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News: Essenzielle Artenvielfalt

Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist der verheerende Effekt von verschwindenden Arten auf das Ökosystem bekannt. Ausschlaggebend scheint nicht nur die Anzahl der aussterbenden Tier- und Pflanzenarten zu sein, sondern auch, welcher Spezies das Überleben unmöglich gemacht wurde. Wie ein kompliziertes Kartenhaus bricht das empfindliche System zusammen, wenn ihm eine essenzielle Art entzogen wird.
Umweltverschmutzung, die Zerstörung des Lebensraums und die Einführung einer bislang fremden Art in ein Ökosystem gelten als Hauptverantwortliche für sein Zusammenbrechen, hervorgerufen durch Aussterben einzelner Spezies. Die meisten Studien offenbarten bislang einen "Sättigungseffekts", bei dem ein Ökosystem eine große Anzahl seiner beheimateten Spezies verlieren kann, bevor es den verbleibenden Tier- und Pflanzenarten Schaden zufügt. Das Ökosystem bricht somit erst zusammen, wenn es zu spät ist.

Für Amy Downing und Mathew Leibold von der University of Chicago war diese Sicht der Dinge zu einfach. "Wir wollten etwas mehr Realismus hinzufügen," erzählt Downing. "Denn unsere Welt besteht nicht nur aus Pflanzen." Vielmehr leben von den Pflanzen die Pflanzenfresser, und diese werden wiederum von Fleischfressern gefressen – ein kompliziertes Netz aus Futterspendern und Räubern, worin eine Art mit vielen anderen Arten interagiert. In diesem breiten Zusammenhang suchten die Forscher, welche Konsequenzen der Verlust einer Spezies für das ganze System mit sich bringt.

Die Ökologen konstruierten 84 abgeschottete Biohabitate aus Futtertröge, in denen sie Arten aus benachbarten natürlichen Teichen ansiedelten. Jedes künstliche geschaffene Ökosystem startete mit einer unterschiedlichen Mixtur aus Teichwasser, in dem sich Algen, Zooplankton und Bakterien tummelten. Auch bewurzelte Wasserpflanzen und Pflanzenfresser, wie Schnecken und Kaulquappen, ebenso wie fleischfressende Insekten bereicherten die Tröge, die sieben unterschiedliche Variationen mit niedriger, mittlerer und hoher artenreiche Umgebung beinhalteten.

Nach und nach entnahm das Forscherteam den Biotopen einzelne Tier- oder Pflanzenarten. Dabei reagierten die Futtertanks mit nur geringem Artenreichtum am empfindlichsten und zeigten die geringste Produktivität. Die Pflanzen absorbierten nicht so viel Sonnenlicht, wuchsen deshalb nicht so schnell, und die Tiere vermehrten sich im geringeren Maße. Alles verlangsamte sich. "Es ist wie ein Kartenhaus", sagt Downing. "Je mehr Stockwerke man baut, desto größer ist der Schaden, wenn man eine der unteren Karten herauszieht. Es hängt alles davon ab, wie kompliziert das Haus ist."

Ein sehr überraschendes Ergebnis ist dies selbst für Downing und Leibold nicht. Doch sollte es zum Nachdenken anregen, zieht der Verlust einer Art doch eine ganze Kaskade an Ereignissen hinter sich her, die meist gar nicht abzusehen sind. Ein Grund mehr, die bestehenden Ökosystem so gut wie möglich zu schützen.

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