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News: Erhebendes Alter

Man kann Bergen schlecht beim Wachsen zusehen, selbst wenn es sich um ein solch rekordverdächtiges Gebirge handelt wie den Himalaya. Nun allerdings geraten so manche Hebungsraten in Zweifel - vielleicht hat sich das Massiv doch mehr Zeit gelassen als vermutet.
Flussterrassen
Der Himalaya ist noch jung. Das Gebirgsmassiv entstand, als sich vor etwa 20 Millionen Jahren der Inselkontinent Indien, der sich vom zerfallenden Gondwana-Kontinent getrennt hatte und nach Norden gedriftet war, schließlich auf Eurasien prallte. Da hier Festland auf Festland stieß, konnten die Gesteinsmassen des Neuankömmlings nicht unter den alten Sockel Asiens abtauchen: Sie schoben sich zusammen und sogar übereinander, bis schließlich wohl hauptsächlich in den letzten fünf Millionen Jahren diese höchste oberirdische Gebirgskette entstand. Und der Druck aus Süden geht weiter.

Doch wie schnell wächst der Koloss in die Höhe? Das verraten die Oberflächenstrukturen der Landschaft, wie beispielsweise Flussterrassen: Wird der Untergrund des Gewässerbettes gehoben, schneidet sich der Flusslauf woanders wieder ein – und die alten Terrassen, nun ein Stückchen höher am Talhang, bezeugen die ursprüngliche Geländeoberfläche. Aus dem Höhenunterschied und dem Alter der Terrassenablagerungen ergibt sich der Höhenversatz pro Jahr und damit die Hebungsgeschwindigkeit. Während die erste Messung – der Versatz – meist recht gut zu bestimmen ist, stellt sich die Frage nach dem Alter jedoch weitaus schwieriger dar.

Bisher gingen allerdings viele Forscher davon aus, dass sich die Oberflächenstrukturen des Hochplateaus von Tibet sowieso erst nach dem Maximum der letzten Eiszeit vor 20 000 Jahren bildeten, als sich die Gletscher zurückzogen. Zusammen mit den Höhendifferenzen kamen sie dann auf Hebungsraten von einigen Millimetern jährlich.

Das könnte viel zu hochgegriffen sein, sagen nun Ralf Hetzel vom Geoforschungszentrum Potsdam und seine Kollegen. Denn als sie Flussterrassen am Nordhang der Tibet-Plateaus mithilfe der durch kosmische Strahlung entstandenen Nuklide 21Ne, 10Be und 26Al datierten, stellten sie fest: Die Terrassen sind deutlich älter als angenommen.

Etwa 170 000 Jahre sind hier inzwischen vergangen, bis die oberste und damit älteste Ablagerung ihre derzeitige Höhe von 54 Metern erreicht hatte. Die Hebungsgeschwindigkeit muss damit um eine Größenordnung nach unten korrigiert werden – statt der einigen Millimeter pro Jahr sind es wohl nur durchschnittlich 0,35 Millimeter jährlich gewesen.

Vielleicht ging es auch an anderen Stellen geruhsamer zu. Schließlich kam es schon häufiger zu Ungereimtheiten zwischen den bisher abgeleiteten Hebungsgeschwindigkeiten und Satellitenmessungen beziehungsweise Analysen paläoseismologischer Daten. Ein gründlicher Blick auf das Alter der Strukturen könnte so manches Kapitel in der Geschichte des Himalayas weiter zurück datieren.

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