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News: Erdbahnparameter in Sedimenten konserviert

Seit 80 Jahren wissen die Geowissenschaftler, dass die Veränderungen der Erdbahnparameter zu Klimawechseln führen. Verschiedene Zyklen erlauben so die zeitliche Einordnung von Sedimenten. In fernerer geologischer Vergangenheit wird dies indes immer schwieriger, denn auch diese Parameter haben sich im Laufe der Zeit verändert. Wie und und welchem Umfang, das lässt sich ebenfalls aus den Sedimenten ablesen.
Als der österreichisch-ungarische Bauingenieur und Geophysiker Milutin Milankovic (1879-1958) im Jahr 1920 seine Überlegungen zu dem Zusammenhang des irdischen Klimas mit den veränderlichen Erdbahnparametern veröffentlichte, dauerte es nur wenige Jahre, bis Klimaforscher daraus ein Modell zur Ableitung der Eiszeiten entwickelten. Die so genannten Milankovic-Zyklen beschreiben periodische Veränderungen der Erdachse im Raum. So schwankt die Erdachsenneigung gegenüber der Ekliptik, also der imaginären Ebene, in der die Erde um die Sonne kreist, in einem Zyklus von ungefähr 40 000 Jahren. Mit dieser Schiefe der Ekliptik verschieben sich die Wende- und Polarkreise - und somit auch die Klimazonen. Der zweite Milankovic-Zyklus heißt Präzession und beschreibt die Veränderung der Lage der Erdachse im Raum, die in einem Zeitraum von etwa 25 800 Jahren eine Art Kreiselbewegung ausführt. Ein dritter, das Klima der Erde beeinflussender Orbitalparameter ist die Bahn der Erde um die Sonne selbst. Sie verläuft nicht kreisförmig, sondern bildet eine Ellipse mit einer bestimmten Exzentrizität. Diese Form ist veränderlich und schwankt innerhalb von ungefähr 100 000 Jahren hin und her.

In jedem Fall gehen diese Zyklen mit Schwankungen der eingestrahlten Sonnenenergie (Insolation) einher, das Klima verändert sich in periodischen Abständen und hinterlässt in den abgelagerten Sedimenten eindeutige Spuren. Für den Zeitraum der jüngeren geologischen Vergangenheit kann man davon ausgehen, dass die Orbitalparameter einigermaßen konstant waren, mit zunehmendem Alter der Sedimente wird deren Auswertung indes immer schwieriger. Schließlich haben sich diese Erdbahnparameter im Laufe der Erdgeschichte verändert, sodass man zunehmend bestrebt war, in den Sedimenten nach eben diesen Schwankungen der Zyklen zu suchen.

Daraus ergab sich die Entwicklung einer Reihe mathematischer Lösungen, die sich nur geringfügig voneinander unterscheiden. Eine davon stützt sich auf zwei Faktoren, welche die Erde beeinflussen. Zum einen führen die Vereisungen in den Polarregionen oder Konvektionsströme im Erdmantel zu Massenverlagerungen, die den Kreisel Erde ins Wanken geraten lassen und die so genannte dynamische Elliptizität bedingen. Zum anderen resultiert aus dem Wechselspiel von Erde und Mond, dass sich der Abstand zwischen beiden Körpern ändert, was sich wiederum auf die Gezeitenkräfte auswirkt. Deshalb dreht sich die Erde mal langsamer und mal schneller.

Beide Mechanismen - dynamische Elliptizität und Gezeitenwirkung - führen zu Veränderungen der eingestrahlten Sonnenenergie, was über Millionen von Jahren in Sedimenten gespeichert wird. So auch im Mittelmeer. Hier bot sich Lucas Lourens von der Projectgroup Stratigraphy and Paleontology der Utrecht University und seinen Kollegen die Möglichkeit, mithilfe der Verhältnisse von Titan (Ti) zu Aluminium (Al) die zyklische Strahlungsenergie über Nordafrika zu rekonstruieren. Ein Teil der Sedimente ist nämlich terrestrischen Ursprungs, wird also von Winden oder Flüssen in das Mittelmeer verfrachtet. Die Ti:Al-Verhältnisse spiegeln die Feuchtigkeit über dem Kontinent wider und geben somit Aufschluss über die Insolation.

Im nächsten Schritt verglichen die Forscher diese Daten mit der mathematischen Lösung, und zwar für einen Zeitraum zwischen 2,5 und 3 Millionen Jahren vor heute. Dabei eichten die Forscher ihre zyklischen Insolationsdaten aus den Sedimentkernen des Mittelmeers, indem sie die Einflüsse der dynamischen Elliptizität und der variablen Gezeitenkräfte auf die mathematische Lösung unterschiedlich gewichteten. Die beste Übereinstimmung fanden sie, wenn sie davon ausgingen, dass die Gezeiteneinflüsse und die dynamische Elliptizität in jener Zeit geringere Ausmaße hatte, als es heute der Fall der ist. Gleichzeitig hatte dies zur Folge, dass sich die Erde während der letzten drei Millionen immer schneller drehte.

Viele Jahre lang waren die Erdbahnparameter bewährtes Werkzeug zur zeitlichen Einordnung relativ junger Sedimentschichten. Mithilfe dieser neuen Erkenntnisse dürfte dies in Zukunft auch für ältere Gesteine möglich sein. Schon hoffen die Forscher, weit über jene drei Millionen Jahre weit zurückzublicken, vielleicht gelingt es schon bald, auch bis zu 200 Millionen Jahre alte Insolationsdaten zu kalibrieren.

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  • Quellen
Nature 409: 1029–1033 (2001)

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