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Evolution: Wann aus einer Art zwei werden

Wie groß müssen die Unterschiede im Genom werden, damit man sicher von zwei Arten sprechen kann? Die Grauzone ist überraschend groß.
Afrikanischer Elefant

Um bis zu etwa zwei Prozent müssen sich Lebewesen genetisch voneinander unterscheiden, damit sie eindeutig zu klar abzugrenzenden Arten gehören. Zu diesem Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe um Camille Roux von der Université de Montpellier anhand der Genome von insgesamt 61 Populationen, die sich mehr oder weniger stark in zwei getrennte Gruppen aufgeteilt hatten. Roux und ihr Team untersuchten, wie gut die beiden Untergruppen sich untereinander paaren und Gene austauschen können und wie das von der Diversität der Genome abhängt. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass die Grauzone der Artbildung sich über einen recht großen Bereich erstreckt: Mensch und Schimpanse unterscheiden sich – in homologen Sequenzen – in etwas mehr als einem Prozent ihres Genoms. Bei anderen Lebewesen ist bei dieser Differenz die Trennung zwischen Arten noch nicht abgeschlossen.

Ob es sich bei zwei Gruppen von Lebewesen um verschiedene Arten oder nur Unterpopulationen einer Art handelt, ist oft umstritten. Auch der Prozess ihrer Trennung wird gern als biologisches Paradox gesehen: Graduell entstehen am Ende zwei klar eigenständige Arten. Tatsächlich allerdings ist die Aufspaltung in zwei Populationen keine geradlinige Angelegenheit, und es gibt eine große Grauzone, in der sich die Gruppen noch untereinander paaren können. Ob tatsächlich zwei eigene Arten entstehen, darüber entscheidet eine Zufallsmischung aus Selektion, genetischer Drift und ökologischen Faktoren wie sexuelle Auslese.

Je größer die Unterschiede im Erbgut zwischen zwei Gruppen werden, desto mehr Teile des Genoms sind quasi geblockt. Sie können also nicht mehr ohne Schaden gegen das entsprechende Erbgut der anderen Population ausgetauscht werden – Hybride werden unfruchtbar oder immer weniger lebensfähig. Die Größe dieser Grauzone genetischer Divergenz, in der sich dieser Vorgang abspielt, versuchten Roux und ihr Team nun in 61 Tiergruppen von Mücken bis Elefanten genauer zu bestimmen. Nach Ansicht der Forscherin ist der von ihnen ermittelte Bereich von etwa einem halben bis zwei Prozent universal und nicht abhängig von den genauen Bedingungen.

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