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News: Fahrtenschreiber für Wanderfische

In vielen biologischen Lehrbüchern ist es bereits fest verankert: Zahlreiche Fischarten kommen im Süßwasser zur Welt und sind darauf programmiert, während ihres Lebens ins Meer zu wandern, um jedoch später zum Laichen wieder zurückzukommen. Einige Bachforellen aus der Ostsee verzichten jedoch auf die lange Reise, oder sie finden Gefallen an der offenen See und kehren nie mehr zu ihrer Geburtsstätte zurück. Dem wirklichen Verhalten der Fische kamen die Forscher auf die Schliche, indem sie ihre Gehörsteinchen untersuchten. In diesen lagern sich bestimmte Moleküle in unterschiedlichen Verhältnissen an, je nachdem, wo sich die Tiere über längere Zeit aufgehalten hatten. So spiegelt deren chemische Zusammensetzung die Reise der Fische wider.
Von einigen Fischarten, wie beispielsweise den Lachsen, Seeforellen, Aalen und auch den Bachforellen, nehmen Biologen an, dass sie im Laufe ihres Lebens weite Wanderungen zwischen Flüssen und den Ozeanen vollziehen, um sich fortzupflanzen. Und die Genauigkeit ihrer Reise ist erstaunlich: So finden beispielsweise Lachse über Tausende von Kilometern exakt ihren Heimatfluss wieder. Auch die Bachforelle (Salmo trutta), die in den Gewässern Europas und Asiens zuhause ist, verbringt zunächst ein Jahr an ihrem Geburtsort, bevor sie ins Meer wandert, um heranzuwachsen. Wenn die Fische dann geschlechtsreif sind, kehren sie in ihre Ursprungsgewässer zurück, um für Nachkommen zu sorgen.

Dass sich aber offenbar nicht alle Bachforellen an den Wanderzyklus halten, der in vielen Lehrbüchern beschrieben wird, fanden die Ökologin Karin Limburg von der State University of New York at Syracuse und ihre Mitarbeiter heraus. Denn in jedem Fisch ist eine Art Fahrtenschreiber – ein so genannter Otolith – integriert. Dabei handelt es sich um ein kleines Kalkkörperchen, das zum Gehör- und Gleichgewichtsorgan gehört und sich unterhalb des Gehirns befindet. Ähnlich wie die Jahresringe an einem Baum entstehen, wächst der Otolith wächst während des gesamten Lebens schubweise. Dabei lagert er Stoffe in einem ganz bestimmten Verhältnis an – je nachdem, wie sie gerade in der Umwelt vorliegen. Schichten, die beispielsweise ein größeres Verhältnis von Strontium zu Calcium aufweisen, sind bei einem Aufenthalt in Meerwasser gewachsen. Ist das Verhältnis dagegen geringer, schwamm die Forelle zu dieser Zeit im Süßwasser.

Als die Wissenschaftler die Otolithen von erwachsenen Bachforellen aus der Ostsee bei der schwedischen Insel Gotland analysierten, entdeckten sie, dass nur manche Tiere zwischen Süß- und Salzwasser wanderten. Andere zogen es dagegen offenbar vor, ihr ganzes Leben im Süßwasser zu verbringen, während es einige ihrer Artgenossen schon sehr früh ins Meer zog, um überhaupt nicht mehr oder nur sehr viel später wieder ins Süßwasser zurückzukehren. In weiteren Arbeiten stellte die Ökologin fest, dass auch Aale und Heringe aus dem Hudson River alle verschiedenen Wanderzyklen aufweisen. "Die Otolithen sagen uns, dass sie sich so verhalten hatten, aber bis jetzt wissen wir nicht, warum", meint Limburg.

Die Forscherin hält die Entdeckungen für wichtig, um gefährdete Fischarten zu schützen. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass die Verhältnisse nicht so einfach sind, wie bisher angenommen. "Die Anzahl der verschiedenen Wanderungen ist komplexer, als man zuvor vermutete", meint John Musick vom Virginia Institute of Marine Science in Gloucester Point.

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