Jugend forscht: Exoplaneten selbst entdecken

Exoplaneten sind Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, sie umkreisen also einen anderen Stern. Im Jahr 1995 wurde das erste Exemplar um einen sonnenähnlichen Stern nachgewiesen: der Gasriese 51 Pegasi b, der zusammen mit seinem Wirtsstern etwa 50 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Pegasus liegt. Seitdem starteten einige spezialisierte Missionen, mit denen man ausschließlich nach Exoplaneten Ausschau hält. So wird mit dem im Jahr 2018 gestarteten Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS) der NASA der Himmel nach Sternen durchsucht, deren Helligkeit sich regelmäßig abschwächt, was auf einen vorüberziehenden Planeten hindeuten kann. Bis zum Sommer 2025 ließen sich allein mit TESS mehr als 7600 Kandidaten ausmachen und davon ungefähr 620 Exoplaneten sicher identifizieren.
Die Projektidee
Das ist lediglich ein Teil der rund 6000 bestätigten Exoplaneten. Schätzungen auf Grundlage von Beobachtungen legen nahe, dass um jeden Stern in unserem Milchstraßensystem mindestens ein Exoplanet existieren sollte. Ihre wahre Anzahl liegt damit allein in unserer Galaxis wahrscheinlich im Bereich von mehreren hundert Milliarden. Ihr Nachweis ist auch heute noch anspruchsvoll, weil sie im Vergleich zu Sternen leuchtschwach und massearm sind.
Welche Art von Daten benötigt man, um einen Exoplaneten zweifelsfrei nachzuweisen? Wie wertet man diese aus, und was lässt sich über die Eigenschaften des Planeten in Erfahrung bringen? Mit Hilfe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP), die bei Fragen zum Auswerten der Daten und der Anwendung von astronomischer Software zur Verfügung standen, konnte dies durch das mit dem ersten Preis ausgezeichnete Projekt für »Jugend forscht« realisiert werden: in eigener Arbeit einen bisher unbekannten Exoplaneten entdecken und näher charakterisieren.
Zwei erfolgreiche Methoden
Es gibt mehrere Möglichkeiten, Begleiter um andere Sterne aufzuspüren. Allen ist gemein, dass sie hochpräzise Messungen erfordern, häufig über möglichst lange Zeiträume. In dieser Arbeit haben wir die zwei am häufigsten genutzten Verfahren verwendet: die Transit- und die Radialgeschwindigkeitsmethode (siehe »Planeten nachweisen«).
Planeten nachweisen
Die beiden erfolgreichsten Verfahren zum Aufspüren von Exoplaneten sind die Transitmethode (oben) und die Radialgeschwindigkeitsmethode (unten). Bei der Transitmethode wird nach einer regelmäßigen Abdunkelung des Sternenlichts durch einen Planeten gesucht, wenn dieser auf seiner Umlaufbahn vor der Scheibe des Sterns vorbeizieht und einen Teil von ihr verdeckt. Der Abfall der Helligkeit ist jedoch sehr gering: Wenn ein Beobachter in einem fernen Sternsystem sehen könnte, wie Jupiter auf seiner Bahn vor der Sonnenscheibe vorüberzieht, würde er eine Abdunkelung von zirka einem Prozent erkennen.
Mit der Radialgeschwindigkeitsmethode wird geprüft, ob ein Stern eine Taumelbewegung zeigt, die durch die Schwerkraftwirkung eines Planeten verursacht wird. Falls ein Planet vorhanden ist und der Stern um den gemeinsamen Schwerpunkt kreist, ändert sich die Wellenlänge der ausgesendeten Strahlung regelmäßig: Sie erscheint bei kürzeren Wellenlängen (blauverschoben), wenn sich der Stern auf uns zubewegt, und rotverschoben, wenn er sich von uns entfernt. Das wird in hochaufgelösten Spektren offenbart. Je höher die Verschiebung ins Blaue und Rote, desto höher ist die Radialgeschwindigkeit des Sterns – also seine Bewegung zum Sonnensystem hin oder von ihm weg. Über längere Zeiträume zeigt sich ein periodisches Schwanken im Rhythmus des Umlaufs des Sterns. Im Fall eines kreisförmigen Orbits ergibt sich eine Sinuskurve.
