Direkt zum Inhalt

Erneuerbare Energiespeicher: Eisen verbrennen für die Energiewende

Der globale Kohle-Ausstieg könnte zum Eisen-Einstieg werden. Denn so paradox es klingen mag: In alten Kraftwerken Eisen zu verbrennen, brächte die Energiewende voran.
Eine Person steht auf einem felsigen Strand bei Sonnenuntergang und schwingt brennende Stahlwolle, wodurch Funken in einem weiten Bogen sprühen. Der Himmel ist in tiefem Blau mit vereinzelten Wolken gefärbt, und das Meer ist im Hintergrund sichtbar. Die Funken erzeugen leuchtende, geschwungene Linien, die sich über den Boden erstrecken.
Wenn Eisen fein genug ist, kann man es verbrennen. Das sorgt für dieses Funkenspektakel, könnte aber auch in Kraftwerken Strom erzeugen.

Viel wird derzeit darüber diskutiert, mit welchen Stromspeichern man am besten für Zeiten vorsorgt, in denen gerade keine Sonne scheint und gerade kein Wind weht. Ein aussichtsreicher Kandidat ist dabei bislang kaum beachtet worden, vielleicht weil er so gar nicht zu den gewohnten Energieträgern, von Erdöl bis Wasserstoff, passen will: Eisen.

Ein Fehler, findet etwa Marius Schmidt, Geschäftsführer des Metal Energy Hub an der TU Darmstadt: »Eisen hat das Potenzial, Kohle als Energieträger zu ersetzen«, sagt er.

Denn Eisen eignet sich hervorragend als Brennstoff und könnte in umgerüsteten Kraftwerken verfeuert werden. Im Unterschied zur Verbrennung von Gas oder Kohle entsteht dabei jedoch kein Kohlendioxid, sondern nur Eisenoxid, besser bekannt als Rost.

Unter normalen Umständen sind Eisenteile nicht brennbar. Eisenpulver dagegen kann man anzünden – es hat so eine große Oberfläche, dass es an der Luft brennt. Zum Beispiel in Feuerwerk. Dort erzeugt es intensiv gelbe Funken.

Heißes Eisen in der Energiewende

Eisenstaub ermöglicht die Erzeugung einer kontinuierlichen Flamme und ähnelt in den Verbrennungseigenschaften der Kohle. Auch in Kohlekraftwerken wird der Brennstoff zu Staub zermahlen, in einen Kessel geblasen und dabei verbrannt. Die frei werdende Wärmeenergie produziert Dampf zur Stromerzeugung. Ganz ähnlich könnte es künftig bei Eisenstaub funktionieren, ist Marius Schmidt überzeugt, der mit seinem Team und Partnern etwa am Karlsruher Institut für Technologie an der Weiterentwicklung der Technik arbeitet. Je nach Bedarf kann der Eisenstaub ebenso heiß oder gar noch heißer brennen als Kohlenstaub. Der Rost in Pulverform würde als Abfallprodukt genau wie die Asche aus den Kohlekesseln abtransportiert.

Doch dieser »Abfall« ist der eigentliche Clou an der Eisenverbrennung. Denn im Unterschied zur Kohle, die auf ewig verloren ist, kann man ihn wieder zu Eisen machen und das Material in einen Kreislauf überführen. Erst diese Eigenschaft macht das Ganze überhaupt zu einem nachhaltigen Konzept.

Dort, wo Sonnenenergie im Überfluss vorhanden ist, so die Idee, könnte das Eisenoxid wieder in pulverförmiges, reines Eisen zurückverwandelt werden. Dazu muss zunächst mithilfe von Photovoltaik grüner Wasserstoff produziert werden, der im daran anschließenden Schritt dem Eisenoxid den Sauerstoff entzieht. Es entstehen das elementare Metall Eisen sowie Wasser.

Photovoltaik im Großmaßstab | Sollte es gelingen, mit ausreichend großen Solarparks Sonnenstrom im Überschuss zu produzieren, könnte man die Energie in Form von elementarem Eisen speichern. Ein Vorteil gegenüber Wasserstoff: Man käme mit deutlich weniger Wasser aus.

