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Ernährung: Der fulminante Aufstieg des Rapsöls

Rapsöl galt früher als minderwertig. Heute ist es mit seinem nussigen Geschmack der Deutschen liebstes Öl. Aus gutem Grund. Denn es hat manche hervorragende Eigenschaft.
Das Öl aus Rapspflanzen schmeckt leicht nussig und gilt als »Öl der Wahl«, wie es die Fachleute der Deutschen Gesellschaft für Ernährung formulieren.

Vor einigen Jahrzehnten hatte Rapsöl einen schlechten Ruf. Zu bitter und kratzig schmecke es, klagten die Menschen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Zudem hatte es wohlschmeckendere Konkurrenz wie Sonnenblumenöl und Butter, die allerdings deutlich seltener verfügbar waren.

Doch das Öl aus Rapspflanzen hat sich verändert: Mittlerweile schmeckt es leicht nussig und gilt als »Öl der Wahl«, wie es etwa Fachleute der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) formuliert haben, die regelmäßig Forschung zu einer ausgewogenen, gesunden Ernährung zusammentragen. Seit einem Jahrzehnt ist es Branchenerhebungen zufolge das beliebteste Öl der Deutschen. Das hat viele Gründe, und Ernährungswissenschaftler sind durchaus glücklich damit.

Möglich war der Wandel, weil Menschen in Wissenschaft und Landwirtschaft den Ruf des Rapsöls retten wollten. Hatte die Landwirtschaft doch eine eigentlich vielseitig einsetzbare Nutzpflanze verfügbar, die aber niemand konsumieren wollte – weder Menschen noch Nutztiere, für die die Rückstände der Ölpressung ungenießbar waren. Hinzu kam, dass die Erucasäure, die sich in größerer Menge in Rapsöl fand, mit der Zeit in den Verdacht geriet, gesundheitsschädlich zu sein: Nach der damaligen Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit könnte ein regelmäßiger Verzehr der ungesättigten Fettsäure zu einer Anreicherung von Fetten im Herzgewebe beitragen, einer so genannten myokardialen Lipidose.

Rapsöl mit neuem Geschmack

Die Lösung des Problems war die Züchtung genießbarer Rapssorten: In neuen Rapspflanzen ist kaum noch Erucasäure vorhanden, und die Glucosinolate verschwanden, die etwa auch Senf seinen bitteren Geschmack verleihen. Mittlerweile wird fast nur noch beinahe erucasäurefreies Rapsöl abgefüllt, das nach den neuen Rapssorten auch Canola-Öl genannt wird. Rapsöl wurde zu einem wichtigen Bestandteil von Biokraftstoffen. Und selbst Kühe oder Schweine haben heute etwas davon, denn sie können nach der Ölpressung mit Rapskuchen und -schrot gefüttert werden.

Dass das neue Rapsöl eine wichtige Rolle für eine ausgewogene Ernährung einnehmen konnte, liegt in seiner einzigartigen Kombination: Es enthält Vitamin E und eine günstige Fettsäuremischung, die es gesund und zugleich hitzestabil sowie haltbar macht. Und es wird aus einer Pflanze gewonnen, die in Deutschland in großen Mengen angebaut werden kann.

Der menschliche Körper braucht viele verschiedene Stoffe, um die abertausenden kleinen Kraftwerke und Fabriken in ihm zu unterhalten. Einige sind dafür besonders wichtig: Kohlenhydrate, Proteine, Mineralien oder Vitamine sind beispielsweise kontinuierliche Antreiber des Körpers. Ähnlich sieht es mit Fettsäuren aus. Ein paar von ihnen sind essenziell, müssen also über die Nahrung aufgenommen werden und weiterverarbeitet ganz spezielle Aufgaben übernehmen. Außerdem versorgen Fette den Körper mit Energie und sind Geschmacksträger; sie machen also viele Gerichte noch ein bisschen leckerer.

