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News: Es ist nicht leicht, eine Pflanze zu sein

Pflanzen dienen nicht nur größeren Tieren und Insekten als Futter. Auch eine Menge von Mikroorganismen wie Bakterien, Würmer und Pilze 'vergreifen' sich an ihnen, um ihren Hunger zu stillen. Die Pflanzen sind also gezwungen, sich zur Wehr zu setzen und haben zu diesem Zweck ein großes Sortiment von Verteidigungsmechanismen entwickelt. Aber um diese Abwehrreaktionen zu initiieren, müssen sie zunächst die Anzeichen eines potentiellen Gegners erkennen können. In einem Modellsystem zeigen deutsche Wissenschaftler, wie eine Pflanze weiß, wann sie sich zur Wehr zu setzen hat.
In den letzten Jahren wurde eine ganze Reihe von biologischen Signalstoffen verschiedener Krankheitserreger identifiziert. Diese sogenannten Elicitoren haben die Wissenschaftler im Hinblick auf die Verteidigungsreaktionen untersucht, die sie in den Pflanzenzellen auslösten. Ein grundlegendes Verständnis solcher Mechanismen könnte dabei helfen, den Schutz der Pflanzen gegen Schädlinge zu verbessern und die Ernteerträge zu erhöhen.

Forscher der Abteilung Biochemie des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung (MPIZ) in Köln nutzten Kulturen einer Zellsuspension von Petersilie (Petroselium crispum) als Modellsystem. Klaus Hahlbrock und seine Mitarbeiter setzten dieses Modell ein, um die Abwehrreaktionen der Pflanze gegen Phytophtora sojae und Phytophtora infestans zu untersuchen. Beide Pilz-Arten sind wichtige Krankheitserreger bei Petersilie. Vor kurzem wurde ein Glycoprotein aus der Zellwand des Pilzkörpers (Mycel) von P. sojae isoliert und gereinigt, von dem bekannt war, daß es als Elicitor in Nicht-Wirts-Organismen wirkt.

Wird der Elicitor mit Petersilienzellen zusammengebracht, resultiert dies in dramatischen biochemischen Veränderungen innerhalb der betroffenen Zellen. Es entstehen reaktive Sauerstoffderivate, der Ionenfluß durch die Plasmamembran verstärkt sich, und es kommt zu einer Veränderung der Genaktivität. Bei einer Infektion mit P. infestans konnten dieselben Effekte beobachtet werden.

Trotzdem stellen diese Veränderungen im physiologischen Status der Zelle noch nicht die Gesamtheit der Abwehrreaktionen einer Pflanzenzelle dar, die eine Pilzinfektion hervorruft. Es treten zusätzlich morphologische Umformungen auf. Bei einer Pilzinfektion dringt der Schädling mit seinen Hyphen – kleinen vom Pilz zum Wachstum und zur Ausbreitung gebildeten Schläuchen – durch die Zellwand der befallenen Pflanze in deren Zellen vor. Schon bevor die Hyphen vollständig durch die Zellwand gelangt sind und dort intrazelluläre Strukturen bilden, reagiert die Pflanzenzelle. Das Cytoplasma und der Zellkern bewegen sich verstärkt in Richtung auf den Ort des Eindringens. Die Zelle deponiert dort Zellwandmaterial, um eine physikalische Barriere gegen den Parasiten aufzubauen. Reichen alle diese Verteidigungsmaßnahmen nicht aus, um die Pilzhyphe am weiteren Vorwärtskommen zu hindern, dann greift die Zelle zu einer letzten verzweifelten Maßnahme: Sie 'begeht Selbstmord'. Dieser Mechanismus ist als hypersensitiver Zelltod bekannt. Unter dem Mikroskop ist er als ein plötzlicher und schneller Zusammenbruch der Zellinhalte um die intrazellulären Pilzstrukturen herum zu beobachten. Zusätzlich scheidet die Pflanzenzelle Giftstoffe ab, die sowohl sie selbst als auch den Pilz abtöten. Im Gegensatz zu den physiologischen Änderungen konnten diese morphologischen Reaktionen allerdings in dem Modellsystem der Wissenschaftler nicht beobachtet werden, wenn nur der Elicitor zugefügt wurde.

Aus diesem Grunde stellt sich die Frage, welche Signale zusätzlich zum Elicitor auftreten müssen, damit eine vollständige Abwehrreaktion erfolgt. Die Forscher nahmen an, daß die Penetration der Zellwand durch eine Pilzhyphe nicht nur die Elicitoren als chemische Signalträger auf den Plan ruft. Zusätzlich könnten mechanische Reize durch den Kontakt der Hyphe mit der Zellwand ausgelöst werden. Um die vollständige Verteidigungsreaktion der Pflanze zu aktivieren, müßten sich die beiden Signale ergänzen.

Diese These überprüfte Sabine Gus-Mayer am MPIZ. In ihren Experimenten wurden die Zellen statt durch Pilzhypen mit Hilfe von Nadeln gleichen Durchmessers (2-5 µm) lokal mechanisch leicht gereizt. Diese Stimulation reichte aus, um die Translokation des Cytoplasmas und des Zellkern zu der entsprechenden Stelle auszulösen.

Interessanterweise waren einige der biochemischen Abwehrmechanismen ebenfalls zu beobachten. Nur wenige Minuten einer örtlich begrenzten mechanischen Reizung genügten, damit in der Zelle reaktive Sauerstoffderivate gebildet wurden – genau wie bei der Behandlung mit Elicitoren oder einer Pilzinfektion. Die Wissenschaftler waren außerdem überrascht, daß einige, aber nicht alle Pflanzengene, die auf Elicitoren reagiert hatten, durch die mechanische Stimulation ebenfalls aktiviert wurden.

Diese Ergebnisse weisen darauf hin, daß eine Pilzhyphe nicht notwendigerweise in die Zelle eindringen muß, um Abwehrmechanismen auszulösen. Schon der physikalische Reiz eines Pilzes, der nur versucht, in die Zelle einzudringen, reicht für die Pflanze aus, um ihre Verteidigung in Gang zu setzen. Durch die beschriebenen Versuche mit Petersilie gelangten die Forscher zu folgenden Erkenntnissen: Schon in einem frühen Stadium des Angriffs, wahrscheinlich bevor der Pilz tatsächlich in die Zellwand eindringt, werden durch ein lokales mechanisches Signal die Bildung von reaktiven Sauerstoffderivaten, cytoplasmatische Umlagerungen und die Expression bestimmter Gene bewirkt. Um die Zelle zu einer Verdickung ihrer Zellwand zu veranlassen, scheint eine Penetration durch die Hyphen notwendig zu sein. Sobald sie die Plasmamembran der Zelle berührt, binden die Elicitoren an spezifische Rezeptoren der Pflanzenzelle und rufen so zusätzliche biochemische Abwehrreaktionen hervor.

Nach Meinung der Wissenschaftler ist also eine Kombination mechanischer und chemischer Reize für die intrazellulären Umstellungen und für die biochemischen Veränderungen verantwortlich. Doch um die Zellwandverdickung und den hypersensitiven Zelltod zu veranlassen, scheinen noch andere Signale notwendig zu sein.

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