Mit Hilfe der Transitmethode, die auch bei TESS zum Einsatz kommt, wurden bis dato rund 4400 Exoplaneten entdeckt. Das entspricht 75 Prozent der bestätigten Exemplare. Dabei wird der Planet selbst nicht direkt beobachtet, sondern indirekt durch Bedeckungsereignisse nachgewiesen. Ein Transit oder Durchgang erfolgt, wenn das Objekt zwischen dem hellen Zentralstern und dem Beobachter auf der Erde vorbeizieht.
Das andere erfolgreiche Verfahren ist die Radialgeschwindigkeitsmethode, mit der man bisher zirka 1100 Exoplaneten aufspüren konnte. Das Objekt und der Stern kreisen um den gemeinsamen Massenschwerpunkt des Systems, was ein minimales, regelmäßiges Taumeln des Sterns verursacht. Dieses Taumeln zeigt sich in periodischen Schwankungen der messbaren Radialgeschwindigkeit.
Glücklicher Zufall
Die Transitmethode funktioniert ausschließlich in Sternsystemen, bei denen wir von der Erde aus fast genau auf die Kante der Bahnebenen der Exoplaneten schauen. Nur dann ziehen diese vor der Scheibe ihres Zentralsterns vorbei. Aus dem zeitlichen Verlauf der Verdunkelung lässt sich unter anderem der Radius des Planeten ableiten. Solche Systeme bieten sich ebenfalls für Messungen der Radialgeschwindigkeit an: Aus der Amplitude ihrer regelmäßigen Schwankung kann man auf die Masse des Planeten schließen. Das Ergebnis der Rechnung ist umso genauer, je besser man die Neigung der Umlaufbahn relativ zur Erde kennt. In exakter Kantenlage beträgt diese genau 90 Grad.
Zusammengenommen ermöglichen beide Methoden damit das Bestimmen der mittleren Dichte des Exoplaneten. Das ist eine wichtige Größe, mit der Forschende genauere Aussagen über die Beschaffenheit der fernen Welt treffen können. Ob ein System die notwendige Kantenlage hat, ist rein zufällig.
Kandidatensuche
Um einen neuen Exoplaneten zu entdecken, muss man zunächst nach geeigneten Sternsystemen suchen. Die öffentlich zugängliche Tabelle »TESS Objects of Interest« (TOI) enthält Kandidaten, die automatisiert von einem Algorithmus als interessant markiert wurden, weil ihre Lichtkurven eventuell Transits enthalten. Bei der Auswahl für unser Projekt gab es zusätzliche Kriterien, damit wir eigenständig Nachbeobachtungen mit dem robotischen Observatorium STELLar Activity (STELLA) auf Teneriffa durchführen können:
- Der Stern sollte noch keine bekannten Begleiter haben. Das ist zwar nicht zentral für das Beobachten an sich, war aber Teil der Zielsetzung des Projekts.
- Das System muss von Teneriffa aus beobachtbar sein, also nachts geeignete Höhen über dem Horizont erreichen.
- Der Stern muss eine Helligkeit von mindestens 8 mag haben, damit die Beobachtungszeiten mit dem STELLA Échelle Spektrograph (SES) vertretbar bleiben.
Nach dieser Vorauswahl standen rund 150 potenziell beobachtbare TOIs aus der gesamten Liste als Kandidaten zur Wahl. Der nächste Schritt bestand darin, alle Lichtkurven manuell auf Transits zu untersuchen. Häufig kommt es durch den automatischen Algorithmus zu einer falsch-positiven Bewertung der Lichtkurve, weil das Hintergrundrauschen als ein Planetensignal fehlinterpretiert wird. Nach unserer eigenhändigen Auswertung blieben nur wenige Kandidaten übrig, unter ihnen das 850 Lichtjahre entfernte System um den sonnenähnlichen Stern TOI-1147 im Sternbild Drache (lateinisch: Draco). Seine Lichtkurven enthalten periodische Transits, die alle 10,9 Tage auftreten (siehe »Periodische Abdunkelungen«).
Eigene Nachbeobachtung
Seit ungefähr einem Jahr sammeln wir im Rahmen der Arbeit für »Jugend forscht« Daten von diesem System, und die Beobachtungen gehen weiter (siehe »Beobachtung auf Teneriffa«). Die 10,9-tägige Periode ist auch in den Sinuskurven der Radialgeschwindigkeit sichtbar, die wir mit SES messen (siehe »Regelmäßiges Taumeln«) – ein überzeugender Beleg, dass dasselbe Objekt dafür verantwortlich ist. Aus der Amplitude der Radialgeschwindigkeit und der Masse des Muttersterns berechneten wir eine Masse von rund 1,3 Jupitermassen für den Begleiter. Somit handelt es sich definitiv um einen Planeten.