Rapsöl: Vom Schmuddelkind zum Streber

Ausgerechnet Rapsöl besteht inzwischen aus Fettsäuren, die von Ernährungsforschenden als besonders günstig eingestuft werden: zu einem großen Teil – etwa 60 Prozent – aus Ölsäure, einer vergleichsweise gesunden, einfach ungesättigten Fettsäure mit einer Kette aus 18 Kohlenstoffatomen. Den Rest teilen sich einige andere Fettsäuren auf. Die wichtigsten sind zwei mehrfach ungesättigte Fettsäuren: die Linolsäure, die zu den Omega-6-Fettsäuren zählt, und etwas weniger alpha-Linolensäure aus der Gruppe der Omega-3-Fettsäuren. »Bei beiden handelt es sich um essenzielle Fettsäuren«, sagt Bertrand Matthäus, Lebensmittelchemiker am Max Rubner-Institut mit dem Schwerpunkt Lipidforschung. »In dieser Kombination mit der Ölsäure ergibt sich im Rapsöl eigentlich die Fettsäurezusammensetzung, die heute von Ernährungswissenschaftlern empfohlen wird.«

Vor allem der vergleichsweise hohe Anteil an alpha-Linolensäure sei als positiv anzusehen, so Matthäus. Sie werde im Körper zu langkettigen, mehrfach ungesättigten Strukturen weiterverarbeitet, denen unter anderem nachgesagt wird, Entzündungsprozesse im Körper zu hemmen und sich möglicherweise auch positiv auf die Herzgesundheit auszuwirken.

Die Linolsäure ist ebenfalls eine essenzielle Fettsäure. Allerdings ist sie viel häufiger in Lebensmitteln enthalten als alpha-Linolensäure. Weil beide für die Weiterverarbeitung, um die gleichen Enzyme im Körper konkurrieren, sei es wichtig, so Matthäus, auf die richtige Balance zu achten. »Das heißt, wenn ich jetzt sehr viel Linolsäure aufgenommen habe und der Anteil an Omega-3-Fettsäuren deutlich niedriger ist, dann wird vor allem Linolsäure von den Enzymen weiterverarbeitet, nicht die alpha-Linolensäure, deren Folgeverbindung die Entzündungsprozesse hemmen kann«, sagt der Lebensmittelchemiker. Und nicht nur das. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass die Linolsäure Entzündungen im Körper sogar fördern könnte.

Besser als Sonnenblumen- und Olivenöl?

Ein direkter Vergleich mit den anderen in Deutschland besonders beliebten Ölen fällt zu Gunsten von Rapsöl aus: Weder Sonnenblumen- noch Olivenöl enthalten nennenswerte Mengen an alpha-Linolensäure. Sonnenblumenöl hat zusätzlich einen hohen Omega-6-Fettsäuregehalt und Olivenöl einen vergleichsweise großen Anteil an gesättigten Fettsäuren. Beide Ölsorten sind deshalb zwar nicht unbedingt ungesund, zumal besonders kalt gepresstes Olivenöl zusätzlich so genannte sekundäre Pflanzenstoffe enthält, die wahrscheinlich ebenfalls eine entzündungshemmende Wirkung haben. Doch die Kombination der Fettsäuren im Rapsöl ist eben noch ein Stück günstiger.

Zum Kochen geeignet | Ernährungswissenschaftler sind zuversichtlich, dass ein regelmäßiger Konsum von Rapsöl vergleichsweise gesund ist.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch: Es gibt Öle, die noch einen noch höheren Gehalt an alpha-Linolensäure haben als Rapsöl. Gerade das Leinöl wird da oft genannt. Es besteht bis zu 70 Prozent aus alpha-Linolensäure. Aber dieser vermutlich große Vorteil für die Gesundheit hat häufig einen praktischen Nachteil: Ein Öl, das einen so hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren hat, ist für viele Anwendungen in der Küche nicht stabil genug. Es eignet sich nicht zum Erhitzen und wird auch schnell ranzig. Das bedeutet: Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind sehr reaktiv, sie werden also vor allem durch Licht- oder Sauerstoffeinfluss schneller abgebaut. Das Öl wird bitter und beginnt zu müffeln. Deshalb wird für den täglichen Gebrauch eher zu Rapsöl geraten.

