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News: Es gibt mehr als eine Zeit

Jedes Lebewesen hat seinen eigenen Tagesrhythmus - und in der Wissenschaft nennt man dies dann circadian. Doch es ist nicht eine einzige 'innere Uhr', die hier die Zeit bestimmt und alle Körperfunktionen im Gleichklang schlagen lässt. Es treiben viele unterschiedliche Zeitgeber unsere Organe nach ihrem eigenen Rhythmus an. So "tickt" die Leber im anderen Rhythmus als das Herz, angetrieben durch ein individuelles Genrepertoire. Nur das Ergebnis - erhöhte Aktivität der jeweiligen Organe - ist immer gleich, ganz egal welche Gene dazu genutzt werden.
Ebenso wie manche Blumen morgens ihre Blüte heben, so bewirkt die innere Uhr auch bei uns Menschen eine Steigerung der morgendlichen Aktivität. Besonders bemerkbar macht sich der Rhythmus, wenn er aus dem Takt gerät – etwa durch einen Überseeflug – und uns durch den wohlbekannten Jetlag schwer zu schaffen macht. Als Hauptverantwortlicher gilt eine bestimmte Region im Gehirn, der so genannte suprachiasmatische Nucleus. Aber im Gegensatz zu früheren Vermutungen ist diese Uhr nicht die einzige, die uns bestimmt.

In vielen unserer inneren Organe ticken ebenfalls Uhren, und treiben die Aktivität von zum Beipiel Leber, Herz und Niere an. So ändert sich etwa die Frequenz des Herzschlages im Laufe des Tages, die Niere transportiert unterschiedliche Mengen an Ionen und Elektrolyten, und die Leber produziert mal mehr mal weniger wichtige Zucker- und Fettmoleküle. Dass diese Rhythmen die Folge von einzelnen außerhalb des Gehirns lokalisierten inneren Uhren sein könnten, vermutete man bereits. Die Frage, wie groß ihr Einfluss wirklich ist, blieb bislang offen.

Dieser Frage spürten Charles Weitz und Kai-Florian Storch von der Harvard Medical School nach. Mithilfe eines neu entwickelten Genchips maßen sie zu verschiedensten Zeitpunkten die Aktivität von 12 000 Genen in Herzen und Lebern von Mäusen – was immerhin ein Drittel des Mausgenoms darstellt. Anhand eines von Wing Wong, Professor für Computational Biology an der Harvard School of Public Health, entwickelten mathematischen Modells errechnete das Team eine circadiane Schwankung bei acht bis zehn Prozent sowohl der Leber- als auch der Herzgene. "Das ist ein recht großer Batzen des Genoms", sagte Weitz.

Dabei unterscheidet sich das Genrepertoire von Leber und Herz stark voneinander. Von den eindeutig circadian betimmten etwa 460 Herzgenen und den fast 600 in der Leber befindlichen Genen konnten nur 37 als gemeinsame circadiane Gene identifiziert werden. Viele waren aus der "Hauptuhr" des Gehirn bekannt und sind möglicherweise Kernkomponenten aller inneren Uhren. Es ergab sich ein sehr interessantes Ergebnis, für welches den Wissenschaftlern bisher noch eine Erklärung fehlt: Während die Gene des Lebergewebes mehrere über den Tag verteilte Aktivitätsmaxima aufweisen, ist die Genproduktion beim Herzen am Vormittag am stärksten.

Bei den weiteren Untersuchungen ergab sich, dass aber die Funktionen der Gene in den beiden Geweben sehr ähnlich gelagert waren. Durch sie werden sehr ähnliche Aufgabe in den Zellen erfüllt, von Kommunikation über Transport bis hin zu Metabolismus und Zelltod. Doch die Antwort auf die Frage, warum Herz und Leber dann nicht mit den gleichen Genen arbeiten, bleiben die Forscher uns – und sich selbst – noch schuldig.

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