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News: Erblasste Korallen

Korallenriffe gelten aufgrund ihres Reichtums an Formen und Farben als "Regenwälder der Meere" - doch wie viele andere Lebensräume sind sie stark bedroht. Infolge von ökologischem Stress stoßen die riffbildenden Korallen ihre Mitbewohner - die Algen - aus, mit denen sie jahrelang in trauter Eintracht zusammenlebten. Dieses Phänomen führt oftmals zum Absterben der Tiere und damit ganzer Riffsysteme. Aber möglicherweise befreien sich die Korallen mit diesem hochriskanten Manöver aus einer nicht optimalen Lebensgemeinschaft und sind damit offen für neue Bindungen.
Insbesondere Steinkorallen türmen als Architekten der tropischen Meere mit ihren Kalkabscheidungen im Laufe der Zeit gewaltige Gebilde auf. Doch die oftmals nur wenige Millimeter großen Baumeister der Riffe sind bei ihrer Tätigkeit auf pflanzliche Unterstützung angewiesen: Kleine, einzellige Algen, so genannte Zooxanthellen, die sich in den Korallengeweben häuslich niedergelassen haben, fördern den Kalkaufbau ihrer Partner, indem sie die Korallen mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen sowie dem Wasser Kohlendioxid und Phosphate entnehmen.

Doch diese eingespielte Lebensgemeinschaft gerät leicht aus dem Gleichgewicht, wenn die Korallen unter Stress stehen. Infolge hoher Wassertemperaturen entledigen sich die Wirte ihrer bräunlich bis gelblichen Gäste: Die Korallen erbleichen. Ihr Gewebe wird farblos, da das helle Gerüst aus Calciumcarbonat durchschimmert. Im "weißen Zustand" reduzieren die geschwächten Korallen ihr Wachstum und gehen sogar ganz zugrunde, wenn die ungünstigen Umweltbedingungen längere Zeit anhalten. So sterben die als "Regenwälder der Meere" bezeichneten Riffe langsam ab.

Um dieses rätselhafte Phänomen näher zu ergründen, verpflanzte Andrew Baker von der Wildlife Conservation Society acht Korallenarten des San Blas Archipelago in Panama von seichten in tiefe Bereiche oder umgekehrt. Nach zwei Monaten untersuchte er die umgesiedelten Riffbildner auf Ausbleicherscheinungen und nach einem Jahr auf die in ihnen lebenden Algen, die sich oftmals – aufgrund ihrer bevorzugten Lichtintensität – in einer bestimmten Meerestiefe ansiedeln.

Dabei stellte der Forscher Erstaunliches fest: Elf der 24 "aufwärts" – von tiefen in flache Bereiche – umgesetzten Korallenkolonien zeigten nach acht Wochen ein deutliches Erblassen, während die "abwärts" verpflanzten Populationen keinerlei derartige Anzeichen aufwiesen. Überraschenderweise starben die ausgeblichenen Korallen jedoch nicht ab, während sieben von den 37 in tiefere Bereiche umgesiedelten Kolonien nach einem Jahr nicht mehr lebten.

Diese Beobachtungen führt der Wissenschaftler auf veränderte Lebensgemeinschaften zurück, denn fünf von den acht untersuchten Korallenarten zeigen abhängig von der Meerestiefe eine Vorliebe für eine bestimmte Algenart. Diese Korallen, die in unterschiedlichen Tiefen jeweils von einem anderen pflanzlichen Partner bewohnt werden, korrigierten ihre Algenzusammensetzung jedoch nur, wenn sie aufwärts verpflanzt wurden, hingegen nicht, wenn sie in tiefere Bereiche "umzogen".

Die Ergebnisse enthüllen einen unerwarteten Zusammenhang zwischen dem stressinduzierten Ausbleichen, der Auswahl einer anderen symbiotischen Algenart und der Sterblichkeit der Riffbauer: Korallen, die auf die veränderten Umweltbedingungen schnell reagieren, indem sie ihren alten Lebenspartner abstoßen und sich mit einem neuen verbünden, sichern dadurch vermutlich ihr Überleben. Ohne das Ausbleichen dauern ungünstige Lebensgemeinschaften jedoch an und führen möglicherweise zum Tod des Wirtes.

Das Ausbleichen der Korallen gleicht somit einem ökologischen Glücksspiel: Obwohl es für die Tiere äußerst riskant ist, sich von ihrem treuen Mitbewohner zu trennen, sichert ihnen diese Strategie womöglich ihr langfristiges Fortbestehen.

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  • Quellen
Nature 411: 765–766 (2001)

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