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News: Evolutionäre Zeitreise

Wer würde nicht gerne einen Blick auf den Menschen der Zukunft werfen, die nächsten Schritte der Evolution voraussagen? Was beim Menschen noch völlig abwegig ist, gelingt bei Bakterien: Anhand eines Labormodells können recht genaue Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Mikroorganismen getroffen werden. Hilfreich wäre dieses Wissen im Antibiotika-Kampf gegen die Winzlinge, um die Ausbildung möglicher Resistenzen gleich im Keim zu ersticken.
Ist es schon schwierig genug, die Schritte der Evolution im Nachhinein gründlich zu verfolgen und offenzulegen, so scheint der Gedanke an einen Blick in die Zukunft recht wagemutig. Und zeitaufwändig – geht der Entwicklungsprozess normalerweise doch ziemlich langsam voran, weshalb seine Beobachtung viel Geduld erfordert. So ändert sich das Genom durch winzige Schritte, wovon die wenigsten Veränderungen vorteilhaft sind, manchmal sind sie allenfalls sinnlos. Selten aber ist eine der Millionen Abweichungen zur richtigen Zeit am richtigen Ort und manifestiert sich.

Welche Schritte ein Bakterium bei der Entwicklung einer Antibiotika-Resistenz zu gehen hat, wollte Barry Hall von der University of Rochester und seine Kollegen verfolgen. Auch sie störte es schon lange, im Antibiotika-Kampf von den Mikroben immer aufs Neue eingeholt zu werden. Wieviel besser wäre es, wenn man die bakterielle Evolution vorhersagen und ihnen so den Weg abschneiden könnte, dachten sich die Forscher. So wählten sie eine Alternative zur herkömmlichen Erforschung von Evolutionsschritten.

Der übliche Weg ist, den Bakterien einen Nährstoff aus dem Medium zu entziehen und zu schauen, wer die Hungerkatastrophe überlebt. Die Forscher gingen nun aber einen anderen Weg: Sie fügten gezielt kleine Veränderungen in ein bestimmtes Gen ein – und die Zahl der möglichen Änderungen durch Mutationen ist schier grenzenlos. "Man kann eine Menge Mutationen im Labor einführen", erläutert Hall. "In der Tat kann man Millionen Kopien dieses Gens nehmen und jedem eine andere Mutation geben." Nachdem die veränderten Gene zurück in die Zellen gelangt sind, zeigt sich, welche sich fürs Überleben ohne den Nährstoff eignen.

Doch entsprechen die im Labor zu beobachtenden Veränderungen auch denen in natürlicher Umgebung? Um sein Modell zu überprüfen, mutierten Hall und seine Kollegen gezielt ein seit vierzig Jahren bekanntes Antibiotika-Resistenzgen, dessen evolutionäre Vergangenheit gut bekannt ist. Die im Labor erzielten Ergebnisse stimmten weitgehend mit der natürlichen Entwicklung des Resistenzgens TEM1 überein. Besonderen Grund zur Freude wird das bewährte Modell den Pharmaunternehmen entlocken. Denn eins wird sich damit hoffentlich erreichen lassen: Im Voraus zu wissen, wohin sich das Bakterium entwickeln wird und ihm so gar keine Chance zu lassen, antibakteriellen Widerstand aufkommen zu lassen.

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