Dieses Umwandlungsverfahren ist seit Langem bekannt und bereits heute technisch realisierbar. Es wurde unter anderem von der Stahlindustrie weiterentwickelt, um grünen Stahl zu produzieren. Der hohe Energieaufwand für die Erzeugung von reinem Eisen, der bei der Stahlerzeugung ein Nachteil ist, wird hier zum Vorteil: Die energieintensive Herstellung macht Metalle zu effizienten Energiespeichern.

Global verteilte Kreislaufwirtschaft

Um diesen Prozess auf ein industrielles Level zu bringen, haben sich internationale Forschungsaktivitäten und Start-ups gegründet. Sie eint die Vision, den Einsatz von Eisen als Energieträger auf den großen Maßstab zu skalieren. Die Hoffnung: Wenn bestehende Kohlekraftwerke umgerüstet werden könnten, statt sie durch neu zu bauende Wasserstoffkraftwerke zu ersetzen, wären Geld und Ressourcen in beträchtlichem Ausmaß gespart. Weltweit gibt es an die 2500 Kohlekraftwerke, viele davon sind gerade erst in Betrieb genommen worden und haben sich noch längst nicht amortisiert. Gäbe es den Klimaschutz nicht, könnten sie noch 20 Jahre oder länger betrieben werden.

Mit Eisen statt Kohle als Brennstoff könnte ein Großteil der Infrastruktur gleichbleiben: Wasser verdampfen, eine Dampfturbine antreiben und Strom erzeugen – all das funktioniert, ob die Wärme nun aus Kohle oder Eisen stammt.

Der Einsatz von Eisen punktet noch in weiterer Hinsicht beim Vergleich mit dem extrem flüchtigen Element Wasserstoff. Eisen und seine Oxide werden bereits heute in gewaltigen Mengen über die Ozeane geschippert, sie sind nicht giftig, nicht korrosiv und müssen nicht unter Druck gelagert werden. Für den Transport stehen sämtliche Transportoptionen wie Schiffe, Güterzüge und Fahrzeuge zur Verfügung, es müsste nicht erst eine Flotte von Spezialschiffen vom Stapel gelassen werden, wie im Fall der Wasserstoffnutzung.

Zudem verbraucht die grüne Wasserstoffwirtschaft in den sonnigen, aber meist knochentrockenen Gegenden viel Wasser. Dieses muss zunächst aufwendig über Meerwasserentsalzung bereitgestellt werden und verschwindet dann – in Gestalt des Wasserstoffs – ins Ausland. Anders ist das bei der Umwandlung von Eisenoxid. Hier verbleibt das Wasser vor Ort: Es wird im Kreislauf geführt und dabei von Wasserstoff in Wasser und wieder zurück verwandelt.

Laut einer aktuellen Studie liegt die Energieeffizienz des kompletten Kreislaufs bei bis zu rund 30 Prozent. Das bedeutet, von der ursprünglich eingesetzten Sonnenenergie gehen durch Umwandlung, Hin- und Rücktransport, Lagerung und den gelegentlich notwendigen Erznachschub zwei Drittel verloren. Das klingt viel, liegt aber in derselben Größenordnung wie die Effizienz bei der Herstellung und Nutzung von grünem Wasserstoff.

Aufgestellt hat diese Bilanz ein Team, an dem auch Christian Hasse mitwirkte. Der Maschinenbauingenieur erforscht die Energiespeicherung mittels Eisenoxid an der TU Darmstadt und hält sie für bald einsatzbereit: »Die aktuellen Einsatzszenarien sehen vor, dass man das Verfahren schon 2030 in einem großindustriellen Maßstab nutzen kann.« Um den Verbrennungsprozess im Detail zu analysieren, kombiniert sein Darmstädter Forschungsteam Laborexperimente und Computersimulationen. Bald wollen sie auch die Verbrennung von Eisen in einem Kraftwerk simulieren, was bei der Umrüstung echter Kraftwerke von Nutzen sein könnte.

In einer Studie aus dem Jahr 2022 hat Hasses Team berechnet, was es bedeuten würde, sämtliche existierenden Kohlekraftwerke auf Eisenverbrennung umzustellen. Von der reinen Eisenmenge wäre dafür ungefähr so viel Eisen nötig, wie heute in einem Jahr abgebaut wird. Streckt man den Prozess über die kommenden 20 Jahre, müsste man die heutige Fördermenge um ungefähr fünf Prozent erhöhen.

