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Cambridge: Eisenzeitlicher Kamm, geschnitzt aus einem menschlichen Schädel

In England endeckten Archäologen einen mehr als 2000 Jahre alten Knochenkamm der seltenen Art. Er wurde aus dem Schädel eines Menschen geschnitzt. Doch zum Kämmen nutzte man ihn offenbar nicht.
Der Knochenkamm vom Fundplatz Bar Hill.
Archäologe Michael Marshall vom Museum of London Archaeology präsentiert einen außergewöhnlichen Fund: einen mehr als 2000 Jahre alten Kamm, gefertigt aus dem Schädel eines Menschen.

In früheren Kulturen gebrauchten Menschen für allerlei Tätigkeiten geschnitzte Knochen – und nicht nur solche von Tieren. Dies belegt nun erneut ein Fund aus der Nähe von Cambridge in England: Es handelt sich um einen Kamm, der aus einem Stück menschlichen Schädels gefertigt wurde. Fachleute am Museum of London Archaeology (MOLA) und der Grabungsfirma Headland Archaeology datieren das fragmentierte Objekt vom Fundplatz Bar Hill in die Zeit von 400 v. Chr. bis 70 n. Chr., also in die Eisenzeit, die mit der Eroberung Britanniens 43 n. Chr. durch die Römer endete. Warum der Kamm aus Menschenknochen hergestellt wurde und ob es symbolische Gründe hatte, darüber können die Fachleute momentan nur spekulieren.

Die Archäologen bargen das Objekt zwischen 2016 und 2018, als sie Rettungsgrabungen für den Ausbau eines National Highway durchführten. Der Kamm kam als eines von fast 280 950 Artefakten ans Licht. Inzwischen hat das Team um MOLA-Projektleiter Michael Marshall den Fund aus der Eisenzeitsiedlung von Bar Hill genauer untersucht und an Griff und Zinken keinerlei Gebrauchsspuren festgestellt. Wenn der Kamm nicht zum Kämmen diente, wofür dann? Laut den Forschenden vielleicht als Anhänger – am Rand sei nämlich teilweise ein gebohrtes Loch erhalten. Schmuckamulette aus Menschenknochen sind zudem häufiger aus dem eisenzeitlichen Britannien überliefert.

Rekonstruktion | Der Knochenkamm aus Bar Hill ist vermutlich nur zur Hälfte erhalten. Die Zeichnung zeigt, wie das Objekt in vollständigem Zustand ausgesehen haben könnte.

Womöglich besaß der Kamm also eine symbolische Bedeutung. Er könnte aus dem Schädel einer hochstehenden Person der damaligen Gesellschaft geschnitzt worden sein, meint Marshall gemäß einer Pressemitteilung. Darüber hinaus sind zwei weitere Kämme aus Menschenknochen bekannt, die ebenfalls in Cambridgeshire ans Licht kamen. Bei einem der beiden hatte man keine Zinken herausgefeilt, sondern sie nur schematisch in den Knochen geritzt. Laut Marshall sollten die Linien vielleicht die Knochennähte, die Suturen, auf einem menschlichen Schädel nachahmen.

Fachleute kennen aus dem vorgeschichtlichen England aber auch Kämme aus Tierknochen, die zur Körperpflege oder zur Bearbeitung von Textilien genutzt wurden. Doch offenbar konnten ebenso Menschenknochen für alltägliche Tätigkeiten dienen. In der Grafschaft Cambridgeshire entdeckten Forscherinnen und Forscher Geräte zum Bearbeiten von Tierhäuten, die aus menschlichen Bein- und Armknochen bestehen. Ob diese Werkzeuge zudem eine symbolische Funktion übernehmen sollten, ist dabei unklar.

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