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Frühes Universum: Erste Galaxien entstanden früher als angenommen

Gelinste Galaxie von Abell 383
Der Galaxienhaufen Abell 383 | Wie eine riesige Linse, die das Licht weit entfernter Hintergrundobjekte bündelt und damit verstärkt, wirkt die große Masse des Galaxienhaufens Abell 383. Die Linse liefert jedoch keine perfekten Bilder, sondern verzerrt sehr stark. Besonders deutlich wird dies an den leuchtenden Bögen um die riesige elliptische Galaxie nahe der Bildmitte.
Die Entdeckung einer Galaxie, deren erste Sterne sich schon 200 Millionen Jahre nach dem Urknall bildeten, konnte nur deshalb gelingen, weil die Natur ein riesiges natürliches Teleskop bereitstellte, das ihr Licht durch Bündelung verstärkte und ihr Bild stark vergrößerte. Die Rede ist vom Galaxienhaufen Abell 383, dessen Masse eine Gravitationslinse bildet, die wie ein riesiges Vergrößerungslas wirkt. Ohne diese Unterstützung wäre die fragliche Galaxie auch in den größten und lichtstärksten Teleskopen der Erde unsichtbar geblieben.

Die von Abell 383 gelinste Galaxie | Zwei lichtschwache Punkte sind die Bilder einer vom Galaxienhaufen Abell 383 gelinsten Galaxie mit einer Rotverschiebung z = 6,027. Ihr Licht stammt aus einer Zeit, als das Universum nur 925 Millionen Jahre alt war.
Auf die Spur der Galaxie kam das Forscherteam um Johan Richard an der Universität von Lyon mit Hilfe einer Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble. Das Teleskop hatte den Galaxienhaufen Abell 383 aufgenommen, und das Team durchmusterte das Bild nun nach möglichen gelinsten Galaxien, die sich weit hinter dem Galaxienhaufen befinden. Nachdem zwei schwache Lichtpunkte als mögliche Kandidaten ausgemacht waren, griffen die Forscher auf Messdaten des Infrarotsatelliten Spitzer zurück und konnten damit bestätigen, dass es sich um zwei Bilder der gleichen Hintergrundgalaxie handelte.

Nun fuhren die Astronomen noch schwerere Geschütze auf und setzten das Zehn-Meter-Keck-II-Teleskop auf dem Gipfel des Mauna Kea im US-Bundesstaat Hawaii ein, um die Galaxie spektroskopisch zu untersuchen. Es gelang ihnen, Spektren der Galaxie aufzunehmen und darin die Wellenlänge Lyman-alpha des ionisierten Wasserstoffs zu identifizieren. Ein Vergleich des Lyman-alpha-Lichts der Galaxie mit der im Labor gemessenen Wellenlänge ermöglichte es, die Rotverschiebung des fernen Sternsystems von z = 6,027 zu bestimmen. Dies entspricht einer Zeit, als das Universum etwa 950 Millionen Jahre alt war. Das Gesamtalter des Universums wird derzeit auf 13,7 Milliarden Jahre geschätzt.

Die gemessene Rotverschiebung weist diese Galaxie aber weder als die älteste noch als die am weitesten entfernte bekannte Galaxie aus. Tatsächlich sind den Astronomen Galaxien mit Werten von z = 8 und in einem Fall sogar mit z = 10 bekannt. Letztere leuchtete schon, als das Universum nur 400 Millionen Jahre alt war. Aber die neuentdeckte Welteninsel besitzt Eigenschaften, die sie besonders hervorheben.

Schema der Gravitationslinse Abell 383 | Die starke Schwerkraft des Galaxienhaufens Abell 383 krümmt den Raum und lenkt das Licht einer weit im Hintergrund befindlichen Galaxie zu uns, wobei sie es bündelt und so weit verstärkt, dass sie in unseren Teleskopen sichtbar wirkt. Da die Gravitationslinse nicht perfekt geformt ist, verzerrt sie das Licht der Hintergrundgalaxie sehr stark und erzeugt in diesem Falle zwei Bilder von ihr. Die Darstellung ist nicht maßstabsgerecht.
In den Spektren von Spitzer und dem Keck-II-Teleskop zeigte sich, dass die neuentdeckte Galaxie überraschend alte Sterne enthalten muss. Ihr Licht weist darauf hin, dass sie schon bis zu 750 Millionen Jahre alt sein müssen. Sie dürften sich daher schon rund 200 Millionen Jahre nach dem Urknall gebildet haben. Schon bei anderen weit entfernten Galaxien mit hoher Rotverschiebung hatten sich in ihren Spektren Hinweise auf die Anwesenheit alter Sterne gefunden, aber noch nie so deutlich. Die Rekordhalter im Hinblick auf Alter und Entfernung leuchten dagegen im grellen Licht gerade erst entstandener, äußerst junger Sterne.

Die Entdeckung hat aber noch Folgen jenseits der Frage wann sich die ersten Galaxien bildeten. Sie könnte erklären, wie das Universum durchsichtig für kurzwelliges Licht wurde. In seiner Frühzeit war das Universum von einem dünnen Nebel aus neutralem Wasserstoff angefüllt, der das Ultraviolettlicht von Sternen absorbierte, wodurch das Weltall undurchsichtig war.

Eine noch nicht näher bekannte Quelle muss dann damit begonnen haben, den neutralen Wasserstoff zu ionisieren und damit das Weltall für das ultraviolette Licht durchsichtig zu machen. Dieser Vorgang wird als "Reionisation" bezeichnet. Als Hauptverdächtige gelten hier junge, neu gebildete Galaxien, deren massereiche Sterne große Mengen an energiereicher ultravioletter Strahlung erzeugen und damit den Wasserstoff ionisieren. Allerdings fanden sich bislang bei Weitem nicht genug Galaxien, um die benötigte Strahlungsmenge freizusetzen.

Die neue Entdeckung könnte jetzt helfen, dieses Rätsel zu lösen: Wahrscheinlich gibt es sehr viel mehr Galaxien im frühen Universum als bislang angenommen. Sie sind jedoch schon älter und damit leuchtschwächer, da die massereichsten Sterne in ihnen bereits als Supernovae explodierten. Sollte es also in dieser Zeit Unmengen an bereits weiterentwickelten Galaxien gegeben haben, könnten sie die benötigte Strahlung zur Ionisation des intergalaktischen neutralen Wasserstoffs geliefert haben. Um diese Galaxien jedoch ohne die Unterstützung von Gravitationslinsen nachweisen zu können, bedarf es noch leistungsfähigerer Teleskope wie das European Extremely Large Telescope E-ELT mit einem Hauptspiegeldurchmesser von 42 Metern.

Tilmann Althaus
  • Quellen
Originalarbeit: "Discovery of a possibly old galaxy at z = 6.027, multiply imaged by the massive cluster Abell 383". Im Druck in den "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" MNRAS.

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