Fäkalien: Wale transportieren große Nährstoffmengen über den Ozean – im Urin

Wale sind nicht nur die größten Säugetiere der Erde, sie spielen auch eine wichtige Rolle für die Gesundheit des Planeten. Sie transportieren Nährstoffe tausende Kilometer über den Ozean – von den kalten arktischen und antarktischen Gewässern, in denen sie im Sommer fressen, zu den warmen Küstenbereichen in der Nähe des Äquators, wo sie sich im Winter paaren und dann ihre Kälber gebären. Ein Großteil der Nährstoffe wird unterwegs in Form von Urin ausgeschieden, aber auch Hautabschürfungen, Kadaver, Kot und die Reste der Plazenta tragen dazu bei. Auf diese Weise befördern wandernde Grauwale, Buckelwale, Nordatlantische Wale und Südliche Glattwale schätzungsweise rund 3800 Tonnen Stickstoff und 46 500 Tonnen Biomasse pro Jahr vom einen Meeresgebiet zum anderen. Das berichtet ein Team um den Biologen Joe Roman von der University of Vermont.
Der Mensch produziert zwar pro Jahr etwa 109 Millionen Tonnen Stickstoffdünger – allerdings leben auch ein Vielfaches mehr Menschen auf der Erde als Wale. Bevor Walfänger die Populationen stark dezimierten, sei der Nährstofftransport über weite Entfernungen möglicherweise sogar dreimal so umfangreich gewesen, heißt es. Dies zeige die Relevanz großer Säuger für intakte Ökosysteme und unterstreiche, dass die Erhaltung der Artenvielfalt hohe Priorität haben sollte, schreiben die Autoren.
Wale legen im Verlauf eines Jahres lange Wanderungen zurück. Buckelwale (Megaptera novaeangliae) etwa schwimmen Strecken von rund 8000 Kilometern; die Futter- und Brutgebiete von Grauwalen (Eschrichtius robustus) liegen teils mehr als 11 000 Kilometer auseinander. Die spezifischen Migrationsrouten variieren erheblich zwischen den einzelnen Arten und Populationen, wobei viele Wale eine Art Heimatverbundenheit zeigen und immer wieder in bekannte Regionen zurückkehren.
Als Begründung für dieses energieintensive Wanderverhalten wird traditionell angenommen, dass es für die Tiere vorteilhaft ist, in warmen, flachen und geschützten Gebieten zu gebären. Trächtige Weibchen wandern dorthin, um die Gefahr zu verringern, dass ihre neugeborenen Kälber etwa von Schwertwalen angegriffen werden. Wärmere Gewässer unterstützen auch die Wärmeregulierung bei Kälbern, bevor diese ihre isolierende Speckschicht entwickeln.
Es war zuvor bereits bekannt, dass Wale eine wichtige Rolle beim vertikalen Nährstofftransport im Meer spielen. Weil sie am Meeresgrund fressen und an der Oberfläche koten, ziehen sie nährstoffreiche Fäkalienfahnen durch die verschiedenen Wasserschichten hinter sich her. Nun hat das Forschungsteam auch den horizontalen Nährstofftransport näher beleuchtet und anhand von Schätzungen zu Populationsdichte und der Menge an Ausscheidungen quantifiziert. So produzieren manche Wale auf ihren saisonalen Wanderungen bis zu 1000 Liter Urin am Tag. Zum Vergleich: Ein Mensch schafft maximal zwei Liter. Insgesamt ergeben sich auf diese Weise Nährstoffflüsse, die doppelt so groß sind wie jene, die durch physikalische Prozesse erreicht werden können.
»Pflanzen gelten gemeinhin als die grünen Lungen des Planeten, weil sie Kohlendioxid aufnehmen und Sauerstoff ausstoßen«, sagt Erstautor Roman. »Tiere spielen dagegen eine wichtige Rolle im Nährstoffkreislauf des Planeten.« Sie haben also echten Einfluss auf die Erde – mehr, als uns oft bewusst ist.
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