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Planetenforschung: Erdmond und Vesta durchlebten ähnliche Geschichte

Der Erdmond und der Planetoid Vesta wurden in der Frühzeit des Sonnensystems vor rund vier Milliarden Jahren von ähnlichen Himmelskörpern getroffen, die sich mit hohen Geschwindigkeiten durch das Sonnensystem bewegten.
Die Oberfläche von Vesta

Einschläge von Planetoiden und Kometen waren im frühen Sonnensystem vor vier Milliarden Jahren weit verbreitet und sehr viel häufiger als heute. Insbesondere die Oberflächen der atmosphärelosen kleineren Himmelskörper wie der Erdmond oder der Planetoid Vesta haben an ihrer Oberfläche einen großen Teil ihrer Frühgeschichte konserviert, da auf ihnen kaum Verwitterung stattfindet. Nun deuten Untersuchungen eines Forscherteams um Simone Marchi am NASA Lunar Science Institute in Boulder, Colorado, darauf hin, dass beide Himmelskörper in der Vergangenheit auch von ganz ähnlichen Projektilen getroffen wurden.

Die Einschlagbecken Rheasilvia und Veneneia auf Vesta | Aus den Bilddaten der US-Raumsonde Dawn wurde diese topografische Karte der Südhemisphäre des Asteroiden Vesta erstellt. Deutlich lassen sich die beiden Einschlagbecken Rheasilvia (Bildmitte) und Veneneia (unten, überlappend mit Rheasilvia) erkennen. Der Berg im Zentrum von Rheasilvia ist rund 22 Kilometer hoch.
Bei ihren Untersuchungen griffen die Planetenforscher auf die HED-Meteoriten zurück, die nach derzeitigem Wissensstand mit hoher Wahrscheinlichkeit Bruchstücke des Planetoiden (4) Vesta sind. HED steht für die Meteoritenklassen der Howardite, Eukrite und Diogenite. Es sind magmatische Gesteine, die irdischen Basalten und Bruchstücken des Erdmantels ähneln. Sie konnten nur auf einem Himmelskörper entstehen, der kurz nach seiner Bildung vor rund 4,6 Milliarden Jahren so heiß war, dass sein Gesteinsmaterial zu einem großen Teil aufschmolz. Derzeit sind insgesamt mehrere 100 HED-Meteorite auf der Erde bekannt, deren Gesamtmasse 1332 Kilogramm beträgt.

Marchi und ihre Kollegen bestimmten mittels Massenspektrometrie die Argon-Argon-Alter der HED-Meteorite. Sie stellten fest, dass sie ähnlich wie die Proben vom Erdmond eine Häufung um vier Milliarden Jahre aufweisen. Dieser radiometrisch ermittelte Wert gibt an, wann die jeweiligen Gesteine zuletzt durch einen Einschlag auf Vesta so stark erhitzt wurden, dass sie den größten Teil des in ihnen enthaltenen Edelgasisotops Argon-40 durch Ausgasen verloren haben. Dies lässt sich auch als ein Stellen der radiometrischen Uhr eines Gesteins bezeichnen.

Argon-40 entsteht durch den radioaktiven Zerfall des in den Gesteinen enthaltenen natürlichen Kaliumisotops Kalium-40. Es reichert sich über die Zeit hinweg in den Gesteinen an und kann durch Erhitzen in einem Ultrahochvakuumofen freigesetzt und einem Massenspektrometer zugeführt werden. Das gleichzeitig gemessene Isotop Argon-39 ist künstlich und wird im Gestein durch die Bestrahlung mit Neutronen in einem Kernreaktor erzeugt. Es bildet sich aus dem in den Mineralen vorhandenen Kalium-39 und ist ein Maß für den Gesamtgehalt an Kalium und somit der ursprünglichen Menge des radioaktiven Kalium-40 in der Probe. Aus den Messungen im Massenspektrometer lässt sich dann ein Argon-40/Argon-39-Isotopenverhältnis ableiten, das Auskunft über das Alter der Gesteinsprobe gibt.

Die mit der Argon-Argon-Methode bestimmten Alter der HED-Meteoriten werden von den Forschern um Marchi dahingehend interpretiert, dass sie durch Einschläge auf Vesta entstanden sind, die Kollisionsgeschwindigkeiten von mehr als zehn Kilometern pro Sekunde aufwiesen. Sie waren so energiereich, dass sie die radiometrische Uhr der Gesteinen neu stellten. Dagegen liegen die mittleren Aufprallgeschwindigkeiten bei Kollisionen im Asteroidengürtel mit einem Mittelwert um fünf Kilometer pro Sekunde beträchtlich niedriger und heizen die Gesteine deutlich weniger auf. Woher kamen aber nun diese Himmelskörper, die Vesta so unter Beschuss nahmen?

Asteroid Vesta
Die meisten Planetenforscher gehen davon aus, dass vor rund vier Milliarden Jahren eine Art "Großreinemachen" im Sonnensystem stattfand. Dabei stürzte in der relativ kurzen Zeit von einigen 100 Millionen Jahren ein Großteil der noch verbliebenen kleineren Himmelskörper auf die Planeten und ihre Monde. Sie schlugen dabei die meisten der noch heute sichtbaren Krater in ihre Oberflächen.

Als Ursache für den starken Anstieg der Einschlagraten wird vermutet, dass die beiden Riesenplaneten Jupiter und Saturn, die sich nach ihrer Entstehung dichter an der Sonne befanden als heute, nach außen wanderten. Sie standen in gravitativer Wechselwirkung untereinander und den noch verbliebenen Kleinkörpern, so dass sie sich allmählich durch Gezeitenwirkungen von der Sonne entfernten. Ein großer Teil der kleinen Himmelskörper in ihrem Umfeld wurde dabei sowohl nach innen in Richtung Sonne als auch nach außen geschleudert. Erstere befanden sich danach auf exzentrischen Hochgeschwindigkeitsbahnen, welche die Orbits der erdähnlichen Planeten und der Himmelskörper im Asteroidengürtel kreuzten. Bei einer Kollision schlugen sie mit großer Wucht auf und erhitzten die getroffenen Gesteine stark.

Die Forscher um Marchi verglichen die ermittelten Kollisionsalter der HED-Metoriten mit denjenigen vom Erdmond, die an den Gesteinen der Apollo-Mondmissionen ermittelt wurden. Es zeigte sich eine gute Übereinstimmung in der zeitlichen Verteilung der Einschläge, ein Hinweis darauf, dass sowohl Vesta als auch der Erdmond von den gleichen Himmelskörpern getroffen wurden. Damit untermauert die Arbeit von Marchi und ihren Koautoren die Vorstellungen von einer Migration der beiden Gasriesen Jupiter und Saturn in der Jugend des Sonnensystems.

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