. Das lesen sie aus Niederschlagsdaten an der Westküste Englands – jeweils vor und nach dem Bau von Offshore-Windparks. Allerdings seien die Veränderungen nur geringfügig gewesen, in der Größenordnung von elf Prozent des Durchschnitts oder weniger. »Wir wollen nicht, dass unsere Studie so interpretiert wird, dass Windparks Dürreperioden verursachen«, sagte Archer in einer begleitenden Pressemitteilung. Dennoch sei es in Regionen mit sehr wenig Regen wichtig zu ermitteln, ob ein Offshore-Windpark die Niederschlagsmenge weiter senken würde.

Johannes Quaas, Professor für Theoretische Meteorologie der Universität Leipzig, sieht das ähnlich: »Selbstverständlich gibt es auf einer sehr kleinen Skala von bis zu mehreren hundert Metern Veränderungen des Mikroklimas – unter anderem durch Turbulenzen, die etwa Windräder verursachen.« Auf größeren Skalen sieht der Meteorologe dagegen keine systematischen Änderungen. Seinen Schätzugen zufolge liegt in Deutschland der Gesamteinfluss von Solar- und Windkraftanlagen im Verhältnis zu den das Klima bestimmenden Energieflüssen im einstelligen Promillebereich. »Das ist so klein, dass es sich bei der sehr großen Variabilität des Wettergeschehens keinesfalls feststellen lässt«, sagt Quaas. Das gelte selbst für die in anderen Ländern existierenden und auch geplanten riesigen Wind- und Solarparks.

Der Physiker Thomas Birner, Professor für Theoretische Meteorologie an der Fakultät für Physik der Universität München, verweist gleichermaßen auf die Energieflüsse, um die klimatischen Auswirkungen von Wind- und Sonnenenergie zu beurteilen. »Der gegenwärtige Gesamtverbrauch an Primärenergie der Menschheit entspricht einer Leistung in der Größenordnung von 1013 Watt. Das sind rund vier Größenordnungen weniger als die Menge, die von der Sonne in das Erdklimasystem einfließt.« Insofern ist es für Birner nicht vorstellbar, dass Solarparks einen nennenswerten Effekt auf das globale Klima haben könnten. Durch den Albedo-Effekt bedingte regionale Änderungen durch entsprechend großflächige Fotovoltaikanlagen und daraus folgende Rückkopplungseffekte schließt er aber nicht aus.

Windkraft vs. Wetter | Je größer ein Windpark, desto größer auch seine Auswirkungen auf das Mikroklima. Über die unmittelbare Umgebung hinaus wirken sich die Anlagen jedoch nicht aus, urteilen Fachleute.

Ähnlich argumentiert er bezüglich der Windkraft. »Die Leistung der atmosphärischen Zirkulation liegt im Bereich von 1015 Watt und ist damit rund zwei Größenordnungen größer als die unseres Energieverbrauchs.« Folgerichtig sieht Birner auch hier nur die Möglichkeit einer lokalen Erwärmung in der Nähe der Windturbinen, aber keine Beeinflussung der globalen Energieströme und schließlich des Erdklimas.

Diese Einschätzung teilt auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Im Jahr 2020 analysierte er die Literatur zu mikroklimatischen Auswirkungen von Windkrafträdern – als Reaktion auf die »vergleichsweise junge Kritik, dass sich infolge des Betriebs von Windkraftanlagen das so genannte Mikroklima ändere«, wie es in der Einleitung des Berichts heißt. Die Autoren kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich zwar ein leichter klimatischer Effekt aus dem Betrieb der Windräder ergebe. Vor allem nachts würde sich die Luft in Bodennähe etwas erwärmen. Schwerwiegendere Auswirkungen können sie jedoch nicht festmachen. So gebe die Studienlage beispielsweise keine kausale Beziehung von Dürren und Windkraft her.

»Dass der Mensch durch seine Energieproduktion zum Teil in das Klimasystem eingreift, ist sicherlich unvermeidbar«, sagt Thomas Birner. »Die Frage ist, bei welcher Art von Energieproduktion dieser Einfluss am geringsten ist.« Sein Fazit lautet daher, ein etwaiger Einfluss von Solar- und Windenergieerzeugung auf das lokale – oder eventuell auch regionale – Klima sollte immer in Relation zum Klimaeinfluss von konventionellen oder alternativen Methoden der Energiegewinnung stehen. Und alles deutet darauf hin, dass die beiden Techniken wesentlich klimaschonender sind als das Verfeuern fossiler Brennstoffe wie Kohle und Gas.

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