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Roter Planet: ExoMars verzögert sich um zwei Jahre

Der Start von Europas Marsrover Rosalind Franklin und Landemodul Kasatschok ist auf das Jahr 2022 verschoben. Diverse technische Probleme sind der Grund, zerreißende Fallschirme etwa.
Die Mission ExoMars 2020, nun 2022 (Küntlerische Darstellung)

Die Mission ExoMars 2020 verzögert sich erneut. Der Start ist nun für Herbst 2022 geplant. Das gab der Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, Jan Wörner, während einer Pressekonferenz am Mittag des 12. März 2020 bekannt. ExoMars 2020 besteht aus einer Landeeinheit namens Kasatschok, der von der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos bereitgestellt wird, und dem Marsrover Rosalind Franklin, der in Europa entwickelt und gebaut wurde. Dabei soll Kasatschok den Rover auf die Marsoberfläche transportieren, der sich dann auf die Erkundung der Umgebung des Landeplatzes in der Region Oxia Planum auf der Nordhalbkugel des Roten Planeten machen soll.

Die Gründe für die Verschiebung sind technischer Natur. Besonders gravierend sind die Probleme beim komplexen Fallschirmsystem zur Abbremsung in der dünnen Marsatmosphäre. Bei mehreren Tests in der irdischen Hochatmosphäre waren in der Vergangenheit die Fallschirme zerrissen, so dass sich die ESA schließlich Hilfe suchend an das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA wandte. Denn dieses hat umfangreiche Erfahrungen mit erfolgreichen Landungen auf dem Roten Planeten. Mit Hilfe des JPL konnten die Fallschirme nun erfolgreich erprobt werden. Noch in diesem Monat soll es zu weiteren Testabwürfen einer Lander-Attrappe mit Fallschirmen im US-Bundesstaat Oregon kommen.

Die Fallschirme der europäischen Marslandesonde ExoMars 2020 | Insgesamt vier Fallschirme setzt Europas Marslandesonde ExoMars 2020, (nun 2022) für das Abbremsen bei der Landung auf dem Roten Planeten ein: Zunächst wird ein Pilotfallschirm durch ein pyrotechnisches Mörsersystem ausgeworfen und zieht den ersten, 15 Meter großen Hauptfallschirm aus seinem Behälter. Er bremst die Sonde ein ganzes Stück ab, wird abgeworfen, und ein weiterer Mörser wirft erneut einen Pilotfallschirm aus. Er zieht den zweiten, 35 Meter großen Hauptfallschirm heraus, der die Sonde weiter abbremst. Bei Tests dieses komplexen Systems in der Erdatmosphäre im Mai und August 2019 zerrissen beide Hauptfallschirme. Ein echter Lander wäre auf dem Mars zerschellt.

Weitere Probleme gibt es bei vier Elektronikeinheiten des Landemoduls, die zwecks Reparatur zu ihren Herstellern geschickt werden mussten. Das führt zu weiteren Verzögerungen. Bis zum Startfenster im Juli 2020 – nur dann können Raumsonden in diesem Jahr zum Mars geschickt werden – sind es bloß noch drei Monate, der Rückstand lässt sich also nicht mehr aufholen. Zu allem Übel ist auch die Software, welche die Sonde bei ihrem Flug zum Mars und bei der Landung kontrolliert, noch nicht völlig fertig und ausreichend erprobt, weshalb sich die ESA und Roskosmos nun zähneknirschend auf eine Verschiebung um 26 Monate einigten. Denn erst dann öffnet sich das nächste Startfenster zum Mars. Abheben soll die Sonde nun im September 2022. Allerdings steht das genaue Startdatum noch nicht fest.

Diese Mission sollte eigentlich schon im Jahr 2018 abheben, aber auch damals machten technische Probleme, seinerzeit bei den wissenschaftlichen Instrumenten, den Start unmöglich. Somit sind Kasatschok und Rosalind Franklin nun bereits vier Jahre im Verzug.

Der ExoMars-Rover | Die Mission ExoMars 2020, nun 2022, soll einen Rover der ESA (im Vordergrund) und eine stationäre Forschungsplattform der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos (im Hintergrund) auf den Mars bringen.

Das Ziel von ExoMars 2020 ist es, in der Marsregion Oxia Planum nach Spuren von Leben zu suchen, das möglicherweise auf dem Mars existierte. Dazu ist der Rover Rosalind Franklin mit einem automatischen Bohrsystem ausgerüstet, das bis in eine Tiefe von zwei Metern in den Marsboden eindringen und Proben entnehmen kann. Dort befinden sich Gesteinsschichten, die vor der energiereichen kosmischen Strahlung und der Sonne geschützt sind. So könnten sich an diesem Ort organische Stoffe erhalten haben, die vielleicht auf ehemaliges Leben zurückgehen. Der Strahlungsbeschuss unmittelbar auf der Marsoberfläche zerstört hingegen organische Stoffe in kürzester Zeit. Sowohl die Landeplattform Kasatschok als auch Rosalind Franklin sind mit einer Vielzahl weiterer Instrumente ausgerüstet, die Auskunft über die Bedingungen in Oxia Planum liefern sollen.

ExoMars 2020 hat jedoch eine noch längere und wechselvolle Geschichte hinter sich, weil ursprünglich die ESA ihre Pläne in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der NASA verwirklichen wollte. Dabei sollte der so genannte »Sky Crane« – der im Jahr 2012 erfolgreich den schweren Rover Curiosity auf dem Roten Planeten absetzte – zum Einsatz kommen und auch den europäischen Rover absetzen. Allerdings strich der damalige US-Präsident Barack Obama der NASA die Finanzmittel dafür, so dass die Kooperation platzte. In ihrer Not, das Programm doch noch zu retten, wandte sich die ESA schließlich an die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos, wo man sich dann bald handelseinig wurde. Dabei stellt Russland die Trägerrakete und die Landeplattform und darf sich dafür an den Untersuchungen mit dem ESA-Rover beteiligen.

Das war ein mutiger Schritt für die ESA, denn in der langen Geschichte der sowjetischen beziehungsweise russischen Raumfahrt gelang es nie, eine erfolgreiche Raumsonde auf den Roten Planeten zu transportieren. Die Sonden zerschellten entweder oder fielen nach wenigen Sekunden aus. Nun bleibt zu hoffen, dass die erneute Verschiebung dazu beiträgt, sowohl Europa als auch Russland eine erste erfolgreiche Marslandung zu bescheren.

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