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Theoretische Chemie: Extrem lange Bindungen mit Nanodiamanten

Internationales Jahr der Chemie 2011
Mit Hilfe von Nanodiamanten haben Chemiker um Peter Schreiner von der Justus-Liebig-Universität in Gießen die längsten bisher bekannten stabilen Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen hergestellt. Mit 170 Pikometern ist sie mehr als zehn Prozent länger als vergleichbare Bindungen in Alkanen. Das ist nur möglich, weil die Bindung durch anziehende Interaktionen zwischen anderen Molekülteilen stabilisiert wird – sie würde sonst zerfallen. Die Entdeckung wirft ein neues Licht auf die theoretisch nur schlecht verstandene Beziehung zwischen Bindungslänge und Stabilität und erklärt nach Angaben der Forscher einige bislang rätselhafte Eigenschaften gängiger Molekülklassen.

Schreiner und Kollegen koppelten Diamantoide aneinander, Kohlenstoffgerüste, die als Ausschnitte aus dem Diamantgitter betrachtet werden können. Der einfachste dieser Körper ist Adamantan, mit der Summenformel C10H16, die nächstgrößeren Diamantan mit 14 und Triamantan mit 18 Kohlenstoffatomen. Das Kopplungsprodukt von Diamantan und Triamantan ist über eine 170,4 Pikometer lange Bindung verknüpft. Die bemerkenswerte Länge kommt dadurch zu Stande, dass die voluminösen Diamantoide nicht näher aneinanderrücken können, ein Phänomen, das man als sterische Hinderung bezeichnet und das auch in anderen Molekülen mit raumfüllenden Strukturen für verlängerte Bindungen zuständig ist. Dort jedoch sind Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen mit Längen von über 165 Pikometern schon so instabil, dass die Moleküle bei Raumtemperatur in die entsprechenden Radikale zerfallen.

Diamantoid-Addukt mit extrem langer Bindung | Das Kupplungsprodukt von Diamantan und Triamantan hat die längste stabile Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung. Die Interaktion zwischen den wasserstoffreichen Oberflächen beider Moleküle stabilisiert die gesamte Verbindung.
Dass das bei den von Schreiner und Kollegen hergestellten Molekülen nicht geschieht, führen sie auf anziehende Kräfte zwischen den beiden Diamantoiden zurück. Zwischen deren wasserstoffreichen Oberflächen wirken anziehende Kräfte, die darauf zurückgehen, dass die benachbarten Wasserstoffatome sich gegenseitig polarisieren und so schwache elektrostatische Kräfte verursachen. Kristallstrukturanalysen und Computermodelle der Forscher zeigen, dass die Entfernung zwischen den Wasserstoffatomen der Diamantoide mit etwas mehr als 200 Pikometern genau in dem Bereich liegt, in dem diese anziehenden Kräfte am stärksten sind. Die Wissenschaftler vermuten, dass dieser Mechanismus sehr weit verbreitet und unter anderem auch für die höhere Stabilität verzweigter Alkane verantwortlich ist. (lf)

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  • Quellen
Nature 10.1038/nature10367, 2011

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