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Erde: Staudämme ließen Pole wandern

Die Menschheit hat tausende Staudämme gebaut. Sie verändern nicht nur die Umwelt, sondern den Planeten selbst: Die Rotationsachse der Erde hat sich verschoben.
Eine große Betonstaumauer erstreckt sich über einen tiefen Canyon mit rotem Gestein, durch den ein breiter Fluss fließt. Der Himmel ist klar mit einigen Wolken. Auf der Staumauer sind mehrere Personen zu sehen, die die Aussicht genießen. Eine Straße führt über die Mauer und verbindet die beiden Seiten des Canyons. Im Hintergrund erstreckt sich die Landschaft mit weiteren Felsformationen.
Der Glen-Canyon-Damm mit dem Lake Powell gehört zu den bekanntesten und meistbesuchten Staudämmen der Welt.

Seit 1835 hat die Menschheit weltweit rund 7000 Staudämme gebaut und dahinter enorme Wassermassen angesammelt. Das sorgte nicht nur für Elektrizität, Reservoirs für Trink- und Brauchwasser und ökologische Schäden, sondern hatte auch konkrete Folgen für die Lage der Rotationsachse der Erde und die Position unserer Pole. Insgesamt haben sie sich seit Beginn des Staudammbaus um mehr als einen Meter verschoben, wie ein Team um Natasha Valencic von der Harvard University ermittelt hat – kein dramatischer Sprung, aber doch ein Zeichen dafür, wie sich die Umverteilung von Wasser im globalen Rahmen auch auf subtile Art bemerkbar machen kann.

Valencic und ihre Kollegen nutzten für ihre Studie eine globale Datenbank zu Staudämmen, um deren Position zu kartografieren, und ermittelten dann, wie viel Wasser diese hinter ihren Wänden stauen, das folglich nicht ins Meer fließt. Ohne das gestaute Volumen lägen die Meeresspiegel heute nochmals um 21 Millimeter höher: Folglich kam es zu einer gewissen Massenverlagerung von den Ozeanen zum Land, wo sich die Dämme befinden. Massenveränderungen beeinflussen jedoch auch die Erdrotation, weil sie – unmerklich für uns direkt – stärker zu schwanken beginnt. Gleichzeitig verschiebt sich dadurch die Rotationsachse.

Laut den Berechnungen kam es dabei zwischen 1835 und 2011 zu zwei ausgeprägten Phasen, bei denen sich die Pole um 113 Zentimeter verschoben, 104 Zentimeter allein im 20. Jahrhundert. Diese Bewegung fand allerdings nicht in eine einzige Richtung statt: In der ersten Phase, die bis 1954 reichte, wurden viele Dämme in Nordamerika und Europa gebaut, in deren Folge sich der Nordpol netto um 20,5 Zentimeter nach Osten in Richtung des 103. Längengrads verschob. Ab 1954 verlagerte sich der Schwerpunkt der Dammkonstruktionen nach Ostafrika und vor allem Asien, was eine Polbewegung um 57 Zentimeter zum 117. Längengrad Ost auslöste.

Konkrete Folgen für die Erde oder uns hat diese Verschiebung des geografischen Pols nicht. Eine Eiszeit drohe deswegen sicher nicht, sagt Valencic in einer Mitteilung. Die Studie zeigt aber, wie der Mensch auch unerwartete Veränderungen für unseren Planeten durch sein Schaffen bewirken kann. Und: Diese Werte beruhen auf Berechnungen, den Einfluss tatsächlich messen kann man eher nicht.

Anm. d. Red.: Der Pol verschob sich natürlich in Richtung der Längengrade, nicht der Breitengrade. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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  • Quellen
Valencic, E. et al., Geophysical Research Letters 10.1029/2025GL115468, 2025

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