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Frühdynastische Periode: Erstmals komplette DNA eines Mannes aus dem alten Ägypten entziffert

Aus Mumien noch Reste von Erbgut zu gewinnen, ist notorisch schwierig. Nun hatten Fachleute dennoch Erfolg. Sie lasen die DNA eines Mannes aus der ägyptischen Frühzeit.
Eine antike ägyptische Wandmalerei zeigt mehrere Szenen aus dem Alltag. Oben sind Menschen bei handwerklichen Tätigkeiten wie Töpfern und Weben zu sehen. Unten tragen Arbeiter Lasten und führen landwirtschaftliche Arbeiten aus. Die Figuren sind in traditionellen ägyptischen Gewändern dargestellt. Hieroglyphen sind im Hintergrund sichtbar.
Darstellung von Töpfern und anderen Handwerkern aus dem Grab des Wesirs Rechmire (15. Jahrhundert v. Chr.).

So gut erhalten Mumien auch sein mögen, ihre DNA ist es in aller Regel nicht. Zu heiß ist es in Ägypten, und auch der Prozess der Einbalsamierung trägt wohl nicht zur Bewahrung des Erbguts bei. Nun jedoch vermelden Forscherinnen und Forscher einen ersten Erfolg: Ihnen gelang es, das Genom eines Mannes auszulesen, der vor rund viereinhalbtausend Jahren in Ägypten lebte, also noch vor dem Bau der Pyramiden von Giseh.

Sein Erbgut liefert Anhaltspunkte zur Abstammung der alten Ägypter. Rund 80 Prozent seines Genoms stammen von jungsteinzeitlichen Bewohnern Nordafrikas. Diese Population ist durch Funde aus Marokko bekannt und zeigt ihrerseits Einflüsse von der Iberischen Halbinsel und dem östlichen Mittelmeerraum. Die übrigen 20 Prozent weisen dagegen nach Mesopotamien beziehungsweise in die erweiterte Region des Fruchtbaren Halbmonds.

Das schreibt die Gruppe um Adeline Morez Jacobs von der Liverpool John Moores University und dem Londoner Francis Crick Institute im Fachblatt »Nature«.

Dass es Kontakte zwischen Ägypten und Mesopotamien gab, ist archäologisch belegt. Die DNA des Mannes verrät nun, dass sich diese Kontakte nicht auf reinen Ideentransfer beschränkten, sondern dass es auch nennenswerten Genfluss zwischen den Regionen gab. Inwieweit allerdings das Erbgut des Mannes repräsentativ für die Gesamtpopulation des alten Ägyptens ist, können die Experten nicht sagen. Dazu müssten sie das Erbgut weiterer Individuen entziffern.

Keramisches Bestattungsgefäß | In diesem Behältnis, das britische Ausgräber zwischen 1902 und 1904 unweit von Nuwayrat, rund 300 Kilometer südlich von Kairo, bargen, lagen die sterblichen Überreste eines Mitte 40- bis Mitte 60-Jährigen. Aus seinem Zahnwurzelzement gewannen die Forscher ausreichend Material für eine Erbgutuntersuchung.

Ob das in naher Zukunft gelingen wird, ist zweifelhaft angesichts der nach wie vor bestehenden Probleme bei der DNA-Gewinnung aus ägyptischen Mumien. Bei diesem Projekt hatte die Gruppe wohl einfach Glück: Der Mann war nicht mumifiziert worden, sondern nach damals üblichen Sitten in einem großen keramischen Gefäß in einem in den Fels gehauenen Grab bestattet worden. Die stabilen Temperaturbedingungen halfen vermutlich bei der Konservierung der empfindlichen DNA.

Am Skelett des Mannes, der laut Radiokarbondatierung zwischen 2855 und 2570 v. Chr. starb, fanden sich Spuren, die auf ein Leben als Töpfer deuten: Er saß über lange Zeiträume auf harten Böden mit ausgestreckten Beinen oder kniete, seine Halswirbelsäule verrät die Folgen einer Arbeit mit gesenktem Kopf. Noch aufschlussreicher aber sind die Knochen seiner rechten Fußzehen: Sie sind deutlich abgenutzter als die auf der linken Seite, vielleicht weil er seine Tage an der Töpferscheibe verbrachte und diese mit dem Fuß in Gang hielt. Die Töpferscheibe mit Schwungrad ist eine jener Schlüsselinnovationen, die ungefähr zu Lebzeiten des Mannes aus Mesopotamien nach Ägypten gekommen waren.

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  • Quellen
Morez Jacobs, A. et al., Nature 10.1038/s41586–025–09195–5, 2025

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