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Klimawandel: Europa im Fadenkreuz der Hurrikane

Zwei Jahre hintereinander verursachten ehemalige tropische Wirbelstürme auch in Europa schwere Schäden und Todesopfer. Das ist wohl Teil eines Besorgnis erregenden Trends.
Der Leuchtturm von Felgueiras in Porto überblickt den Nordostatlantik.

Die Wirbelsturmsaison 2018 hat es mal wieder in sich: Gleich zwei zerstörerische Hurrikane trafen den Südosten der USA – und auch Europa erwischte es. Am 14. Oktober brachten die Überreste des Sturms Leslie in Nord- und Zentralportugal Windgeschwindigkeiten von über 100 Stundenkilometern und in Spanien und Frankreich heftige Regenfälle. Mehrere Menschen starben. Leslie ist, darauf deutet viel hin, ein Vorgeschmack auf eine Zukunft, in der auch Westeuropa so etwas wie eine Hurrikansaison bekommt. Denn die Auswirkungen der starken Stürme der Tropen reichen immer weiter nach Norden.

Belege für diesen Trend präsentiert nun eine internationale Arbeitsgruppe um Jan Altman von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, allerdings aus dem westlichen Pazifik. Diese Meeresregion hat die meisten und tendenziell auch die stärksten tropischen Zyklone; wie Altman und sein Team nun in »PNAS« berichten, treffen diese Taifune bereits seit den 1920er Jahren immer weiter nördlich auf Land. Das entnehmen die Fachleute einer Datenbank von Baumringen, die ein geografisches Gebiet von Südkorea bis zur russischen Ostküste überspannt.

Anhand der Wachstumsmuster der Urwaldbäume bestimmte Altmans Team, wie häufig Bäume einer Region durch die starken Winde eines tropischen Zyklons beschädigt wurden. Die Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass speziell am nördlichen Rand des Hurrikangebiets – auf der geografischen Breite von Bordeaux – die tropischen Wirbelstürme in den letzten 100 Jahren immer häufiger merkliche Waldschäden anrichteten, ganz analog zum aktuellen Sturm Leslie.

Die Autoren legen nahe, dass ein ähnlicher Trend auch im Atlantikraum zu entdecken ist. Ursache des Trends im Pazifik sei nämlich ein globales Phänomen: Bereits vor einem Jahrzehnt stellten Fachleute fest, dass sich die Tropen nach Norden und Süden ausdehnen – und damit auch jene Regionen, in denen das Wasser warm genug ist, um tropische Wirbelstürme mit Energie zu versorgen.

Die Tropen rücken uns auf die Pelle

Dass die Überreste von Hurrikanen europäische Küsten treffen, ist schon heute keineswegs ungewöhnlich. Ein Teil der vor der westafrikanischen Küste entstehenden Stürme trifft nicht auf die Küsten der westlichen Hemisphäre, sondern dreht nach Norden ab – und wird dann von der Westwinddrift der mittleren Breiten gegen die Küsten Großbritanniens und Portugals getrieben. Ein Beispiel war der Sturm Ophelia, der im Oktober 2017 weiter nördlich als jeder andere Sturm zuvor zu einem Hurrikan der Kategorie 2 wurde und anschließend Irland mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 190 Stundenkilometern traf.

Ophelia war allerdings ungewöhnlich; normalerweise sind die Hurrikane an den Küsten Europas nur noch Schatten ihrer selbst. Der Grund ist ein ganz einfacher: Europa hat einen Schutzschild aus kaltem Wasser – der jedem Hurrikan einen erheblichen Teil seiner Kraft entzieht, bevor er sich den Küsten der gemäßigten Breiten nähert. Tropische Wirbelstürme brauchen Badewannentemperatur unter sich: Wärme und Verdunstung pumpen die Stürme mit Feuchtigkeit und potenzieller Energie voll und treiben sie auf diese Weise an.

Wirbelstürme, die über das kühlere Wasser der gemäßigten Breiten geraten, haben diese Energiequelle nicht mehr, und die intensiven Winde im Zentrum brechen zusammen. Das gilt im Nordatlantik ebenso wie im Westpazifik, wo Altmans Gruppe forschte. Die sich ausdehnenden Tropen und das warme Wasser, das sie bringen, lassen den Schutzschild schrumpfen – und das anscheinend schon seit 100 Jahren, wie Asiens Bäume zeigen.

Zusätzlich zur nordwärtsgerichteten Migration der Klimazonen werden die Meere auch insgesamt wärmer, und außergewöhnliche ozeanische Hitzewellen nehmen an Häufigkeit zu – wovon Hurrikane profitieren. Und in Zukunft werde der Trend wohl weitergehen, mutmaßt nicht nur diese Forschungsgruppe: Ein Team vom Königlich-Niederländischen Meteorologischen Institut sagte bereits 2013 ein deutlich höheres Risiko von Stürmen in Hurrikanstärke voraus. Besonders in jenen Regionen, die bisher lediglich die zerfallenden Reste tropischer Wirbelstürme erlebten, dürfte die Bedrohung durch die extrem energiereichen Stürme steigen.

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