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Sozialpsychologie: Die Gehirne von Freunden ticken ähnlich

Noch bevor zwei Menschen ein Wort miteinander wechseln, lässt sich ermitteln, ob sie zueinander passen könnten. Ähnliche neuronale Reaktionen auf Filme sagen voraus, wer sich anfreundet.
Eine Gruppe von Menschen sitzt in einem Kino auf roten Sitzen, die mit Nummern versehen sind. Zwei Personen im Vordergrund lächeln und halten Popcorn, während sie den Film genießen. Die Atmosphäre ist entspannt und fröhlich, mit gedämpftem Licht im Hintergrund.
Sind Menschen mit ähnlichem Filmgeschmack vielleicht eher kompatibel?

Freundschaft entsteht nicht bloß durch gemeinsame Interessen und schon gar nicht nur per Zufall, sondern womöglich auch deshalb, weil die Gehirne der Beteiligten ähnlich arbeiten. Das zeigt eine Studie, die im Fachblatt »Nature Human Behaviour« erschienen ist.

Das Team um die Psychologin Yixuan Lisa Shen von der University of California in Los Angeles hat eine Gruppe von Erstsemestern untersucht. 41 von ihnen legten sich dafür gleich zu Semesterstart in einen funktionellen Magnetresonanztomografen (fMRT), noch bevor sie Gelegenheit hatten, einander kennenzulernen. Über Veränderungen im Sauerstoffgehalt des Bluts ermöglicht das Gerät Rückschlüsse auf die Aktivität bestimmter Hirnareale. Im MRT lief eine Reihe kurzer Filme – Dokumentationen, Debatten, Komödien –, die möglichst unterschiedliche emotionale und kognitive Reaktionen hervorrufen sollten. So ließen sich individuelle Reaktionsmuster auf das präsentierte Material messen.

Zwei Monate später erfassten die Forschenden per Befragung das neu entstandene soziale Netz innerhalb der Jahrgangsgruppe, ein weiteres Mal nach insgesamt acht Monaten. Dabei bestimmten sie jeweils die »soziale Distanz« zwischen zwei Personen: Waren sie direkt, über Ecken oder gar nicht befreundet?

Duos, die zwischen dem zweiten und achten Monat enger zusammengerückt waren, hatten oft bereits im Hirnscanner auffallend ähnliche neuronale Muster gezeigt. Besonders stark war der Effekt in Regionen, die für soziale Kognition, Aufmerksamkeit und Bewertung zuständig sind – darunter der orbitofrontale Kortex, die Amygdala sowie Areale des sogenannten Ruhemodusnetzwerks. Selbst unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft blieben diese Zusammenhänge bestehen.

Demnach könnte eine tiefgreifende Verwandtschaft im Erleben und Deuten der Welt bei der Anziehungskraft zwischen Menschen eine Rolle spielen. Shen und ihr Team sprechen von einer Art »neuronaler Homophilie« – also einer Tendenz, Menschen nahezukommen, deren Hirn ähnlich funktioniert wie das eigene. Das könnte erklären, warum manche Freundschaften überdauern, während andere schnell wieder versanden. Allerdings hat die Aussagekraft der Studie auch Grenzen: Sie belegt den Effekt bisher nur bei einer relativ homogenen Gruppe junger Studierender.

  • Quellen
Shen, Y. et al., Nature Human Behaviour 10.1038/s41562–025–02266–7, 2025

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