Nach zirka 120 Tagen Beobachtungszeit zeigte sich ein zweiter Trend in der Radialgeschwindigkeit: eine langperiodische Entwicklung, die auf einen bisher unbekannten zweiten Stern mit 0,11 Sonnenmassen hindeutet. Dieser massearme Rote Zwerg besitzt vermutlich eine Umlaufperiode von ungefähr 740 Tagen (siehe »Ein unsichtbares zweites Objekt«). Aus Modellrechnungen ergeben sich noch weitere Systemparameter. So konnten wir belegen, dass sich die beiden neu entdeckten Objekte auf hochelliptischen Orbits um den Zentralstern TOI-1147 bewegen: Die Umlaufbahn des Exoplaneten TOI-1147 b hat eine Exzentrizität von rund 0,64; die des zweiten Sterns TOI-1147 B liegt bei etwa 0,79. Die Exzentrizität des Erdorbits beträgt zum Vergleich zirka 0,02, was einer nahezu kreisförmigen Bahn entspricht.
Lichtkurven auswerten
Mit dem Wissen, dass die in den Lichtkurven sichtbaren Verdunkelungen von einem Planeten stammen, lassen sich die Daten noch genauer analysieren (siehe »Transits auswerten«). Das liegt daran, dass Planeten im Gegensatz zu Sternen nicht selbst leuchten und der beobachtete Helligkeitsabfall daher leichter modelliert werden kann. Dafür verwenden wir das frei verfügbare Softwarepaket BATMAN in der Programmiersprache Python. Mit seiner Hilfe werden Modelle so optimiert, dass kleinstmögliche Differenzen zu den realen Datenpunkten auftreten. Damit lassen sich Parameter wie der Planetenradius bestimmen, der hier 2,3 Jupiterradien beträgt. Zudem konnten wir die hohe Exzentrizität des Orbits von TOI-1147 b, welche bereits aus der Radialgeschwindigkeit folgte, bestätigen.
Ein aufgeplusterter Planet
Mit einem 2,3-fach größeren Radius und der 1,3-fachen Masse von Jupiter weist TOI-1147 b eine Dichte von nur zirka 0,13 Gramm pro Kubikzentimeter auf. Damit gehört er zur Klasse der Exoplaneten, die im Englischen als »puffy« bezeichnet werden, also »aufgeplustert« oder »aufgedunsen«. Der Planet hat eine mittlere Entfernung von rund 0,10 Astronomischen Einheiten (AE) von seinem Zentralstern – ein Zehntel der Entfernung zwischen Sonne und Erde (siehe »Feurige Welt«). Diese Distanz ist wegen der Exzentrizität der Umlaufbahn nicht konstant: Im Perihel, also dem kleinsten Abstand zum Stern, ist TOI-1147 b etwa 0,03 AE oder 4,5 Millionen Kilometer von ihm entfernt. Das sind etwas mehr als sechs Sonnenradien. Im Aphel, der größten Entfernung, sind es hingegen knapp 0,17 AE oder etwa 26 Millionen Kilometer.
Über seinen 10,9-tägigen Umlauf verändert sich der Abstand folglich enorm, was mit einer Temperaturschwankung von 1400 Kelvin an der Planetenoberfläche einhergeht (siehe »Modell des Planetenorbits«). TOI-1147 b gehört somit ebenso zur Exoplanetenklasse der Heißen Jupiter (englisch: Hot Jupiters), weil er eine hohe Oberflächentemperatur bei einer jupiterähnlichen Größe aufweist.
Ein exotisches Trio
Der Rote Zwerg TOI-1147 B umkreist den Mutterstern und den Planeten in einem mittleren Abstand von rund 1,77 AE. Insgesamt beinhaltet das System damit gleich zwei Objekte, die auf ungewöhnlich hochelliptischen Bahnen einen Zentralstern umrunden, der minimal massereicher als unsere Sonne ist. Die Stabilität des gesamten Systems könnte mit dem Winkel zusammenhängen, in dem die Orbits des Exoplaneten und des Roten Zwergs zueinander stehen. Durch diese neuen Erkenntnisse wird die Vielfalt an exoplanetaren Systemen um ein neues Mitglied erweitert. Planetenentstehung und -entwicklung lassen sich mit solchen Untersuchungen immer besser verstehen.
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