Das alles macht Fachleute zuversichtlich, dass ein regelmäßiger Konsum von Rapsöl vergleichsweise gesund ist. Doch hat die Forschung auf dem Gebiet ein Problem: Wie gesund ein Lebensmittel ist, hängt nicht nur von seinen Inhaltsstoffen ab, sondern auch von genetischen Voraussetzungen der Konsumierenden und davon, wie ein Mensch lebt sowie was er sonst noch isst oder trinkt. Die Stoffwechselprozesse im Körper sind so kompliziert, dass in Studien vieles unsichtbar bleibt, was womöglich darüber entscheidet, ob jemand krank wird oder gesund bleibt. Dieses Problem ist für die Ernährungswissenschaft typisch und bedeutet vor allem, dass viel Wissen über Ernährung auf wackeligen Beinen steht und immer wieder hinterfragt werden sollte.

Ernährungseffekte sind schwer zu messen

Auch zum Verzehr von Rapsöl musste die Wissenschaft ihre Erkenntnisse über Jahrzehnte Stück für Stück zusammensuchen. Erst kürzlich veröffentlichten Forschende vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung eine Studie im Fachmagazin »Molecular Nutrition & Food Research«, in der sie verglichen, welchen Effekt eine tägliche Portion Rapsöl oder Olivenöl auf Leberfettwerte von 27 übergewichtigen und adipösen Männern hatte. Alle hatten eine nicht alkoholische Fettlebererkrankung, die häufig in Kombination mit Übergewicht und Typ-2-Diabetes vorkommt. Innerhalb von zwei Monaten verbesserten sich ihre Leberfettwerte, wenn sie zu der Gruppe gehörten, die Rapsöl zu sich nahm – das Olivenöl schnitt schlechter ab.

Daneben gibt es weitere Studien, die auf einen positiven Effekt von Rapsöl auf die Gesundheit hindeuten. Beispielsweise eine Metaanalyse im »Journal für Lipid Research«, die anhand von 54 Studien Hinweise dafür zusammentrug, welche Öle oder Fette die Werte von LDL-Cholesterin im Blut effektiv verbesserten, einem Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hinter Distelöl schnitt Rapsöl dabei am besten ab, Sonnenblumen- und Leinöl folgten. Ganz hinten lag in dieser Studie – hinter Schmalz – die Butter.

»Wenn es um gesundheitliche Vorteile geht, ist es auch wichtig, die Ernährung als Ganzes zu betrachten und sich nicht auf einen einzelnen Nährstoff oder eine Lebensmittelgruppe zu beschränken«
Caroline Stokes, Ernährungsforscherin

»Viele Nährstoffe stehen in Wechselwirkung miteinander«, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Caroline Stokes. Sie ist Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin und Arbeitsgruppenleiterin am Deutschen Institut für Ernährungsforschung. »Wenn es um gesundheitliche Vorteile geht, ist es auch wichtig, die Ernährung als Ganzes zu betrachten und sich nicht auf einen einzelnen Nährstoff oder eine Lebensmittelgruppe zu beschränken.« Aus ihrer Sicht sei es besonders wichtig, zu untersuchen, wie Rapsöl als Teil eines ganzen Lebensstils wirkt.

Das ist in Ansätzen schon geschehen: In vielen wissenschaftlichen Untersuchungen wurde Raps- neben Olivenöl als Teil der mediterranen Diät untersucht. Eine Gruppe von Forschenden hat deren Ergebnisse zu einer großen Cochrane-Übersichtsstudie zusammengetragen. Es zeigten sich noch keine entscheidenden Hinweise, dass eine Ernährungsweise mit den beiden Ölen als Hauptfettlieferanten das Risiko von Herzerkrankungen reduzieren könnte. Auch die Ernährungswissenschaftlerin Stokes sagt dazu: »Wir brauchen mehr Studien, um die Wirkung von Rapsöl als Teil einer Ernährung wirklich zu verstehen.«

