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Gesunde Außenseiter: Ein Hoch auf die Hülsenfrüchte!

Hülsenfrüchte interessieren Sie nicht die Bohne? Sollten sie aber! Denn mit Erbsen, Bohnen oder Linsen kann man sich selbst und der Umwelt ganz einfach Gutes tun.
Jedes Böhnchen verdient ein Krönchen
Hülsenfrüchte sind nicht nur kulinarisch vielfältig und gesund, sondern auch klimafreundlich: Sie brauchen beispielsweise weniger Stickstoffdünger als andere Feldfrüchte.

Was bei den Deutschen traditionell auf dem Teller landet, ist oft nicht die beste Wahl. Weder für die Esserinnen und Esser noch für den Planeten, auf dem sie leben. Eine andere Ernährungsweise täte unserer Gesundheit gut und wäre zudem ressourcenschonender, so befand es jüngst auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in ihren neuen Empfehlungen für Mischköstler, also für Menschen, die sich nicht rein vegetarisch oder vegan ernähren.

In einem Satz zusammengefasst lautet sie: weniger Fleisch- und Milchprodukte, Salz, Zucker und Fett – dafür mehr Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse und Hülsenfrüchte.

Wenn Deutschlands wichtigste Vereinigung in puncto Ernährung Empfehlungen ausspricht, dann hat das Folgen. So beruhen die Qualitätsstandards in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas, Schulen, Krankenhäusern und Seniorenheimen in der Regel auf den DGE-Leitlinien.

Neu ist dabei die Empfehlung, pro Woche mindestens 125 Gramm Hülsenfrüchte, also eine Portion, zu essen. Das ist ein wichtiges Signal. Die DGE verpasste damit jedoch die große Chance, den Mischköstlern und damit einem großen Teil der in Deutschland lebenden Bevölkerung deutlich mehr davon zu empfehlen. Denn Hülsenfrüchte sind beides zugleich: gesund und klimaschonend.

Bohnen, Linsen & Co. sind echte Multitalente

Die Hülsenfrüchtler, auch Leguminosen genannt, sind eine der artenreichsten Pflanzenfamilien. Im engeren Sinn – etwa im ernährungswirtschaftlichen Bereich – versteht man darunter die Körnerleguminosen. Zu diesen gehören alle Arten von Erbsen, Bohnen, Linsen, Kichererbsen, Lupinen, aber auch Erdnüsse.

Für unseren Körper sind Hülsenfrüchte wahre Energiebomben. Die enthaltenen Aminosäuren sind die Grundbaustoffe für Proteine. Darüber hinaus sind Hülsenfrüchte günstig, vitamin- und ballaststoffreich, und sie sättigen lang anhaltend. Sie können zudem Einfluss auf unsere Stimmung nehmen: Hülsenfrüchte enthalten die Aminosäure L-Tryptophan, die vom Körper schrittweise zu Serotonin (und teilweise weiter zu Melatonin) umgebaut wird. Das Hormon Serotonin gilt als stimmungsaufhellend und beruhigend.

Doch diese Vorzüge spiegeln sich nicht in unserer Ernährung wider. Derzeit liegt der aktuelle Pro-Kopf-Verbrauch von Hülsenfrüchten nach Schätzungen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) bei mageren zwei Kilogramm pro Jahr. Damit ist auch die hochgerechnete Mindestmenge von 6,5 Kilogramm pro Jahr, die die DGE anrät, noch in weiter Ferne. Die Planetary Health Diet, ein Speiseplan, der die Gesundheit des Menschen und des Planeten gleichermaßen schützen soll und 2019 von einer internationalen Fachkommission erarbeitet wurde, empfiehlt sogar, 27 Kilogramm Hülsenfrüchte im Jahr zu essen.

Warum befürwortet die DGE nicht deutlich stärker Hülsenfrüchte? Eine mögliche Antwort liegt darin, dass die Fachgesellschaft nach eigener Aussage auch »die in Deutschland üblichen Verzehrgewohnheiten berücksichtigt« hat.

Die spanische Ernährungsbehörde hat das Ziel ausgegeben: täglich eine Portion Hülsenfrüchte!

Die meisten europäischen Länder sind längst weiter als Deutschland, wenn es um die wöchentliche Ration Hülsenfrüchte auf dem Teller geht. Einige Beispiele: Die Niederlande empfehlen Erwachsenen zwei bis drei Portionen pro Woche oder 9,4 Kilogramm im Jahr, Italien rät zu drei Portionen oder 23,4 Kilogramm im Jahr; in Bulgarien werden 31 Kilogramm empfohlen und in Spanien sogar 35,3 Kilogramm. Das entspricht ungefähr vier Portionen pro Woche. Die spanische Ernährungsbehörde hat als Ziel ausgegeben, dass die Leguminosen in der ein oder anderen Form sogar tagtäglich auf den Tisch kommen sollen.

