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22 Milliarden Euro: Rekordbudget für die europäische Raumfahrt in Krisenzeiten

Europa will im All aufholen und stellt bei der ESA-Ministerratskonferenz in Bremen den höchsten Etat der Geschichte zusammen. Damit will man nicht nur technologische Souveränität erreichen, sondern auch Hoffnung ausstrahlen.
Eine nächtliche Satellitenaufnahme von Europa, die von einem zentralen Punkt aus strahlenförmig beleuchtet wird. Im Zentrum befindet sich das Logo der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), umgeben von Flaggen verschiedener Länder. Im Vordergrund sind die Silhouetten von Menschen zu sehen, die die Karte betrachten. Die Darstellung hebt die Vernetzung und Zusammenarbeit der europäischen Länder im Bereich der Raumfahrt hervor.
Der ESA-Etat für die kommenden drei Jahre wird um 30 Prozent höher ausfallen als in der aktuell laufenden Periode und 22 Milliarden Euro betragen.

Wenn es auf der Erde kriselt, kann es wohltuend sein, den Blick in Richtung All zu richten – und es kann wichtig sein, die technologische Eigenständigkeit zu stärken. Das lässt sich auch an den Ergebnissen der ESA-Ministerratskonferenz in Bremen feststellen. Mit 22,1 Milliarden Euro haben die Vertreterinnen und Vertreter der 23 Mitgliedstaaten das bisher höchste Beitragsvolumen in der Geschichte der Europäischen Weltraumorganisation zusammengekratzt. Laut Pressemitteilung der ESA bekräftigten sie damit »ihre Unterstützung für wichtige Wissenschafts-, Explorations- und Technologieprogramme sowie für weltraumgestützte Anwendungen in den Bereichen Erdbeobachtung, Navigation und Telekommunikation«. Der ESA-Etat für die kommenden drei Jahre wird um 30 Prozent höher ausfallen als in der aktuell laufenden Periode. 2022 hatten sich die Länder seinerzeit auf ein Budget von knapp 17 Milliarden Euro geeinigt. Schon das war ein Rekord.

Vor der Konferenz hatte sich ESA-Chef Josef Aschbacher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur noch besorgt gezeigt, dass Europa in der Raumfahrt abgehängt werden könnte. Nun sagte er: »Ich denke, die Botschaft, dass Europa aufholen und sich engagieren muss, um die Zukunft Europas durch die Raumfahrt buchstäblich zu beflügeln, wurde von unseren Ministern sehr ernst genommen.« Das beschlossene Budget ist fast so hoch wie von Aschbacher vorgeschlagen. Üblicherweise liegt der Etat nach den Verhandlungen deutlicher darunter. Zum Vergleich: Die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA kann auf eine vergleichbar große Summe in nur einem Jahr zugreifen.

Deutschland ist erneut größter Beitragszahler. Raumfahrtministerin Dorothee Bär (CSU) sagte 5,4 Milliarden Euro zu. »Gerade bei der angespannten Haushaltslage ist es noch mal ein ganz klares Signal, das hier von der gesamten Bundesregierung ausgeht: Raumfahrt ist eine Investition in unsere Zukunft«, kommentierte sie. Für Deutschland und Europa gehe es nun mit ganz neuem Schwung ins Rennen ums All. Damit verschieben sich die Machtverhältnisse in Europa für die kommenden Jahre klar in Richtung Deutschland. Zusammen mit Frankreich stemmt die Bundesrepublik rund 40 Prozent des ESA-Haushalts. Frankreich, das mitten in einer gravierenden Haushaltskrise steckt, konnte lediglich 3,6 Milliarden Euro zusagen.

Mehr Wettbewerb in der europäischen Raketenindustrie

Obwohl man zumindest auf den Social-Media-Kanälen des BMFTR, kurz für Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt, den farbenfrohen Eindruck gewinnen konnte, das wichtigste Ziel der kommenden Jahre sei eine Reise zum Mond, stehen eigentlich recht bodenständige Missionen und Programme im Fokus der ESA. Etwa der Bau und die Entwicklung von flexibel einsetzbaren Trägerraketen für den Satellitentransport. Auf sie entfallen 20 Prozent des künftigen Budgets. Die Ausschreibung dazu heißt »European Launcher Challenge« und richtet sich insbesondere an kleinere Unternehmen und Start-ups.

