Klimaschutz: EU-Länder wollen Emissionen bis 2040 um 90 Prozent reduzieren

Kurz vor der Weltklimakonferenz COP 30 in Brasilien haben sich die Umweltminister der EU-Mitgliedsstaaten auf ein Klimaziel für 2040 festgelegt. Sie wollen die Treibhausgasemissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Fünf Prozentpunkte davon sollen jedoch durch Deals mit dem außereuropäischen Ausland erkauft werden können. Zudem wird der Start des Emissionshandels für die Bereiche Verkehr und Gebäude um ein Jahr auf 2028 verschoben, da einige Länder Bedenken wegen steigender Benzin- und Heizkosten hatten. Die Minister hatten in teils chaotischen, mehr als 18 Stunden andauernden Beratungen um eine Einigung gerungen, über die nun noch mit dem Europaparlament verhandelt werden muss.
Nach Deutschland habe nun auch die EU ein verbindliches starkes Klimaziel für 2040, erklärte Bundesumweltminister Carsten Schneider von der SPD, der Deutschland bei den Verhandlungen vertrat. »Das ist ein wichtiger Fortschritt für das Klima und eine gute Nachricht für die deutsche Wirtschaft, weil es gleiche Wettbewerbsbedingungen gibt«, sagte er. Er nannte es ein gutes Ergebnis.
Den Klimaschutzplan muss die EU nun für die Weltklimakonferenz bei den Vereinten Nationen einreichen. Die Zeit drängt: Die Konferenz in Brasilien beginnt in wenigen Tagen. Zwei Fristen, im Februar und zuletzt im September, wurden schon gerissen, weil sich die Mitgliedsstaaten nicht einig geworden waren.
Klimaschutz abschwächen, um Wirtschaft zu entlasten?
Für 2030 und 2050 hat die EU bereits Klimaschutzziele – das für 2040 stand noch aus. Deshalb hatte die Europäische Kommission im Juli auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse vorgeschlagen, die Emissionen in den nächsten 15 Jahren um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Der Vorschlag entspricht in den wesentlichen Punkten den im Koalitionsvertrag festgehaltenen Klimaschutzzielen der schwarz-roten Bundesregierung.
Den Kommissionsvorschlag schwächten die Länder nun deutlich ab. Denn mit Blick auf wirtschaftliche Belastungen, ein angespanntes geopolitisches Umfeld und Probleme der Industrie regte sich in einigen EU-Staaten bis zuletzt Widerstand. Nun sollen laut Kompromiss unter anderem bis zu fünf Prozentpunkte durch Klimazertifikate aus dem Ausland erzielt werden können. Fünf Prozent hören sich zunächst nach wenig an, doch sie beziehen sich auf den Ausstoß von 1990. Sind die EU-Länder im Jahr 2040 bei zehn Prozent dieses Ausstoßes und haben fünf Prozentpunkte der 90-prozentigen Minderung durch Auslands-Deals erkauft, können sie dann deutlich mehr emittieren, als wenn sie keine Auslands-Deals gemacht hätten. Die EU-Kommission hatte im Juli lediglich drei Prozentpunkte vorgeschlagen, die im Ausland erkauft werden können, was Deutschland unterstützt hatte. Polen hatte zuvor gefordert, zehn Prozentpunkte der nötigen Senkung mit Auslandszertifikaten erfüllen zu können.
Bislang muss die EU ihre Klimaziele durch Treibhausgas-Minderungen auf eigenem Boden erreichen. Mit Klimazertifikaten aus Nicht-EU-Ländern sollen Treibhausgasemissionen, die in der EU entstehen, verrechnet werden können. So soll es etwa möglich sein, Emissionsgutschriften für Projekte der Kohlenstoffspeicherung oder -entnahme aus der Atmosphäre zu kaufen und zu den inländischen Reduktionen hinzuzuaddieren.
Bei der Nutzung von Auslandszertifikaten zur Kompensation befürchten Kritiker, dass Staaten im Globalen Süden ihre nationalen Klimaziele bewusst niedriger ansetzen, um sich Aufstockungen von den Europäern bezahlen zu lassen – oder dass Minderungen doppelt angerechnet werden könnten. Zudem sind viele Klimaschutzprojekte überbewertet und somit weitgehend nutzlos, wie eine Forschungsgruppe um den Umweltökonomen Benedict Probst vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb in einer Studie im Jahr 2024 festgestellt hat.
Ziel soll regelmäßig überprüft werden
Darüber hinaus soll die EU-Kommission alle zwei Jahre überprüfen, ob die EU sich in die richtige Richtung bewegt und ob das 2040er-Ziel mit Europas Wettbewerbsfähigkeit und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist. Wenn nötig, soll die Kommission auch neue Gesetzesvorschläge machen können. Sollten Kohlenstoffsenken wie Wälder oder Moore weniger zur Senkung der Emissionen beitragen als angenommen, soll das Ziel ebenfalls gesenkt werden können.
»Der Rat beschließt ein Ziel voller Revisionsklauseln, Senken-Ausreden und neuen Hintertüren. Weniger Klimaschutz für ein starkes Klimaziel, diese Gleichung geht nicht auf«Michael Bloss, Grünen-Politiker
Die EU-Länder wollen außerdem, dass fossile Brennstoffe erst ab 2028 und damit ein Jahr später als geplant in das Handelssystem mit Treibhausgas-Zertifikaten einbezogen werden. Beim sogenannten Emissionshandel müssen Unternehmen entsprechende Rechte zum Ausstoß von Treibhausgasen nachweisen. Eigentlich sollten ab 2027 auch Brennstoffe einbezogen werden, was besonders den Verkehrs- und Gebäudebereich betrifft.
Das EU-Parlament muss sich noch zum Kommissionsvorschlag positionieren. Einen Zeitplan dafür gibt es derzeit nicht. Im Anschluss müssen die Staaten und die Parlamentarier verhandeln, bevor das Ziel in Kraft treten kann. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss monierte, die Ministerinnen und Minister betrieben politischen Selbstbetrug statt Klimaschutz. »Der Rat beschließt ein Ziel voller Revisionsklauseln, Senken-Ausreden und neuen Hintertüren«, sagte Bloss. »Weniger Klimaschutz für ein starkes Klimaziel, diese Gleichung geht nicht auf.« (dpa/kmh)
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