Erfindung der Toilette: Das erste Klo, das nicht stank

Er war seiner Zeit zu weit voraus. Der Dichter und Satiriker Sir John Harrington entwickelte 1596 das erste Wasserklosett mit Spülmechanismus. Es war eine 60 Zentimeter tiefe, ovale Holzschüssel, die er mit Pech, Harz und Wachs abdichtete und aus einem im Obergeschoss gelegenen Spülkasten mit Wasser speiste. In einer Broschüre publizierte er seine Erfindung samt präziser Bauanleitung und beschrieb sie in Anlehnung an den griechischen Helden, der mit seinem Speer vor Troja wütete, »ganz uneitel« als »The Metamorphosis of Ajax«. (Es war ein Wortspiel – »a jakes« bedeutete »ein Plumpsklo«. Im Englischen klingt es wie Ajax.)
Neben dem Prototyp stellte Harrington nur noch ein weiteres Exemplar her – das war allerdings für seine Patentante Königin Elisabeth I. (1533–1603) bestimmt, die trotz anfänglicher Begeisterung wenig damit anfangen konnte. Wasser wurde damals nicht für den Toilettengang benutzt, und eine Kanalisation existierte noch nicht.
Somit war es fast 200 Jahre später dem schottischen Wissenschaftler und Uhrmacher Alexander Cumming (1731/33–1814) vorbehalten, als Erfinder des modernen Wasserklosetts in die Geschichte einzugehen. Er erweiterte Harringtons Klappklosett durch ein s-förmiges Abflussrohr unter der Schüssel, in dem sich eine gewisse Menge Wasser sammelte. Dieses Wasser fungierte wie eine Dichtung und verhinderte, dass Gerüche aus der Toilette zurück ins Haus drangen. Cumming ließ sich seine Erfindung am 11. November 1775 patentieren.
»Letztendlich hat sich Cummings Siphonsystem bis heute nicht verändert«, sagt Nina Kloster von der Technischen Hochschule Köln, die als Professorin unter anderem über technische Hygiene und Sanitärtechnik lehrt. »Es ist und bleibt eine bahnbrechende Erfindung«, erklärt Kloster. »Die Geschichte der Toilette ist aber von Anfang an mit Hygiene und der Problematik der Abwasserbeseitigung verknüpft.«
Kleine Reise durch die Toilettengeschichte
So nutzten die alten Ägypter, Mesopotamier und Inder bereits einfache Toiletten mit Abflussgruben. Bei Ausgrabungen am Indus in Pakistan fand sich ein mit Ziegeln ausgekleidetes 4000 Jahre altes, ausgeklügeltes System von Schächten und Kanälen. Die Sumerer passten die Form ihrer Toiletten bereits dem menschlichen Po an, wie in den Ruinen einiger Paläste gefundene Aborträume belegen. Die Minoer und Mykener saßen ebenfalls auf Toiletten, die man per Wasserkrug spülte, und ihre Nachfolger, die alten Griechen, nutzten bereits Latrinenbänke mit mehreren Öffnungen. Während in China vor mehr als 2000 Jahren, zur Zeit der Han-Dynastie, erste an Abwassersysteme angeschlossene Tontoiletten entstanden.
Pioniere der Sanitärtechnik waren die Römer mit ihren Aquädukten. Die öffentlichen Latrinen bestanden aus Steinbänken mit Löchern, unter denen das fließende Wasser den Unrat gleich mit zweifachem göttlichem Beistand direkt in den Tiber schwemmte: Venus Cloacina hieß die Schutzgöttin der Abzugskanäle und Kloaken in Rom, während Stercutus, der Gott des Düngens und allen Schmutzes, für das »große Geschäft« zuständig war. Zum Abwischen, so die langjährige These, wurden Stöcke genutzt, an denen ein Schwämmchen befestigt war, das man vorher in Salzwasser tauchte. Allerdings spricht vieles dafür, dass die Xylospongia eher Toilettenbürsten waren und kein gemeinschaftlich genutztes Klopapier.
Die Latrinen waren nicht einfach nur Orte zur Verrichtung der Notdurft, sie waren soziale Treffpunkte. Die Römer saßen nebeneinander, unterhielten sich über den neuesten Tratsch und zogen über die Politik her. Die Gemüter kamen besonders in Wallung, als Kaiser Vespasian (9–79 n. Chr.) die Latrinensteuer einführte, um die maroden Staatskassen zu füllen. Die Gerber brauchten Urin, den sie in Amphoren, aufgestellt in Seitenstraßen, sammelten. Diese Gefäße besteuerte Vespasian – und prägte die berühmte lateinische Redewendung »pecunia non olet«, Geld stinkt nicht!
Für die Römer galt die Hygiene als Zeichen der Zivilisation, obgleich auch sie in ihren Städten mit der Verschmutzung von Straßen und Flüssen zu kämpfen hatten. So oder so: Das Gros ihrer Sanitärtechnik überlebte das Reich nicht.
