Erziehung: Nur wenige Eltern verhalten sich so wie ihre Eltern

Wie Eltern ihre Kinder erziehen, hängt in der Regel nur wenig mit ihrer eigenen Erziehung zusammen. Das berichtet eine Forschungsgruppe um Sanne Geeraerts von der Universität Utrecht in den Niederlanden im »Psychological Bulletin«. »Ein Vater, der wenig Liebe von seinen Eltern bekam, kann selbst durchaus in der Lage sein, sich seinen Kindern gegenüber liebevoll zu zeigen«, erklärt die Psychologin. »Er kann sich aber auch schwertun, weil ihm ein gutes Beispiel fehlt.«
Das Team wertete eine Metaanalyse über 24 Datensätze mit mehr als 12 000 Familien aus, darunter ausschließlich Längsschnittdaten. Die Eltern und Großeltern wurden jeweils befragt oder beobachtet, während sie gerade selbst ihre Kinder erzogen. Für vier Aspekte der Erziehung lagen genug Daten vor: Akzeptanz zeigen, Autonomie unterstützen, Struktur geben und auf negatives Verhalten verzichten.
Das Erziehungsverhalten der Eltern hing mit dem ihrer eigenen Eltern im Mittel nur geringfügig zusammen (r = 0,12). Die Forschenden betonen dennoch: »Vor allem Kinder, die wenig Akzeptanz und viel Negativität erfahren hatten, wurden zu Eltern, die selbst Erziehungsprobleme hatten«, berichtet Geerarts in einer Pressemitteilung. Den schwächsten Effekt hatte die Tendenz, Kindern Struktur zu geben – womöglich, weil es dabei darauf ankommt, ob diese Tendenz mit emotionaler Wärme oder Kälte gepaart ist.
Bei Vätern war der Zusammenhang schwächer als bei Müttern und bei der Erziehung von Teenagern schwächer als bei der von jüngeren Kindern. Es gab keinen Hinweis darauf, dass auch das Alter der Eltern eine Rolle spielt: Junge Eltern ahmen demnach ihre eigenen Eltern nicht mehr und nicht weniger nach als ältere. Wurde das Erziehungsverhalten allerdings nicht selbst beurteilt, sondern von außen beobachtet, fiel der Zusammenhang höher aus. Womöglich sehen die Befragten ihr Verhalten anders, als es nach außen erscheint.
Aber auch schwache Zusammenhänge seien bedeutsam – weil sie in der Summe viele Menschen betreffen, argumentieren die Studienautoren. Um Erziehungsfehler nicht weiterzugeben, empfehlen sie vor allem, Kindern das unbedingte Gefühl zu geben, geliebt und akzeptiert zu werden.
Der zentrale Befund gilt außerdem nicht für jeden Aspekt von Erziehung. Beim Thema sexuelle, körperliche und emotionale Misshandlung sind die Zusammenhänge größer. Laut einer Metaanalyse über 65 Studien verdoppelte sich bei eigener Leidensgeschichte das Risiko, selbst zum Täter zu werden oder die Misshandlung der Kinder zumindest nicht zu verhindern. Rund 40 Prozent der Eltern trugen auf diese Weise ihr Leid weiter.
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