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Wasserkraft: Erdrutsche zerstörten Nepals erdbebensichere Wasserkraftwerke

Viele Staaten am Himalaja setzen auf die vermeintlich günstige Wasserkraft. Allerdings unterschätzt man offenbar systematisch die topografischen Gefahren der Gegend.
Wie stark haben sich Teile Nepals gehoben oder gesenkt?

Die katastrophalen Erdbeben in Nepal 2015 haben fast 9000 Todesopfer gefordert, Millionen Menschen betroffen und unermessliche Sachschäden produziert. Beschädigt wurden damals auch viele Wasserkraftwerke, die in Nepal wie in anderen Himalajastaaten in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zum Rückgrat der Elektrizitätsversorgung geworden sind. Dabei waren die Anlagen meist durchaus erdbebensicher gebaut – sie wurden aber vor allem durch nicht vorhergesehene bebenbedingte Erdrutsche häufig stark in Mitleidenschaft gezogen. Dies hätte sich durch eine sorgfältige Standortwahl wohl vermeiden lassen, meinen nun Wissenschaftler im Fachblatt »Geophysical Research Letters« nach neuen Schadensanalysen und Berechnungen. Bedenklich sei, dass etliche weitere Kraftwerke in Asien durch Nebenwirkungen von Erdbeben an ihren Standorten auch heute noch sehr gefährdet sind.

Die Forscher um Wolfgang Schwanghart von der Universität Potsdam hatten die Schadensberichte von 31 durch das Erdbeben betroffenen Wasserkraftwerken gesichtet und nach Gemeinsamkeiten gesucht. Dabei war ihnen aufgefallen, dass der Grad der Zerstörung offenbar mit den topografischen Gegebenheiten der Flussufer vor den Anlagen korreliert – gerade auch dort, wo die Erschütterung durch das Beben gar nicht besonders stark gewesen war. Daraufhin entwickelten sie ein Modell, das die Steilheit der Flüsse im Himalaja mit einer Karte der Bebenintensität von 2015 überlagerte. Dabei wurde deutlich, dass Bodenerschütterung und eine hohe Steilheit der Flussbetten und -ufer kombiniert zu besonders großen Schäden führten. Zudem waren in eben diesen Gebieten größere Schäden der Vegetation an den Flüssen dokumentiert: Offenbar hatten sich hier 2015 größere Erdrutsche ereignet. Mit Folgen für die Kraftwerke, so Schwanghart gegenüber »Nature News«: Sie haben das Beben überstanden, wurden dann aber durch die heranrauschenden Trümmer zerstört.

Wie zerstörerisch rutschende Erdmassen sein können, wissen Ingenieure spätestens seit der Katastrophe am Staudamm von Vajont in Italien, wo ein Erdrutsch 1963 einen Megatsunami mit 50 Millionen Kubikmeter Wasser verursachte, über den Staudamm mit einer 250 Meter hohen Welle wegfegte: Fast 2000 Menschen starben, mehrere Dörfer und Städte flussabwärts wurden zerstört.

Auf die Gefahr von Hangrutschungen für Kraftwerke haben Geologen bereits seit einigen Jahren immer wieder hingewiesen – so etwa zuletzt Ende 2017 Dave Petley von der University of Sheffield anlässlich eines zerstörerischen Erdrutsches an einem Wasserkraftwerk in Laos. Schwanghart und Kollegen stellen jetzt zudem eine Formel vor, mit der die tatsächliche Gefährdung einzelner Standorte leichter abzuschätzen ist. Das Team wendete sein Modell auf 273 Wasserkraftprojekte an, die im indischen, nepalesischen und bhutanischen Himalaja in Betrieb sind beziehungsweise gebaut oder geplant werden – mit ernüchternden Resultaten: Rund ein Viertel dieser Anlagen würden nach Erdbeben wahrscheinlich durch bebengetriggerte Erdrutsche schwer geschädigt.

Insgesamt könnte dies Wasserkraft als Energielieferant der Himalaja-Anrainerstaaten deutlich teurer machen, befürchten Experten wie David Gernaat, der für die niederländische PBL Netherlands Environmental Assessment Agency mit Computermodellen Umweltfolgeabschätzungen erstellt. Gernaat hatte mit Kollegen 2017 in »Nature Energy« errechnet, dass fast 40 Prozent der mit geringen Kosten nutzbaren Wasserkraft weltweit im asiatisch-pazifischen Raum liegt. Womöglich aber haben »wir das Wasserkraftpotenzial in der Region überschätzt und die Kosten unterschätzt«, meint Gernaat nun. Das bis dato unterschätzte Erdrutschrisiko müsse dringend in zukünftige Bewertungen einbezogen werden.

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