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Nordmänner: Englisches Massengrab ist voller Wikinger

Im 9. Jahrhundert zog das Große Heidnische Heer aus Dänemark durch England. In den Gefechten starben auch viele Wikinger. Etliche von ihnen liegen in einem Massengrab bei Repton.
Schädel einer toten Wikingerfrau

Im späten 9. Jahrhundert fürchteten Franzosen und Engländer vor allem eine Gefahr: die Wikinger, die aus dem Norden kamen und regelmäßig in ihre Länder einfielen, sie plünderten und zum Teil eroberten. Vor allem das »Große Heidnische Heer« verbreitete Angst und Schrecken. Ab etwa 865 begann es England anzugreifen und zu besetzen, ab 871 ergänzt durch das »Große Sommerheer« aus Skandinavien. Mehrere tausend Krieger schlugen in verschiedenen Schlachten angelsächsische Königreiche wie East Anglia und Northumbria. Und manchmal kamen sie, um zu bleiben, denn auf die Soldaten folgten Familien, welche die besetzten Gebiete teilweise besiedelten. 873 und 874 zogen die Heere auch gegen Mercia, dessen König schließlich ins Exil ging. Daraufhin schlugen die Wikinger beim heutigen Repton in Derbyshire ihr Winterlager auf – wo mehr als 1000 Jahre später Archäologen ein Massengrab entdeckten und ausgruben. Lange war jedoch unklar, ob dort nur Gefallene der Skandinavier bestattet wurden oder ob sich die rund 300 Toten darin über die Jahrhunderte angesammelt hatten. Radiokarbondaten von Forensikern um Cat Jarman von der University of Bristol belegen aber eindeutig, dass die Grabstätte aus der Zeit des »Großen Heidnischen Heers« stammt. Das schreiben die Forscher im Fachmagazin »Antiquity«.

Zwischen den Knochen der mindestens 264 Menschen wurden damals Wikingerwaffen und andere Gegenstände skandinavischen Ursprungs gefunden, darunter fünf Silbermünzen aus der Zeit von 872 bis 875. Einige der Toten trugen zudem Spuren schwerer Verletzungen, demnach waren sie wahrscheinlich im Kampf gefallen oder danach an ihren Wunden gestorben. Alles sprach also bereits für die Wikingerhypothese, doch die zu jener Zeit durchgeführten Radiokarbonanalysen legten nahe, dass der Ort schon über Jahrhunderte als Grabstätte geführt worden sein könnte. »Das lag am so genannten Meerwasser-Reservoir-Effekt«, sagt Jarman. »Das macht die Knochen vermeintlich älter.« Wenn Menschen viel Fisch oder andere Meerestiere essen, werde die Radiokarbonmessung verzerrt, weil die dafür nötigen im Körper eingelagerten Kohlenstoff-14-Gehalte sich je nach Herkunft der Nahrung deutlich unterscheiden. Wer viele Meeresfrüchte isst, wirkt durch diese Verzerrung in der Analyse älter als Menschen, die sich primär von landwirtschaftlichen Produkten ernähren.

Am Fundort wurde auch ein Doppelgrab entdeckt, in dem vermutlich zwei hochrangige Krieger beerdigt worden waren und das ebenfalls aus der Zeit des Feldzugs stammt: Einem der Toten wurde ein Abbild von Thors Hammer mitgegeben, dazu ein Schwert und andere Artefakte. Er hatte im Kampf sehr schwere Verletzungen erlitten, eventuell wurde ihm sogar der Penis abgetrennt. Er wies einen großen Schnitt im linken Oberschenkelknochen auf, und zwischen seine Beine hatte man den Hauer eines Wildschweins gelegt – womöglich um den Verlust des Geschlechtsorgans zu kompensieren. An der Stelle des Grabs hatte zuvor wohl ein königliches Mausoleum der Herrscher von Mercia gestanden, das von den Eroberern geschleift wurde, bevor sie es für ihre Zwecke nutzten. Etwa 20 Prozent der Toten waren außerdem Frauen. Das stützt die These, sie könnten auch auf dem Schlachtfeld als Kriegerinnen eine wichtige Rolle gespielt haben.

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