Erzfracht | Metalle werden bereits heute in großer Zahl über die Weltmeere geschippert, entsprechend viel Know-how existiert über die damit verbundenen Probleme und ihre Lösungen.

Den Prozess optimieren

Auch Özge Özgün vom Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien in Düsseldorf forscht daran, den Prozess auf industriellen Maßstab zu vergrößern. Der Vorgang sei im Grunde verstanden, dennoch gebe es genügend Raum für Optimierung. Ihr Ziel ist etwa, die Eisenmenge zu verringern, die zur Speicherung einer gegebenen Energiemenge nötig ist. Wie gut sich das Eisenoxid in Eisen zurückverwandeln lässt, hängt zum Beispiel von der Partikelgröße ab: Je größer die Eisenteilchen, desto geringer die Reduktionsgeschwindigkeit, unter anderem weil der Wasserstoff nicht gut in das Eisenoxid eindringt. Sind die Partikel hingegen zu klein, beginnen sie bei der Reduktion zu schmelzen. Es gilt also, die optimale Partikelgröße und Temperatur für einen möglichst effizienten Prozess zu finden. Für einen industriellen Ansatz müssen laut Özgün alle Faktoren optimal ausbalanciert werden.

Getrübt wird die Zuversicht beim Blick auf die Energiedichten. Auf das Volumen bezogen ist die Speicherdichte des Eisens laut Daten der TU Darmstadt mit bis zu 16,1 Kilowattstunden pro Liter zwar etwa achtmal so groß wie die von Lithium-Ionen-Akkus oder flüssigem Wasserstoff bei –253 Grad Celsius. Die Situation ändert sich allerdings erheblich, wenn man die Energiedichte pro Masse betrachtet. Dann ist die hohe Dichte des Eisens nachteilig, und Wasserstoff ist beim Energietransport etwa 15-mal leichter. Das schlägt negativ in der Energiebilanz zu Buche, weil der Transport einer gegebenen Energiemenge mehr Kraftstoff kostet.

Wasserstoff bleibt Mangelware

Eisen hat als wiederverwendbarer Brennstoff nur dann eine Erfolgsperspektive, wenn zugleich die globale Wasserstoffwirtschaft in Fahrt kommt. Die Aussichten dafür sind allerdings nicht gerade rosig. Laut einem Bericht der Internationalen Energieagentur von 2025 machen grüner Wasserstoff sowie der blaue, der unter CO2-Abscheidung aus fossilen Quellen gewonnen wird, aktuell nicht einmal ein Prozent der ohnehin mageren weltweiten Wasserstoffproduktion aus. Prognosen für 2030 mussten bereits nach unten korrigiert werden: Demnach dürften zum Ende der Dekade nur knapp 40 Prozent statt knapp 50 Prozent des aktuellen Bedarfs von 100 Millionen Tonnen H2 aus klimafreundlicher Produktion stammen. Und das auch nur gemäß Ankündigungen, verbindlich zugesagt ist lediglich ein Zehntel davon. Die Branche, die Wasserstoff insbesondere zur Herstellung von Düngemitteln benötigt, ist folglich selbst noch weit davon entfernt, klimaneutral zu produzieren. Ein Überschuss, der in der Stahlproduktion oder für die Energiespeicherung eingesetzt werden könnte, ist nicht in Sicht.

Hinzu kommt: Kein Land kann derzeit für sich beanspruchen, so viel klimafreundlichen Strom über den eigenen Bedarf hinaus zu produzieren, dass es als »Stromexport-Nation« auftreten könnte. Solange ein echter Überschuss nicht existiert, sei jede Megawattstunde sauberen Stroms besser in der Dekarbonisierung des eigenen Stromnetzes und der Elektrifizierung von Verkehr und Heizung aufgehoben als in der Wasserstoffproduktion, urteilen Nathan Johnson und Iain Staffel vom Imperial College London in einer aktuellen Überblicksarbeit. Die Nutzung von Wasserstoff in Stahlwerken, beim Schwertransport oder eben als Energiespeicher seien jedoch diejenigen Anwendungsfälle, in denen grüner Wasserstoff perspektivisch die größte Klimaschutzwirkung entfalten dürfte.

