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News: Ernteglück durch Pechnelke

Mönche, die vor 200 Jahren am Mittelmeer Ackerbau betrieben, wussten es schon lange: Ein Extrakt aus den Samen der Pechnelke fördert das Wachstum anderer Pflanzen. Neue Studien belegten die 20 Prozent bis 40 Prozent höheren Erträge, wenn Saatgut, beispielsweise von Weizen oder Roggen, zuvor mit einer Lösung behandelt wird, die nur wenige Mikrogramm dieses Extrakts enthält. Zudem zeigten sich die so behandelten Pflanzen auch widerstandsfähiger gegen Stress, wie zum Beispiel Krankheitserreger oder Luftschadstoffe. Wissenschaftlern konnten nun die Substanzen identifizieren, die dafür verantwortlich sind.
Wie Forscher unter der Leitung von Heide Schnabl vom Institut für Landwirtschaftliche Botanik der Universität Bonn entdeckten, sind zwei in der Pechnelke enthaltene Pflanzenhormone aus der Klasse der so genannten Brassinosteroide der Schlüssel zum Ernteerfolg. Eines der beiden Hormone war bisher als natürlich vorkommendes Molekül völlig unbekannt. Durch die wissenschaftliche Absicherung des bisherigen Erfahrungswerts haben sich beispielsweise einige Provinzen der Volksrepublik China dazu entschlossen, ihre Kulturpflanzen mit diesem Extrakt zu behandeln.

Bauernregeln und der Glaube an die homöopatische Wirkung "obskurer" Wundermittel wie Gesteinsmehl, Brennesselsud oder auch das Extrakt aus der Saat von Pechnelken haben eins gemeinsam: Sie werden von der Forschung kritisch beäugt und lassen sich wissenschaftlich nur schwer belegen. Pflanzenhormone hingegen sind chemisch hervorragend untersucht, sie sind katalogisiert und registriert. Ihre Wirkung auf Wurzel- und Blattwachstum werden sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Industrie für die Entwicklung neuer Pflanzensorten und -wirkstoffe ausgiebig genutzt. Auch die Klasse der Brassinosteroide ist als Wachstumsförderer wohlbekannt. Dass es hier unentdeckte Molekülvarianten geben sollte – und dazu noch eine, die nicht nur das Wachstum anderer Pflanzen ankurbelt, sondern darüber hinaus auch noch gegen Mehltau bei Gurken, das Tabakmosaikvirus bei Tabakpflanzen und Grauschimmel bei Tomaten schützen sollte, das schien ausgeschlossen.

Schnabl vermutete aber, daß sich hinter der erstaunlichen Wirkung des Saatgutpulvers ein neues Molekül verbirgt, das sich der chemischen Enttarnung bisher erfolgreich entzogen hatte. Nach dreijähriger intensiver Suche gelang es dem Team, zwei Pflanzenhormone aus der Pechnelke zu isolieren, von denen eines wohlbekannt und – das ist die chemische Sensation – das zweite als natürlich vorkommendes Molekül völlig neu war. Beide Hormone gehören zu der Klasse der Brassinosteroide und werden als 24-epi-castasteron beziehungsweise 24-epi-secasteron bezeichnet. Dass Brassinosteroide überhaupt in der weitverzweigten Pflanzenfamilie der Pechnelke (Lychnis viscaria) vorkommen, war bisher ebenfalls unbekannt. Unklar bleibt jedoch noch, auf welchem Weg die Pflanze diese Stoffe produziert.

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