Fettsäuren haben viele Kalorien – versorgen den Körper also mit viel Energie. Aus diesem Grund ist Rapsöl nicht unbedingt zum Abnehmen geeignet und steht dabei ähnlich da wie andere Öle oder Fette. Gänzlich darauf verzichten sollte dennoch nicht, wer abnehmen möchte, sagt Caroline Stokes. »Es gibt sogar Hinweise darauf, dass die Aufnahme dieser gesunden Fette den Prozess der Gewichtsabnahme unterstützen kann.« Sie könnten helfen, ein Sättigungsgefühl zu erzeugen, so Stokes, und seien insgesamt wichtig, um langfristig eine gesunde Ernährungsweise zu etablieren. Zudem gebe es Anzeichen dafür, dass Rapsöl das Abnehmen unterstützt, weil sich andere metabolische Parameter, etwa Blutfettwerte, damit verbessern, die bei übergewichtigen Personen häufig außerhalb des Normalbereichs liegen.

Das zeigt: Wunderprodukte in der Ernährung gibt es nicht. Jedes Lebensmittel hat seine Vor- und Nachteile – wer sich zu sehr auf ein einziges konzentriert, tut seinem Körper nichts Gutes. Grundsätzlich lässt sich sagen: Der Nährstoffgehalt von Rapsöl hat sich mit der Zeit günstig entwickelt. Ein regelmäßiger Konsum ist aus vielen Gründen zu empfehlen. Hinzu kommt, dass Rapsöl sich gut in großen Mengen regional herstellen lässt. Wer im Salat dennoch nicht auf das Aroma eines kalt gepressten Olivenöls verzichten will, muss das auch nicht tun. Eine ausgewogene Ernährung besteht aus einer Vielzahl von Lebensmitteln.

Gute Fette, schlechte Fette

Fleisch, Milch, Nüsse, Kokosnüsse, Avocados, Sonnenblumen oder Raps – in diesen und vielen anderen Lebensmitteln stecken Fettsäuren. Jedes davon zeichnet sich durch eine einzigartige Zusammensetzung von Fettsäuremolekülen aus, also Ketten von Kohlenstoffatomen, die sich jeweils zu dritt in einem Molekül zusammenfinden. Je nachdem, wie lang eine Fettsäure ist und welche Bindungen sie eingeht, hat sie unterschiedliche biologische Eigenschaften im Vergleich zu anderen Fettsäuren. Die drei wichtigsten Klassen sind:

Gesättigte Fettsäuren: Diese Moleküle haben eine gleichmäßige Struktur, weil sämtliche Kohlenstoffatome in der Kette über gleich starke chemische Einfachbindungen miteinander verbunden sind.

Einfach ungesättigte Fettsäuren: Diese sind unregelmäßiger strukturiert, weil zwei Kohlenstoffatome irgendwo in der Kette anstatt mit einer einfachen Bindung durch eine stärkere Doppelbindung miteinander verknüpft sind.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren: Sie haben gleich mehrere solcher Doppelbindungen.

Manchmal ist schon auf den ersten Blick erkennbar, welche Art von Fettsäuren in einem Lebensmittel dominiert. Ein hoher Anteil an gesättigten Fettsäuren sorgt bei Raumtemperatur für eine feste Form, wie sie bei Schmalz, Butter, Kokosöl oder Palmfett zu finden ist. Wo mehr ungesättigte Fettsäuren drinstecken – etwa in Oliven-, Lein- oder Rapsöl –, ist das Produkt eher flüssig. Fachleute der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gehen davon aus, dass ungesättigte Fettsäuren einen positiveren Gesundheitseffekt haben als gesättigte – wobei auch ungesättigte Fettsäuren nicht immer uneingeschränkt als gesund betrachtet werden können.

Eine Sonderform der ungesättigten Fettsäuren sind die Transfettsäuren. Sie kommen in der Natur vor, entstehen aber auch häufig in den Prozessen der Lebensmittelindustrie. Laut DGE ist für sie keine positive Funktion im menschlichen Körper bekannt – dafür jedoch bergen sie einige Gesundheitsrisiken wie Fettstoffwechselstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie zu meiden, ist deshalb sinnvoll. Für die Lebensmittelindustrie gelten dafür strenge Grenzwerte.

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