Direkt zum Inhalt

News: Erstaunlicher Grabfund in Syrien

Wenn es um die ersten Kulturen mit Städtebau und Schriftsprache geht, dachte man früher immer an Mesopotamier und Ägypter. Doch inzwischen kommen die Archäologen immer mehr zu der Überzeugung, dass diese Kulturen nicht als einzige so hochentwickelt waren. Auch in Syrien kommen nach und nach Funde zu Tage, die darauf hin deuten, dass es dort schon vor 4000 bis 5000 Jahren eine Gesellschaft gab, die einen sehr hohen Lebensstandard besaß. Bei einer neuen Ausgrabung fanden Archäologen jetzt fürstlich ausgestattete und vor allen Dingen ungestörte Gräber, die diese Meinung bekräftigen.
Seit einiger Zeit machen die Archäologen den Mesopotamiern und Ägyptern immer mehr den Ruf streitig, die frühesten stadtbildenden und schriftnutzenden Kulturen zu sein. Denn auch in Syrien gibt es zahlreiche Funde, die bis in die Zeit der Pyramiden zurückreichen. Beispielsweise werden die frühesten Bauten der Stadt Aleppo auf 3000 vor Christus datiert. Und wie deutsche Ausgrabungen vor einiger Zeit nachwiesen, beginnt auch die Geschichte der antiken Stadt Ekalte (Tall Munbaquat) in Syrien wenigstens 2500 vor Christus. Nun sind Glenn Schwartz und sein Team von der Johns Hopkins University in Baltimore in Umm-el-Marr überraschend auf einen Grabkomplex gestoßen, der aus mehreren 'ungestörten', sehr prächtig ausgestatteten Gräbern besteht und weitere Hinweise auf eine frühe hochentwickelte Kultur in Syrien gibt.

Das Ausgrabungsgebiet in Umm-el-Marr halten die Archäologen für das antike Tuba, eine von Syriens ersten Städten. Erstaunlich war der Grabfund für die Wissenschaftler, weil sie dort eigentlich einen "Tell" ausgruben, also einen Kulturhügel, der entsteht wenn eine Siedlung immer wieder auf der alten Bauschicht neu aufbaut. Bei solch einer Tellgrabung bleiben den Archäologen normalerweise nur Mauerzüge und Keramikscherben als Fundgut. Doch in Umm-el-Marr stießen die Amerikaner während ihrer Arbeit an einer Schicht der Zeit um 1800 vor Christus plötzlich auf unzerstörte Keramik und auf menschliche Knochen. Damit war klar, dass es sich um ein Grab handelte – und zwar um eines, das 4300 Jahre alt ist. Damit dürften die Menschen, die in dem Grab liegen, zur gleichen Zeit gelebt haben, in der auch die Ägypter ihre größten Pyramiden bauten.

Das Grab besteht aus drei verschiedenen Schichten. In der obersten fanden die Archäologen Spuren von zwei Särgen, in denen ehemals jeweils eine etwa zwanzigjährige Frau mit ihrem Baby bestattet worden war. Diese beiden Frauen waren die am reichsten ausgestatteten Personen in den drei Grabschichten. Sie trugen Schmuck aus Gold, Silber und Lapislazuli. Eine interessante Beigabe in diesen Gräbern war ein Eisenklumpen, der wohlmöglich von einem Meteoriten stammt.

In der zweiten Schicht fanden die Archäologen die Leichen von zwei erwachsenen Männern und die Reste eines weiteren Kleinkindes, dass etwas entfernt von den anderen Leichen am Eingang des Grabes lag. Das Kind ruhte also nicht direkt neben den Erwachsenen, wie in der Schicht darüber. Den älteren der beiden Männer krönte ein Silberdiadem mit der Verzierung eines Kreises, in dem eine Rosette sitzt. Der andere Mann trug einen Bronzedolch.

In der dritten und untersten Grabschicht lag ein weiterer erwachsener Mann, ausgestattet mit einer Silberschale und silbernen Gewandnadeln. In den Gräbern von allen Bestatteten fanden Schwartz und sein Team große Mengen an Keramikgefäßen der Zeit um 2300 vor Christus. Zum Teil waren die Gefäße mit Tierknochen gefüllt, so dass die Archäologen hier auf Tieropfer schließen. An der südlichen äußeren Grabwand standen ein Krug, der eine weitere Kinderbestattung enthielt, wie auch eine Schnabelkanne und zwei pferdeähnliche Tierschädel.

Bei der Deutung des Grabkomplexes sind sich die Archäologen noch nicht völlig sicher. Einerseits legten sie Gräber frei, die mehrere Bestattungen und zahlreiche prächtige Beigaben enthielten. Man könnte ihn daher für die letzte Ruhestätte einer fürstlichen, vielleicht sogar königlichen, Familie halten. Andererseits ist aber erstaunlich, dass diese gut sichtbare, hochgelegene Anlage nicht geplündert wurde, wie dies bei vielen anderen syrischen Gräbern am Euphrat der Fall ist. Handelt es sich hier also vielleicht um einen heiligen Bezirk, der aus religiösen Vorstellungen gemieden wurde?

Ebenfalls überraschend ist die Feststellung, dass die am prächtigsten ausgestatteten Personen die jungen Frauen sind, die auch noch mit Kleinkindern begraben wurden. Dieser Umstand verweist eher auf einen kultischen Charakter der Grablege als auf eine normale Grabstätte. Die noch offenen Fragen lassen sich vielleicht klären, wenn die Umgebung des Grabes weiter untersucht werden kann. An den Komplex stoßen nämlich von allen Seiten zahlreiche weitere Mauern, deren Bestimmung noch nicht geklärt ist. Ebenso wollen die Archäologen mit den Knochen der Leichen DNA-Analysen erstellen lassen, um so ein eventuelles Familiengrab nachzuweisen. Die inzwischen konservierte Ausgrabungsstätte wartet solange darauf, dass die Archäologen ihr weitere Entdeckungen entlocken – im Jahr 2002 soll die Arbeit in Umm-el-Marr fortgeführt werden.

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.