Des Drecks Herr werden
In der Zeit danach entstanden in der islamischen Welt an Abwassersysteme angeschlossene öffentliche Bäder (Hamams) und in Ostasien wurden Urin und Exkremente als Dünger gesammelt; später erfanden japanische Gelehrte Trenntoiletten, um die Düngerproduktion aus menschlichen Ausscheidungen zu perfektionieren. Im mittelalterlichen Europa tat sich ebenfalls was.
Während in den Ritterburgen Aborterker als Klo dienten und direkten Zugang zum Burggraben ermöglichten, mussten die Menschen in den Städten mit beengteren Verhältnissen auskommen. Angeblich kippten sie den Inhalt ihrer Nachttöpfe auf die Straße, anstatt ihn in den dafür vorgesehenen Gruben zu entsorgen. Doch die spätmittelalterlichen Städte schauten nicht einfach zu, wie sich der Mist auf den Straßen türmte, sondern versuchten, ihn zu bewältigen – auch mit Regeln und Gesetzen: Das Entleeren der Nachttöpfe war untersagt. Aber »allen obrigkeitlichen Geboten folgten die Bürger, wenn überhaupt, nur zögernd«, schrieb der Historiker Ernst Schubert (1941–2006) in seinem Buch »Alltag im Mittelalter«. Dreck und Gestank blieben ein Problem, so Schubert. Gleichzeitig erkannte man auch hier den Wert der Exkremente: Den Dünger aus den Städten abzufahren, entwickelte sich mancherorts zu einem lukrativen Geschäft.
Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass John Harringtons Erstentwurf einer Spültoilette 1596 schnell vergessen wurde. Erst allmählich setzten sich beim Adel transportable Toiletten durch, so genannte Kackstühle mit einem Loch in der Mitte. So soll Ludwig XIV. (1638–1715) zwar zirka 1800 Zimmer in Versailles gehabt haben, aber nur einen solchen Stuhl, auf dem er auch bei Empfängen hockte, während sich seine Gäste im Schlosspark oder gleich in Nebenräumen auf dem Boden erleichterten. Übrigens: Toilette nannten die Franzosen damals den Vorgang des Ankleidens, Schminkens und Frisierens. Erst später bürgerte sich der Begriff als Bezeichnung für das heutige Klosett ein.
Reihenweise Patente für Toiletten
Derweil war die Wissenschaft nicht untätig. Schon zwei Jahre nach Alexander Cumming erhielt Lemuel Prosser im Jahr 1777 das zweite britische Patent für ein Wasserklosett. Er entwickelte einen schwimmenden Ventilmechanismus, der den Wasserstand im Tank regulierte, und einen Kolben, den man anheben musste, um die Spülung auszulösen.
Nur ein halbes Jahr später erfand der englische Ingenieur Joseph Bramah (1748–1814) ein klappbares Ventil aus Metall, das die Spülung effizienter machte und weniger anfällig für Verstopfungen war. Sein Unternehmen produzierte erste funktionstüchtige Toiletten, von denen er in zwei Jahrzehnten 6000 Stück an die Oberschicht verkaufte. (Der verbesserte Abort war nicht Bramahs einzige Erfindung: Er gilt auch als Entdecker der hydraulischen Presse.)
Immerhin einem Franzosen gelang es, die Phalanx der britischen Entdecker zu durchbrechen, wenn auch nur mit dem »kleinen Geschäft«: 1834 ließ der Staatsbeamte Claude-Philibert de Rambuteau (1781–1869) in Paris die ersten öffentlichen Pissoire errichten. Sie hießen »vespasiennes«, benannt nach dem römischen Kaiser Vespasian und seiner geruchsfreien Latrinensteuer.
»The Great Stink«
Während in den übrigen Städten Europas bis weit ins 19. Jahrhundert geschäftstüchtige Männer und Frauen als wandelnde Dixi-Klos Passanten auf den Straßen anboten, die Notdurft unter ihren langen Mänteln in einem Eimer zu verrichten, wurden im Zuge der industriellen Revolution nicht nur Toiletten, sondern auch Abwassersysteme verbessert. Trotzdem bedurfte es mehrerer Epidemien in der ersten Jahrhunderthälfte, bis in London, aber auch in Hamburg als Folge des »Großen Brands« im Jahr 1842, erste moderne Kanalisationssysteme und Kläranlagen entstanden, die jedoch mit dem rasanten Wachstum der Städte kaum mithalten konnten.
Als 1858 ein heißer Sommer die Themse in London in eine unerträglich stinkende Kloake verwandelt hatte, begann der Ingenieur Joseph Bazalgette (1819–1891) im Auftrag der britischen Regierung mit dem Bau eines 160 Kilometer langen unterirdischen Kanalisationsnetzes. Sein System, das heute noch genutzt wird, hatte auch zur Folge, dass die Lebenserwartung der Londoner Bevölkerung stieg. Nach der letzten Choleraepidemie 1892 in Hamburg wurden auch in Deutschland die meisten Städte mit modernen Abwassersystemen ausgestattet.
