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News: Eßbarer Impfstoff hat den klinischen Test bestanden

Der Verzehr von gentechnisch veränderten Kartoffeln, die einen Teil eines bakteriellen Toxins produzieren, veranlaßt das menschliche Immunsystem, Antikörper gegen das Gift zu bilden. Im Falle einer später erfolgenden Infektion ist der Körper so bereits vorbereitet für eine erfolgreiche Abwehr. Diese Art der Impfung ist nach Ansicht der Forscher besonders für den Einsatz in Entwicklungsländern geeignet.
"Eßbare Impfstoffe bieten faszinierende Möglichkeiten, die durch Krankheiten wie Hepatitis und Durchfall verursachten Belastungen erheblich zu verringern. Das gilt besonders für die Entwicklungsländer, in denen die Lagerung und Verabreichung von Impfstoffen oft große Probleme mit sich bringen", erklärt Anthony S. Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases NIAID, das die Forschungsarbeiten unterstützt hat.

In Vorversuchen hatten John Clements und seine Kollegen von der School of Medicine der Tulane University gezeigt, daß transgene Kartoffeln, die einen Giftstoff produzierten, eine starke Immunreaktion bei Tieren hervorriefen. Die Knollen waren von Charles Arntzen und Hugh S. Mason sowie ihren Kollegen vom Boyce Thompson Institute for Plant Research der Cornell University so verändert worden, daß sie einen Teil des Toxins herstellten, welches von der Durchfall verursachenden Variante des Bakteriums Escherichia coli ausgeschieden wird.

In der ersten Phase der klinischen Tests, die im Herbst 1997 unter der Leitung von Carol O. Tacket von der zur University of Maryland gehörenden School of Medicine begann, sollte geprüft werden, ob ein eßbarer Impfstoff auch bei Menschen eine Immunreaktion stimulieren kann (Nature Medicine vom Mai 1998).

An dem Versuch nahmen 14 gesunde Erwachsene teil. Elf zufällig ausgewählte Personen bekamen die genetisch veränderte Kartoffeln zu essen, die restlichen drei Teilnehmer unbehandelte Kartoffeln. Vor dem Verzehr wurden die Knollen geschält, denn ihre Schalen enthalten einen Bestandteil, der einen bitteren Geschmack verleiht und Übelkeit sowie einen verdorbenen Magen verursachen kann. Anschließend wurden sie in kleine Stücke geschnitten und in Portionen von 50 und 100 Gramm geteilt. Jeder Teilnehmer erhielt drei Portionen von entweder 50 Gramm oder 100 Gramm Kartoffeln – die erste zu Beginn der Testphase, die zweite nach sieben und die dritte nach 21 Tagen. Die Mengen waren unterschiedlich groß, um mögliche Nebenwirkungen durch den Genuß roher Kartoffeln abzuschätzen.

Die Wissenschaftler nahmen von den Freiwilligen in regelmäßigen Abständen Blut- und Stuhlproben, um die Reaktion des Immunsystems auf den Impfstoff festzustellen. Zehn der elf Freiwilligen, welche die transgenen Kartoffeln gegessen hatten, verfügten zu einem bestimmten Zeitpunkt nach der Immunisierung über die vierfache Menge an Antikörpern im Blutserum, bei sechs der elf steigerte sich die Zahl der Antikörper im Darm auf das Vierfache. Die Kartoffeln wurden gut vertragen, und niemand litt an ernsthaften negativen Nebenwirkungen.

Von diesen Ergebnissen ermutigt untersuchen die Wissenschaftler gegenwärtig, ob die Technik geeignet ist, auch andere Fremdsubstanzen (Antigene) zu verabreichen. Eßbare Impfstoffe gegen weitere Erreger von Darmkrankheiten stehen schon in den Startlöchern, zum Beispiel Kartoffeln und Bananen, die eventuell gegen das Norwalk-Virus schützen können (eine verbreitete Ursache für Durchfall), sowie Kartoffeln und Tomaten, die vielleicht gegen Hepatitis B helfen.

Regina Rabinovich, die das Programm beaufsichtigt, sieht optimistisch in die Zukunft: "Dieser erste Versuch ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Herstellung preisgünstiger Impfstoffe, die besonders nützlich bei der Immunisierung von Menschen in Entwicklungsländern sind. Dort können hohe Kosten und logistische Probleme – wie der Transport und die Notwendigkeit, bestimmte Impfstoffe zu kühlen – effektive Impfprogramme vereiteln. Es steht zu hoffen, daß eßbare Impfstoffe in vielen Entwicklungsländern angebaut werden können – dort, wo man sie auch braucht."

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