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EU-Budget: Europa stutzt die Forschungspläne

In den nächsten Jahren soll Europa zu einem globalen Leuchtturm der Innovation werden. Doch der Weg dahin soll mit weniger Geld geebnet werden.
Forscher im Labor

Die ambitionierten Visionen für den kommenden europäischen Forschungshaushalt haben sich etwas eingetrübt: Letzte Woche beschlossen die Staatsoberhäupter der 27 EU-Mitgliedsstaaten am Ende eines langen und erbittert umkämpften Treffens, dass der Gesamtetat für die Jahre 2014 bis 2020 gestutzt werden soll. Die Übereinkunft kürzt den Budgetansatz, der von der Europäischen Kommission im November 2011 für Horizont 2020, (das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union) vorgeschlagen wurde, um 13 Prozent auf knapp 70 Milliarden Euro. Das bedeutet, dass es im ersten Jahr des neuen Programms weniger Geld für die Wissenschaft gibt als im letzten Jahr des alten Budgets.

"So wie es momentan aussieht, nach all den Argumenten, die für die Förderung der Forschung zur Diskussion gebracht wurden, enttäuscht das Ergebnis", sagt Helga Nowotny, die Vorsitzende des Europäischen Forschungsrats (ERC). So kürzten Europas Regierende auch die Gelder für spezifische wissenschaftliche Projekte wie das europäische Satellitennavigationssystem Galileo. Andererseits ermunterten sie aber auch arme Regionen und Länder dazu, mehr der ihnen zugewiesenen Subventionen zur Förderung der Wissenschaft auszugeben. Ein Sprecher der Kommission weist zudem darauf hin, dass selbst das reduzierte Budget von Horizont 2020 einen deutlichen Anstieg der Fördergelder bedeute – verglichen mit den 55 Milliarden Euro, die zwischen 2007 und 2013 für Forschung und Wissenschaft vorgesehen waren.

Mehr erhofft

Der hochrenommierte ERC hatte sich aber eine noch größere Steigerung erhofft. Der Rat wurde 2007 ins Leben gerufen und gewährt große Zuschüsse für Projekte mit wissenschaftlicher Höchstleistung. Nun hatten seine Mitglieder gehofft, dass sie einen Anteil von 13 Milliarden Euro aus dem Horizont-2020-Topf bekommen, damit sie mehr Anträge bewilligen können: Bislang haben nur zwölf Prozent aller eingereichten Vorschläge Erfolg. Bislang hat sich der Rat noch nicht im Detail dazu geäußert, wie sich das Geld auf die verschiedenen Forschungsprogramme von Horizont 2020 verteilen soll.

Als Nächstes muss nun das Europaparlament dem Budget zustimmen, was in den nächsten drei Monaten geschehen soll. Ursprünglich hatte das Parlament ein mächtiges Budget im Umfang von 100 Milliarden Euro für das Rahmenprogramm "Forschung und Innovation" verlangt. Einige prominente Abgeordnete wie der CDU-Abgeordnete Christian Ehler aus Brandenburg – Berichterstatter von Horizont 2020 – haben bereits dafür gestimmt, um mehr Geld zu kämpfen. Laut Beobachtern, die die Verhandlungen hinter den Kulissen zwischen Kommission, Rat und Parlament während der letzten Monate verfolgt haben, deutet wenig daraufhin, dass das Parlament seinen Willen bekommt.

Der Vorschlag des Rats, dass mehr Kohäsionsfonds der EU – die bislang eingesetzt wurden, um die Wettbewerbsfähigkeit armer Regionen durch verbesserte Infrastruktur zu stärken – für Forschungszwecke umgewidmet werden, kann sogar schon auf Präzedenzfälle zurückgreifen. Letztes Jahr bewilligte Griechenland dem Molekularbiologen George Kollias vom Biomedizinischen Wissenschaftszentrum Alexander Fleming bei Athen 3,7 Millionen Euro aus dem Kohäsionsfonds. Er wird das Geld nutzen, um einen griechischen "Knoten" im Rahmen des Infrafrontier Project zur Phenotypisierung, Archivierung und Verteilung von Mausmodellen in Europa auszustatten und zu betreiben. "Es wird allen griechischen Forschern einen leichteren Zugang zu Hightech-Genwerkzeugen gewähren", hofft er.

Der ERC hat zudem genaue Budgetvorschläge für drei große wissenschaftliche Infrastrukturprogramme außerhalb von Horizont 2020 aufgelistet: Er schlägt vor, den Etat der Kommission für Galileo um zehn Prozent und für die Erdbeobachtungssatelliten im Rahmen des so genannten GMES-Projekts sogar um ein Drittel zu kürzen. Dagegen sollte der Kernfusionsreaktor ITER 2,7 Milliarden Euro erhalten, den die Kommission eigentlich nicht bezuschussen wollte. "Wir alle müssen die endgültigen Fakten und Übereinkünfte abwarten", sagt Nowotny: "Die Diskussion ist aber noch nicht beendet."

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