Pflanzliche Alleskönner erleben ein Comeback

Auch hier zu Lande gehörten sie jahrhundertelang fest in den Anbauplan bäuerlicher Betriebe. Nicht nur als Eiweißquelle für Mensch und Tier, sondern weil sie den Boden und nachfolgende Feldfrüchte stärken. Die Pflanzenfamilie der Hülsenfrüchte geht eine Symbiose mit Knöllchenbakterien ein, die an den Wurzeln Stickstoff aus der Luft binden und diesen für die Pflanzen verfügbar machen. Dadurch verbessert sich die Bodenqualität, und es wird weniger oder kein synthetisch hergestellter Stickstoffdünger benötigt. Das kommt Umwelt und Klima zugute: Stickstoffdünger belasten die Gewässer mit Nitraten, und weil bei ihrer Produktion große Mengen Erdöl oder -gas verbraucht werden, treiben sie die Klimaerwärmung voran.

Der Anbau von Hülsenfrüchten erfordert im Vergleich zu Fleischprodukten außerdem weniger Wasser, Land und Energie. Das führt dazu, dass Linsen laut DGE etwa 20-mal weniger klimaschädlich sind als Rindfleisch.

Die zunehmende Verfügbarkeit mineralischer Düngung war – und ist – einer der Hauptgründe, warum die Landwirte in Deutschland immer weniger auf Hülsenfrüchte setzen. Lediglich im Ökolandbau bleiben sie fester Bestandteil der Fruchtfolgen. Denn die Multitalente bieten neben den Stickstoff nachliefernden Eigenschaften noch mehr Vorteile: Felder mit Hülsenfrüchten locken Bienen, nützliche Bodenbakterien sowie Regenwürmer an. Damit stärken Linsen, Lupinen und andere Leguminosen die Artenvielfalt und somit auch unsere Lebensgrundlage nachhaltig.

Wegen ihrer meist tief reichenden Wurzeln verbessern sie die Bodenstruktur; insbesondere Ackerbohnen und Süßlupinen können Bodenverdichtungen aufbrechen. Außerdem kappen sie Infektionsketten in Fruchtfolgen und helfen so, Resistenzen bei Schaderregern und Beikräutern zu vermeiden.

Noch aber spielen Hülsenfrüchte im Vergleich zu Mais oder Getreide eine deutlich untergeordnete Rolle in Deutschland. Die Gründe sind vielfältig: Teils fehlen die Abnehmer, die gute Preise für die Produkte zahlen. Teils klagen Landwirte über stark schwankende Erträge beim Anbau von Körnerleguminosen. Das könnte auch daran liegen, dass landwirtschaftliches Wissen verloren gegangen ist und bisher noch keine besser geeigneten Sorten gezüchtet wurden.

Stickstoff-Selbstversorger | Dank der Knöllchenbakterien an ihren Wurzeln können Leguminosen Stickstoff aus der Luft binden.

Trotzdem erleben seit einiger Zeit die pflanzlichen Alleskönner auch im konventionellen Anbau ein Comeback. Klimabedingte Wetterextreme und die zunehmende Resistenzbildung gegenüber Pestiziden sowie strengere gesetzliche Vorgaben bei Pflanzenschutz und Düngung führen zu einem langsamen Umdenken. Dabei geht es aber keineswegs immer um den Anbau für den Supermarkt: Leguminosen sind enorm wichtig für die Ernährung von Nutztieren. In die Futtertröge gelangen inzwischen mehr Raps, Erbsen, Ackerbohnen, Lupinen oder auch Soja aus heimischer Produktion. Das soll Deutschland zudem unabhängiger von globalen Lieferengpässen machen.

Die Eiweißpflanzenstrategie soll den Anbau massiv fördern

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert das über seine so genannte Eiweißpflanzenstrategie (EPS) mit inzwischen 8,6 Millionen Euro und damit drei Millionen Euro mehr als 2022. Bis 2030 soll die Ackerfläche für Leguminosen auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands ausgeweitet werden – das entspricht rund 1,2 Millionen Hektar.

Etwa zwei Drittel der angebauten Hülsenfrüchte könnten für Futterzwecke zur Verfügung stehen und die Menge an Soja, die derzeit eingeführt wird, spürbar reduzieren. So plant es jedenfalls das Ministerium unter Cem Özdemir (Grüne). Der übrige Teil könnte der menschlichen Ernährung dienen.

Empfehlungen allein reichen nicht aus. Damit wir die planetaren Grenzen einhalten, muss noch an vielen Stellen geschraubt werden: Verbraucher müssen die Vorteile der Hülsenfrüchte kennen lernen, der Handel muss mehr Möglichkeiten zum Verkauf schaffen, Landwirte müssen sich Erfahrungen im Anbau aneignen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich die Hülsenfrüchte ihren gebührenden Platz auf den Äckern und in der Ernährung der Menschen zurückerobern werden.

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