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Ernährung: Wie Forscher Gemüse schmackhafter machen wollen

Bittere Gemüsesorten sind bei vielen Menschen unbeliebt. Mit Züchtung und moderner Gentechnik wollen Forscher sie nun stärker an den Geschmack der Konsumenten anpassen. Der Rosenkohl hat es vorgemacht.
Eine jungen Frau mit roten Haaren wird von einem Mann mit Salat gefüttert. Sie lacht.
Gemüsesorten werden derzeit selten auf ihren Geschmack hin optimiert. Forscherinnen und Forscher wollen das ändern.

Der Rosenkohl von heute schmeckt besser, als viele Menschen ihn noch aus ihrer Kindheit in Erinnerung haben dürften. Das liegt nicht daran, dass ihr kultivierter erwachsener Gaumen ihn schlicht besser zu schätzen weiß. Vielmehr haben neue Sorten das ursprüngliche Gemüse verdrängt. Diese Veränderung ist Pflanzenzüchtern zu verdanken, die nun mit moderner Gentechnik versuchen wollen, die Neuerfindung des Rosenkohls zu wiederholen.

Ende der 1990er Jahre entdeckten Wissenschaftler bestimmte Chemikalien namens Glucosinolate, die den Rosenkohl bitter schmecken ließen. Daraufhin begannen Pflanzenzüchter, mit älteren Samen zu züchten, die zuvor wegen geringer Ernten weggeworfen worden waren, um schmackhaftere Rosenkohlvarianten mit einem geringeren Gehalt an diesen Bitterstoffen zu erzeugen. Diese köstlichen, aber ertragsschwachen Pflanzen kreuzten sie mit modernen, ertragreicheren Exemplaren, bis sie einen Nachkommen fanden, der reichlich und nicht so bitter schmeckenden Rosenkohl produzierte und das einst verschmähte Gemüse zu einer beliebten Beilage werden ließ.

Züchter achten meistens auf den Ertrag, nicht auf den Geschmack

Andere Gemüsesorten hatten nicht so viel Glück. Das hängt damit zusammen, dass die meisten Züchtungsentscheidungen Pflanzeneigenschaften begünstigen, die für die Gemüsezüchter wichtig sind, nicht jedoch für die Gemüsekonsumenten. »Ich würde sagen, dass heutzutage wahrscheinlich das Hauptaugenmerk der meisten Züchtungsprogramme der Krankheitsresistenz gilt«, sagt Harry Klee, ein emeritierter Professor für Gartenbau an der University of Florida, der sich auf Tomaten spezialisiert hat. »Qualitätsmerkmale werden wirklich völlig ignoriert.«

Darüber hinaus müssen sich Züchter, die sich auf Nutzpflanzen konzentrieren, mit der Kontroverse um gentechnisch veränderte Organismen (GVO) auseinandersetzen. Obwohl sich alle domestizierten Arten heute mit Blick auf ihr Erbgut von ihren Vorfahren unterscheiden, bezieht sich der Begriff GVO in der Landwirtschaft auf eine Pflanze, die Gene von einer völlig anderen Art in sich trägt – und diese Veränderungen unterliegen strengeren Vorschriften. Neuere Methoden ermöglichen es den Züchtern jedoch, innerhalb des eigenen Genoms einer Pflanze zu arbeiten und Änderungen vorzunehmen, die keine komplizierten Vorschriften berühren.

Den Geschmack von Pflanzen zu optimieren ist auch deshalb schwierig, weil unterschiedliche Menschen unterschiedliche Vorlieben haben – und selbst unter den besten Bedingungen ist die Geschmacksqualität komplexer als etwa der Ertrag. »Wir haben viel Zeit und Geld darauf verwendet, herauszufinden, was Geschmack ist, und die meisten Züchtungsprogramme haben nicht die Möglichkeit, diese Dinge zu messen«, erklärt Klee.

Dass Geschmack inzwischen immer häufiger priorisiert wird, ist auch neuen Werkzeugen und Techniken wie der Genschere CRISPR und der DNA-Sequenzierung zu verdanken, die billig genug sind, um sie großzügig einzusetzen. »Es gab noch nie einen besseren Zeitpunkt, um Obst- oder Gemüsezüchter zu sein«, sagt Susan Brown, Apfelzüchterin an der Cornell University.

