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Evolution: Super-Eiszeit ermöglichte biologische Vielfalt

Die Vorfahren von Pflanzen und Tieren bildeten eine Milliarde Jahre lang nur wenig neue Formen. Doch dann schlug eine globale Katastrophe zu – und entfesselte die Evolution.
Leben im Meer zur Zeit des Ediacariums
Gewinner der Katastrophe. Nach einer globalen Super-Eiszeit evolvierten immer mehr vielzellige Organismen. Die Ediacara-Fauna ist ein frühes Ergebnis dieses Vorgangs.

Einfache Einzeller wie Bakterien mögen die erfolgreichsten Lebewesen der Erde sein, doch die größte Formenvielfalt bieten unsere eigenen Verwandten: die Eukaryoten, Lebewesen mit Zellkern, die als einzige vielzellige Organismen hervorbrachten. Von Vögeln, die fast ihr ganzes Leben in der Luft verbringen, über jahrtausendealte Klonkolonien bis hin zu den konkurrenzlosen Megabauwerken der riffbildenden Korallen. Diesen unüberschaubaren Reichtum an Formen verdanken wir vor allem einer Super-Eiszeit. Zu diesem Schluss jedenfalls kommt eine Arbeitsgruppe um Qing Tang von der Universität Nanjing nach einer umfassenden Analyse der Evolution unserer ältesten Vorfahren. Wie das Team in der Fachzeitschrift »Science« berichtet, veränderte sich die Evolution der Vielzeller nach der Vereisungsepoche des Cryogeniums vor rund 650 Millionen Jahren dramatisch – von gemächlich und stabil zu sprunghaft und radikal.

Vielzellige Lebensformen gibt es wohl schon seit rund 1,8 Milliarden Jahren. Doch den größten Teil dieser Zeit machten sie nicht allzu viel. Es entstanden zwar immer mal wieder neue Formen, aber ihre Vielfalt, gemessen an der Zahl der Arten und Familien, blieb rund eine Milliarde Jahre lang konstant und relativ niedrig. Bis eine unvorstellbare globale Katastrophe zuschlug: Schneeball Erde. So nennt man eine Periode vor rund 720 Millionen Jahren, in der nahezu die gesamte Erde einfror. 70 Millionen Jahre lang bedeckten Eispanzer die Kontinente der Erde, die Ozeane froren fast komplett zu. Für große Teile des irdischen Lebens war es eine Apokalypse. Für die einfachen vielzelligen Lebewesen allerdings, von denen auch wir abstammen, erwies sich das extreme Klima als Glücksfall.

Denn mit der globalen Krise endete die evolutionäre Trägheit. Die Diversität und die Rate, mit der neue Arten entstanden, stiegen drastisch an. Den Anfang machten die einzelligen Eukaryoten, deren Artenzahl sich sprunghaft verdreifachte – und nach einer weiteren Eiszeit vor 580 Millionen Jahren kollabierte. Doch diese Vereisung schließlich war der Startschuss für die ersten Tiere. Den Anfang machten die bis heute mysteriösen Kreaturen der Ediacara-Fauna. Immer wieder entstanden in radikalen Schüben neue Arten, verschwanden in ebenso dramatischen Episoden dutzendfach wieder und machten den Weg frei für neue Episoden evolutionärer Kreativität. Die Evolution der Vielzeller, eine Milliarde Jahre lang unspektakulär, war zu einer Achterbahnfahrt des Lebens geworden. Sie gipfelte vor 520 Millionen Jahren in einem weiteren beispiellosen Schub der Artbildung – kambrische Explosion genannt. Damals tauchten erstmals die Vorläufer unserer heutigen Tiergruppen auf.

  • Quellen
Science 10.1126/science.adm9137, 2024

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