Das neu aufgelegte Programm soll unter anderem für mehr Wettbewerb in der europäischen Raketenindustrie sorgen. Diese wird momentan von der Ariane Group dominiert, die bei der Entwicklung von Europas aktueller Schwerlastrakete Ariane 6 jedoch nicht gerade für sich geworben hat: Das Unternehmen blieb weit hinter dem Zeitplan zurück und überschritt den Kostenrahmen deutlich. Zudem ist die Rakete weder wiederverwendbar noch herausragend besser als ihre Vorgängerin Ariane 5 und somit keine echte technologische Revolution. Ob Start-ups wie Isar Aerospace, Rocket Factory Augsburg und HyImpulse es am Ende besser können, muss sich allerdings erst noch zeigen.

»Wir wollen einigen der genialsten Missionen in der Geschichte der ESA den Weg ebnen«ESA in einer Pressemitteilung

Im Bereich der Wissenschaftsprogramme will die ESA nach eigener Aussage »einigen der genialsten Missionen in der Geschichte der ESA den Weg ebnen«. Unter anderem will man mit einer aufwendigen Forschungssonde nach Leben auf dem Saturnmond Enceladus suchen. Und es soll ein neues Röntgenteleskop namens NewAthena gebaut werden, das Schwarze Löcher im Kern von Galaxien ins Visier nimmt. Außerdem kann die ESA die Finanzierung der Mission »Rosalind Franklin« fortsetzen; dabei soll im Jahr 2028 mithilfe der NASA, die ihre Unterstützung nun fest zugesagt hat, ein Rover zum Mars starten und die Marsoberfläche erforschen. Primäres Ziel der Mission ist die Suche nach organischem Material, vor allem aus der frühen Geschichte des Roten Planeten.

Besonders interessant ist die Mission RAMSES, die bereits im April 2028 starten soll. Ihr Ziel ist der kleine Asteroid Apophis, der am 13. April 2029 – natürlich ein Freitag – sehr dicht an der Erde vorbeifliegen wird. RAMSES soll den Asteroiden schon davor im Februar 2029 erreichen und ihn bei seinem Erdvorbeiflug und darüber hinaus für viele Monate begleiten.

ESA vollzieht »historische Wende«

Eine »historische Wende« ist die Verwischung der Grenzen zwischen der zivilen und militärischen Nutzung der Weltraumprogramme. Eigentlich ist der ESA aufgrund ihrer vor mehr als einem halben Jahrhundert formulierten Statuten militärische Forschung untersagt. Nun soll zum Beispiel ein System entwickelt werden, das Zugang zu Satellitenbildern mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung bietet. Außerdem sollen zivile und militärische Aufklärungsdaten gebündelt und ein Netzwerk aufgebaut werden, um Beobachtungslücken zu schließen. Unterstützt werde dies durch neue Navigationsdienste aus der erdnahen Umlaufbahn und sichere Konnektivität. Zudem wird das Raumfahrzeug SAGA – eine Demonstrationsmission für Quantenkommunikation – in die Bau- und Durchführungsphase übergehen. Das Moonlight-Programm, das lunare Kommunikations- und Navigationsdienste vorsieht, wird ebenfalls weiterentwickelt.

Wie es mit den Reiseplänen zum Mond weitergeht – das Thema von Ministerin Bär in diesen Tagen –, wird allerdings entgegen den vollmundigen Ankündigungen eher in den USA entschieden. Und tragischerweise ist das Projekt in den USA recht unbeliebt. Donald Trumps Regierung hätte es mit dem Haushalt für 2026 am liebsten gestrichen. Hinzu kommt: Die erste Artemis-Mission der NASA, auf der überhaupt Europäer mitgenommen werden könnten, soll frühestens 2030 stattfinden und nur in eine Mondumlaufbahn führen. Eine Landung ist gar nicht geplant. Aber vielleicht ist der Traum vom Mond ja genau das Stück Hoffnung, das wir in Krisenzeiten brauchen. Ein wenig Eskapismus war noch nie verkehrt.

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