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Evolution: Spinnen, die ihre Augen verlieren

In der Finsternis von Höhlen werden Augen verzichtbar. In Israel haben Forscher dort sieben Spinnenarten neu entdeckt, die auf dem Weg zur Blindheit sind.
Trichterspinne in ihrem Netz
Diese Trichterspinne mit Namen Tegenaria pagana war der Wissenschaft bereits bekannt. Verwandte Arten wurden nun neu beschrieben.

Höhlen gehören zu den am schlechtesten erforschten Landökosystemen der Erde; in ihrem Inneren verbergen sich wahrhaftig noch viele unbekannte Arten. Gleich sieben davon beschreiben Shlomi Aharon von der Hebräischen Universität Jerusalem und sein Team in »Molecular Phylogenetics and Evolution«: Trichterspinnen der Gattung Tegenaria, zu der auch unsere Hauswinkelspinne zählt. Einige der neu katalogisierten Arten sind gerade dabei, ihre Sehkraft zu verlieren, oder sind bereits erblindet.

Insgesamt stieß die Arbeitsgruppe auf dutzende Trichterspinnenarten in verschiedenen Höhlen Galiläas und des Ofra-Karstgebietes in Israel. 14 waren Troglobionten, also Tiere, die ausschließlich im dunklen Inneren der Höhlen leben – die Hälfte davon war zuvor unbekannt und zwei hatten bereits vollständig ihren Sehsinn verloren: Sie können außerhalb der Höhlen nicht mehr überleben.

Die enge Gebundenheit an das jeweilige Ökosystem verhindert jedoch den Austausch zwischen einzelnen Beständen, was die Neubildung von Arten anstößt und erleichtert. Genetische Untersuchungen zeigten, dass alle Spezies wohl auf eine einzige Tegenaria-Art zurückgehen, die hier vor mehr als fünf Millionen Jahren lebte. Sie kam auch an und in den Höhlen vor, wobei ihre Nachkommen mit der Zeit den Sehsinn verloren, während sie sich an das Leben in der Dunkelheit anpassten: Der Sehsinn erfordert viele körperliche Ressourcen, die in der Finsternis verschwenderisch sind. Diese Anpassung geschah jeweils in den verschiedenen Höhlensystemen durch konvergente Evolution. Mangels genetischen Austauschs entwickelten sich die Arten dabei unabhängig voneinander weiter; der gemeinsame Vorfahr starb nach Ansicht der Forscher vor fünf Millionen Jahren aus, als mit Beginn des Pliozäns die Meeresspiegel stiegen.

»Eines der überraschenden Ergebnisse der Studie war, dass die neuen Arten evolutionär näher an Spezies aus Höhlen in mediterranen Gebieten in Südeuropa liegen als an Arten, die in Israel in ihrer unmittelbaren Nähe an den Höhleneingängen leben«, sagt der an der Studie beteiligte Efrat Gavish-Regev. Die Spinnen ernähren sich von Insekten, die sich in die Höhleneingänge verirren, oder von anderen troglobionten Wirbellosen, die sich mit ihnen diesen speziellen Lebensraum teilen.

Bislang gilt der westliche Balkan als Zentrum der Höhlenartenvielfalt. Hier hat man bereits 400 spezialisierte Arten entdeckt. Allerdings gehören die Karsthöhlen Sloweniens und Kroatiens zu den am besten erforschten Höhlenökosystemen der Erde. Viele andere Regionen etwa auf Borneo oder in Mexiko wurden hingegen nur selten untersucht.

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