Zuvor schon hatte sich einiges in der Sanitärtechnik getan. Freilich wieder in Großbritannien: Der englische Klempner George Jennings (1810–1882) präsentierte 1851 auf der Great Exhibition im Londoner Hyde Park erstmals öffentliche Toiletten mit Spülmechanismus. Mehr als 800 000 Besucher zahlten einen Penny und bekamen dafür einen sauberen Sitz, ein Handtuch, einen Kamm und eine Schuhpolitur. »To spend a penny« (einen Penny ausgeben) wurde zum geflügelten Wort für den Gang zum Klo.
Bitte einmal kräftig ziehen!
Die Erfindung der Kettenzug-Vorrichtung, also der praktischen Lösung, den Spülkasten hoch anzubringen – etwa von der Wand hängend – und von unten betätigen zu können, lässt sich nicht auf eine Person zurückführen. Jennings hatte damit experimentiert, aber es war Thomas Crapper (1836–1910), ein englischer Unternehmer, der in den 1870er-Jahren die Mechanismen verfeinerte und populär machte. Seine Sanitärfirma war maßgeblich an der Verbreitung solcher Systeme beteiligt und königlicher Hoflieferant, weshalb sein Name oft fälschlicherweise mit der Erfindung des WCs verbunden wird.
Während die städtischen Lohnarbeiter bis ins späte 19. Jahrhundert auf Gemeinschaftslatrinen und Plumpsklos angewiesen waren, wurde im viktorianischen England die Kombination aus Schwimmerventil, Siphon und Zugkette für die Oberschicht zur Regel. In den 1880er-Jahren setzte der englischen Keramikhersteller Thomas Twyford (1849–1921) neue Standards für Design und Hygiene und präsentierte in London das erste einteilige Porzellan-WC.
War der Toilettengang bis dahin meist ein Gemeinschaftserlebnis, entwickelte sich im viktorianischen Großbritannien ein neues Schamgefühl. Klos wurden in separate Räume verbannt, und es galt als unschicklich, das Wasserklosett explizit so zu benennen. So setzte sich die »Doppelnull«, der unverfängliche Nummerncode »00«, für ein WC in öffentlichen Räumen und als Bezeichnung der einzigen Etagentoilette in Hotels durch.
Und heute? KI-gesteuerte Toiletten!
In Deutschland setzte die Toilettenrevolution etwas später ein. Um 1860 installierte man auf dem Schloss Ehrenburg in Coburg die vermutlich erste Toilette mit Wasserspülung – extra für den Besuch der englischen Königin Victoria (1819–1901). Gut möglich aber, dass im hessischen Schloss Homburg schon vorher ein solcher Abort existierte, wie Archivalien andeuten. Jedenfalls dauerte es bis in die 1920er-Jahre, bis Toiletten durch industrielle Massenproduktion auch in deutschen Haushalten zum Standard wurden. Das Material bestand im 20. Jahrhundert aus Glaskeramik, Edelstahl oder Kunststoffen, später auch aus recycelten Materialien und Bambus. In den 1980er-Jahren reduzierte die Erfindung der Doppelspülung den Wasserverbrauch, weil nun je nach Geschäft eine kleine oder große Spülmenge in die Schüssel geschickt werden konnte. In Japan entstanden derweil erste Hightechtoiletten mit integrierten Bidets, einer Sitzheizung und Geruchsfiltern.
»In Zukunft wird es verstärkt wasserlose Systeme geben und Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein werden eine noch größere Rolle spielen als bisher«, meint Nina Kloster von der TH in Köln. »Wir haben ja schon Toiletten, die als Teil von Kreislaufsystemen Abfall in Energie oder Dünger umwandeln.«
Die Entwicklung schreitet in rasendem Tempo voran. Bereits jetzt gibt es KI-gesteuerte Prototypen, die Urin und Kot in Echtzeit analysieren, um frühe Anzeichen von Krankheiten wie Diabetes, Harnwegsinfektionen und Darmkrebs zu erkennen. Und die Toiletten der Zukunft sprechen nicht nur mit ihren Benutzern, sie scannen das Gesäß und wissen dann ganz genau, wer sich da auf ihre Klobrille setzt.
Wofür ein Welttoilettentag?
Seit der Gründung der World Toilet Organization (WTO) 2001 findet jährlich am 19. November der Welttoilettentag statt, um daran zu erinnern, dass rund 3,4 Milliarden Menschen immer noch in Haushalten wohnen, die nicht an Sanitärsysteme angeschlossen sind. Wie die Vereinten Nationen berechneten, haben 354 Millionen Menschen weltweit gar keinen Zugang zu Toiletten, sondern verrichten ihre Notdurft im Freien. Durch die mangelnde Hygiene steigt das Krankheitsrisiko der Menschen, auch durch mit Fäkalien verschmutztes Wasser.

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