Hoffnung machen der Wasserstoffwirtschaft derzeit vor allem die sinkenden Preise für Solarzellen und Elektrolyseure. In Kombination mit dem politischen Willen könnten sie der Branche den nötigen Anschub verleihen.

Samuel Heiniger lotet darum an der ETH Zürich aus, ob Eisen als lokaler Energiespeicher taugt. Etwa um überschüssigen Strom aus PV-Anlagen im Sommer für dunklere Zeiten im Winter zu speichern. Auf dem Campus der Schweizer Eliteuni soll eine Pilotanlage entstehen.

Von der Umrüstung von Kohlekraftwerken hält er nichts. Seiner Ansicht nach ist das Eisen zu schwer, um es einmal um die halbe Welt und wieder zurück zu transportieren. Das zeige sich vor allem im direkten Vergleich mit Systemen, die auf Flüssigkeiten basieren, in denen der Wasserstoff chemisch gebunden ist. Auch in Ammoniak lässt sich Wasserstoff umwandeln, was den Transport erleichtert. Für die verbliebenen deutschen Kohlekraftwerke wird eine mögliche Eisentechnologie wohl ohnehin zu spät kommen. Die von RWE im rheinischen Revier betriebenen Kraftwerke werden bald stillgelegt. Eine Verbrennung von Eisen ist bisher nicht geplant.

Start-up in den Startlöchern

Eine dritte Richtung verfolgt das Dresdner Technologie-Start-up Ambartec. Es will Eisen nutzen, um am Einsatzort Wasserstoff zu produzieren. Dazu wird das Eisenpulver nicht verbrannt, sondern man setzt es unter Wasserdampf, wobei es den Wassermolekülen den Sauerstoff entzieht. Dabei entsteht neben Eisenoxid der gewünschte Wasserstoff. Auch in der Vorstellung der Macher hinter Ambartec wird das Eisenoxid dann wieder in sonnige Regionen transportiert, wo Elektrolyseure bereits Wasserstoff produziert haben. Mit diesem wird das Eisenoxid dann reduziert – und immer so weiter.

Das Eisen tritt hier in erster Linie als Transportvehikel für Wasserstoff in Aktion. Matthias Rudloff, CEO von Ambartec, meint: »Die Wasserstoffwirtschaft kommt nicht in Gang, weil die Kosten für den Transport und die Speicherung zu hoch sind. Diese Kosten senken wir mit unserem Verfahren.«

Das Verfahren sei in den 1970er-Jahren schon einmal großtechnisch in einer Anlage in Magdeburg in der DDR angewendet worden, erläutert Rudloff. Aus dieser Zeit gebe es noch viele nützliche Unterlagen. Inzwischen sei das Verfahren auf den heutigen Stand der Technik gebracht und in einem sechs Meter großen Standardcontainer verbaut worden. Im Zentrum stehen Eisennuggets, gelagert in einem bis zu 1000 Liter fassenden Speicher. Mit ihrer Hilfe lassen sich bis zu 100 Kilogramm Wasserstoff aus zugeführtem Wasser erzeugen. Das entspreche der Energie von drei Megawattstunden, so der Geschäftsführer. Die ersten Anlagen sollen ab 2026 erhältlich sein. Drei Megawattstunden – das liegt in der Größenordnung des Jahresverbrauchs eines Dreipersonenhaushalts an Strom.

Die Vorschläge und Berechnungen liegen auf dem Tisch. Um den weiteren Kohlendioxidanstieg in der Atmosphäre rasch zu beschränken, wie es die Staaten im Pariser Klimaabkommen beschlossen haben, muss es nun an eine baldige Umsetzung gehen. Ob Eisen künftig die Wasserstoffnutzung ergänzen oder teilweise sogar ersetzen wird, kann wohl erst die Praxis zeigen. So oder so könnte aber ein beginnendes Wasserstoffzeitalter zugleich eine neue Eisenzeit einläuten.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

  • Quellen
Debiagi, P. et al., Renewable and Sustainable Energy Reviews 10.1016/j.rser.2022.112579, 2022
Neumann, J. et al., Applied Energy 10.1016/j.apenergy.2024.123476, 2024

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.