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News: Erste Blicke in die Gräben auf Galliumarsenid-Oberflächen

Wissenschaftlern des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck- Gesellschaft in Berlin und der University of Arkansas ist es jetzt gemeinsam zum ersten Mal gelungen, die Oberflächenstruktur des technologisch wichtigen Halbleitermaterials Galliumarsenid (GaAs) exakt zu bestimmen. Aus diesem Halbleiter werden elektronische Bauelemente für Hochfrequenz-Anwendungen und für die Umwandlung von elektrischen in optische Signale hergestellt. Galliumarsenid gilt deshalb als wichtiger Grundstoff für die Telekommunikation.
Die Aufklärung der atomaren Struktur der GaAs-Kristalloberfläche gelang jetzt durch eine Kombination von Experimenten und theoretischen Berechnungen. Während die Wissenschaftler um Vincent LaBella an der University of Arkansas die Oberfläche mit dem Rastertunnelmikroskop untersuchten, berechneten Peter Kratzer und Matthias Scheffler vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft den atomaren Aufbau des Halbleitermaterials (Physical Review Letters vom 11. Oktober 1999).

Für das Züchten von Kristallen und das Abscheiden dünner Schichten aus Galliumarsenid ist es unerläßlich, die Anordnung der Atome an seiner Oberfläche genau zu kennen. Diese stellt nicht einfach eine Fortsetzung der Struktur im Kristallinneren dar, vielmehr fehlen an der Oberfläche ganze Reihen von Atomen. Diese werden im Bild des Rastertunnelmikroskops (STM) als winzige, regelmäßige Gräben sichtbar, die nur etwa einen halben Nanometer (= Millionstel Millimeter) breit sind. Zwischen den Gräben lagern sich Arsen-Atome paarweise in der obersten Schicht zu sogenannten Dimeren zusammen.

Unklar blieb aber, was in den Gräben geschieht: Bisher war es experimentell nicht möglich, in sie hineinzusehen. In den vergangenen zehn Jahren standen deshalb vier verschiedene Strukturmodelle in teilweise kontroverser Diskussion. Jetzt ist es den Forschern aus Arkansas schließlich doch gelungen, mit dem STM auch das Innere der Gräben abzubilden. Die Wissenschaftler stellten dabei fest, daß für Galliumarsenid das sogenannte beta2-Strukturmodell zutrifft, demzufolge sich in den Gräben die Arsen-Atome ebenfalls zu Dimeren zusammengefunden haben. Möglich wurde dieser Erfolg durch den Vergleich mit am Computer simulierten STM-Bildern der Berliner Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft. Sie konnten erklären, wie die Abbildung bei dieser Oberfläche zustande kommt.

Beim Rastertunnelmikroskop verwendet man eine sehr feine Spitze als Sonde. Sie tastet die elektronischen Eigenschaften der Oberfläche ab. Die so sichtbar gemachten Wolken der Elektronendichte zeigen im einfachsten Fall die Lage der Atome an der Oberfläche. Dadurch entsteht praktisch ein Bild von der Verteilung der Atome. Bei Galliumarsenid gibt es aber, wie bei anderen Halbleitermaterialien auch, noch einen anderen Effekt. Beim Verändern der elektrischen Spannung am STM stellten LaBella und seine Kollegen in den erhaltenen Bildern Veränderungen fest, die keine geometrischen, sondern elektronische Ursachen haben. In diesem Fall sind detaillierte Berechnungen zur Interpretation der Bilder unerläßlich.

Die Wissenschaftler um Matthias Scheffler am Fritz-Haber-Institut führen Berechnungen im Rahmen der Dichtefunktional-Theorie durch. Für diese Theorie erhielt Walter Kohn von der University of California, Santa Barbara 1998 den Nobelpreis für Chemie. Der Grundidee dieser Theorie folgend, macht man sich zunutze, daß die Informationen über alle Eigenschaften des Grundzustands eines Materials bereits in der Elektronendichte enthalten sind.

Als Eingabe zu den umfangreichen Computer-Berechnungen genügen dabei die Ordnungszahlen der beteiligten chemische Elemente (also ihre Stellung innerhalb des Periodensystems) und ein einfaches Modell vom strukturellen Aufbau des Materials. "Wir können mit diesen Rechenverfahren beispielsweise die Längen und Winkel der chemischen Bindungen, die an der Oberfläche die Atome zusammenhalten, ziemlich genau vorhersagen", sagt Peter Kratzer. Er hat die Berechnungen am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft durchgeführt. Damit lassen sich vor allem die experimentellen Bedingungen des Rastertunnelmikroskops simulieren und die von seiner Spitze 'erfühlte' Elektronendichte berechnen.

Die Simulationen der GaAs-Untersuchungen haben gezeigt, daß bei zu großen elektrischen Spannungen die Elektronenwolken der obersten Atomlage die Gräben 'überschatten'. Bei kleineren Spannungen ziehen sich diese Elektronenwolken jedoch zurück und ermöglichen damit den Blick in die Gräben. Die scheinbare Breite der Gräben ist also keine geometrische, sondern eine elektronische Eigenschaft. Bei einer angelegten Spannung von 2,1 Volt erscheinen die Gräben am breitesten, so daß dann sogar die Strukturen auf dem Grund abbildbar werden.

Erst der Vergleich von Simulation und Experiment hat bei diesen Untersuchungen den Beweis geliefert, daß Galliumarsenid tatsächlich in der beta2-Struktur vorliegt.

Mit der Aufklärung der atomaren Struktur dieser Oberfläche ist der erste Schritt zu einem detaillierten Verständnis der atomaren Prozesse beim Kristallwachstum gelungen. Der Galliumarsenid-Oberfläche kommt in der Mikroelektronik eine Schlüsselstellung zu, da sie als Unterlage zum Abscheiden von vielen verschiedenen Verbindungshalbleitern benutzt wird. Zur Zeit untersuchen die Wissenschaftler in der Gruppe von Matthias Scheffler am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft unter anderem das Aufdampfen winziger Strukturen aus Indiumarsenid. "Wir versuchen Form und Größe dieser sogenannten Quantenpunkte unter verschiedenen Bedingungen zu berechnen und liefern damit den Physikern Hinweise, wie diese Strukturen hergestellt werden können", erklärt Peter Kratzer. In ein Trägermaterial eingebettete Quantenpunkte wirken in einem Halbleiter als Sammelstellen für elektronische Anregungen, die dann in Licht umgewandelt werden. Mit dieser Technik ist es bereits gelungen, Halbleiter-Laser zur Übertragung optischer Signale herzustellen.

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