Vom Rosenkohl lernen

Einige Unternehmen haben bereits damit begonnen, diese Instrumente zu nutzen, um schmackhafteres Gemüse zu züchten. Die Firma Pairwise kämpft mit denselben Verbindungen, die auch den Rosenkohl einst plagten: Glucosinolate. Doch dieses Mal modifizieren die Forscherinnen und Forscher Blattgemüse – und zwar mit Hilfe von Gene Editing.

Obwohl Grünkohl zum Beispiel besonders gesund ist, essen viele lieber weniger bitteren Römersalat oder Eisbergsalat. Deshalb haben die Wissenschaftler von Pairwise untersucht, wie sie mit CRISPR ein kohlähnliches Blattgemüse so verändern können, dass es diesem Geschmack entspricht. Sie wollten die Gene ausschalten, die für ein Enzym namens Myrosinase codieren, das die Glucosinolate spaltet und so einen bitteren Geschmack erzeugt, sobald die Blätter im Mund gekaut werden. Das Ergebnis ist ein gesundes, aber weniger bitteres Blattgemüse, welches das Unternehmen 2023 unter der Marke Conscious Foods vermarktet.

Das sei ein Beispiel dafür, wie geschmacksorientiertes Gene Editing glänzen kann, sagt Tom Adams, Mitbegründer und CEO von Pairwise. Um wirklich komplexe Geschmacksrichtungen zu erzeugen und nicht einfach nur störende Einflüsse zu entfernen, sei die traditionelle Züchtung aber immer noch der beste Weg.

Andere Firmen versuchen, den Trend umzukehren, der überhaupt erst dazu geführt hat, dass Gemüse manchmal schlechter schmeckt. Anstatt Sorten zu züchten, die den Lager- und Transportanforderungen des landwirtschaftlichen Systems standhalten können, will das Unternehmen Plenty den weiten Weg vom Feld auf den Tisch verkürzen. Plenty baut seine Pflanzen in vertikalen Indoor-Farming-Anlagen an, die näher an den Verbrauchern liegen, so dass die Produkte frischer bleiben, sagt Nate Storey, Mitbegründer und Chief Science Officer des Unternehmens. Als Plenty beschloss, mit Gemüse anzufangen, habe das Team Tausende von traditionell gezüchteten Sorten in seinen Anlagen angebaut. Dann wählten die Forscher nur die Sorten aus, die am besten schmeckten, anstatt zu versuchen, neue Sorten zu entwickeln. »Es ist nicht nötig, ein Rad neu zu erfinden«, sagt Storey über diese Technik. »Wir prüfen einfach alle vorhandenen Räder und finden die, die in unserem System am besten funktionieren.«

Diese Methode ist jedoch nicht immer erfolgreich. Das Unternehmen konnte keine Tomate finden, die in seinen Anlagen gedeiht, und will deshalb nun mit einer beschleunigten Version der traditionellen Züchtung eine neue Variante entwickeln.

Auch andere Firmen experimentieren mit Tomaten. Das Unternehmen Sound Agriculture hat mit Epigenetik geschmacksintensivere Tomaten gezüchtet. Dabei werden nicht die Gene selbst verändert, sondern ihre Expression, also die Art und Weise, wie sie abgelesen werden. So lässt sich beispielsweise die Produktion unerwünschter Verbindungen drosseln, indem man deren Gensequenzen für die Transkription weniger zugänglich macht. Das erste epigenetisch gezüchtete Produkt des Unternehmens, die Tomate »Summer Swell«, ist im Frühjahr 2023 in die Regale gekommen. Weitere in Arbeit befindliche Projekte konzentrieren sich auf Blattgemüse und eine Hand voll Früchte, erklärt Travis Bayer, Mitbegründer und Chief Technology Officer von Sound Agriculture. Allgemein stecke die Methode aber noch in den Kinderschuhen.

Die Gemüsezüchter hoffen, dass schmackhaftere Produkte in den Regalen die Menschen davon überzeugen werden, die empfohlenen Mengen an Obst und Gemüse zu verzehren – und zwar besser, als es jahrzehntelange Ernährungsempfehlungen getan haben. »Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht mit dem Versuch, die Menschen zu einer besseren Ernährung zu erziehen«, sagt Klee. »Geben Sie ihnen einfach Produkte, die besser schmecken und die sie gerne essen.«

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