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Meerestechnik: Farm für Fisch

Fisch-Farming - als Lösung für die Überfischung der Meere angepriesen - genießt ökologisch keinen guten Ruf. Schließlich belasten die Fischzuchtbetriebe mit ihren Abwässern erheblich die Umwelt. Einen Ausweg könnten geschlossene Kreislaufanlagen bieten - wie die Steinbuttfarm in Büsum
Büsumer Steinbuttfarm
Fisch steht in der ganzen Welt immer häufiger auf dem Speiseplan. Fischereibetriebe und Züchter arbeiten entsprechend auf Hochtouren: Wurden im Jahr 1990 noch ungefähr 100 Millionen Tonnen Fisch gefangen oder gezüchtet, waren es im Jahr 2002 bereits mehr als 130 Millionen Tonnen.

Und noch immer ist kein Ende der Lust auf Fisch erkennbar. Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass die Nachfrage bis zum Jahr 2030 um fast vierzig Prozent auf dann 180 Millionen Tonnen steigen wird. Gleichzeitig ist es bereits heute zu einer Überfischung in fast allen Ozeanen dieser Welt gekommen. In den vergangenen fünfzig Jahren gelten manche Fanggründe als nahezu leer gefischt. So ist beispielsweise der Kabeljaubestand in der Nordsee fast auf Null gesunken.

Was kann man gegen das Problem der Überfischung tun? Das von Ingenieuren angepriesene Zauberwort heißt "Aquakultur". Ihre älteste Variante kennt man bereits seit mehreren Jahrhunderten: die Teichzucht. Diese ursprüngliche Art des Fisch-Farmings belastet die Umwelt zwar nur wenig, doch wirtschaftlich lohnt sich die Teichwirtschaft kaum, da in einem Teich nur eine relativ geringe Zahl von Fischen aufwachsen kann.

Durchfluss oder Kreislauf

Wesentlich interessanter erscheint da eine Durchflussanlage, in der Wasser aus einem offenen Gewässer durch den Fischzuchtbetrieb geleitet wird. Hier können viele Fische auf engstem Raum heranwachsen – allerdings mit entsprechenden ökologisch Folgen: Ausscheidungen und Futterabfälle fließen ungeklärt in die Natur und können die Umwelt extrem stark belasten. Immerhin ist es zumindest in der Europäischen Union verboten, dem Futter wachstumsfördernde Hormone beizumengen, und Medikamente dürfen nur unter tierärztlicher Aufsicht zur Bekämpfung von Krankheiten verabreicht werden. Und auch einen Ausbruch der gefangenen Fische in umliegende Gewässer gilt es zu verhindern, denn oft verdrängen die Entwischten die einheimische Arten.

"Eine Lösung könnte die Kreislaufanlage sein", meint Peter Däbritz von der Firma Linde Gas. Hier zirkuliert Wasser immer wieder in einem geschlossenen System und wird durch Biofilter gereinigt und mit Sauerstoff angereichert.
Kreislaufanlagen schonen Ressourcen, sind witterungsunabhängig und bieten Schutz vor schlechten Umgebungsbedingungen
(Peter Däbritz)
Die Umweltbelastungen sollen dabei minimal sein: Die geringen Abwassermengen sind nicht chemisch verunreinigt, sodass der sich aus Futterresten und Stoffwechselprodukten bildende Schlamm landwirtschaftlich entsorgt werden kann. "Kreislaufanlagen bieten zudem noch zahlreiche andere Vorteile", sagt Däbritz. "Sie schonen Ressourcen, sind witterungsunabhängig und bieten Schutz vor schlechten Umgebungsbedingungen. Die Fische erhalten artgerechtes Futter und benötigen keine Medikamente."

Allerdings arbeiten Kreislaufanlagen, die viele störanfällige maschinenbauliche und elektrotechnische Bauteile enthalten und große Hallen benötigen, immer noch recht kostspielig. Um den Betrieb wirtschaftlich und nicht zuletzt auch ökonomisch zu optimieren, betreibt die Kieler Firma Ecomares in Büsum an der Nordseeküste eine Pilotanlage als erste Meerwasser-Fischfarm Deutschlands mit geschlossenem Wasserkreislauf.

Büsumer Intensivzucht

Wie funktioniert nun die Anlage? Zunächst befreit ein Sieb bei der Wiederaufbereitung des Wassers das aus den Fischbecken ablaufende Kreislaufwasser von Futterresten, Kotpartikeln und anderen festen Stoffen. Mit Hochdruck wird das Sieb gespült, das Spülwasser aus dem Kreislauf entfernt und der Schlamm abgesetzt und eingedickt.

Sauerstoff-Tank und Verdampfer | Die Büsumer Fischzuchtanlage arbeitet mit reinem Sauerstoff, der in großen Tanks bei minus 183 Grad Celsius flüssig gelagert wird.
Abgesehen von Feststoffen muss auch eine andere schädliche Substanz entsorgt werden: Ammonium. Fische scheiden es als Stoffwechselendprodukt aus, das ab einer gewissen Konzentration für die Tiere zu giftig wird. Um das Wasser hiervon zu befreien, leitet man es in Biofilterbecken, in denen kleine Kunststoffkörper schweben. Auf ihren Oberflächen haben sich Bakterienstämme angesiedelt, die das giftige Ammonium in Nitrat umwandeln. Gebläse befreien das sprudelnde Wasser von Kohlendioxid und die Schwebekörper von überschüssigem Bakterienaufwuchs.

Als Nächstes fließt das Wasser durch eine Entkeimungsstrecke, wo UV-Licht oder Ozon krankheitsauslösende Bakterien vernichten. Schließlich wird das Nass mit Sauerstoff angereichert und in die Fischbecken zurückgeleitet. Dabei überprüfen zahlreiche Sensoren pausenlos die Wasserqualität. Neben dem Sauerstoff-Gehalt muss auch die Temperatur ständig überwacht werden, da warmes Wasser nur wenig Sauerstoff lösen kann. Fällt die Sauerstoff-Konzentration ab, verdauen die Fische schlecht und brauchen mehr Futter. Auch die Gefahr einer Erkrankung erhöht sich.

Reinster Sauerstoff

Die Züchter setzen hierbei jedoch nicht einfach Luft ein, sondern das Gas in seiner Reinstform, das sich auf Grund des höheren Partialdrucks leichter in Wasser löst als Luftsauerstoff. "Die Anreicherung des Wassers mit reinem Sauerstoff erhöht die Besatzdichte und ermöglicht erhebliche Produktionssteigerungen", erläutert Däbritz. "So bewirkt eine Zunahme der Sauerstoff-Sättigung von neunzig auf hundert Prozent einen Produktionszuwachs von dreißig Prozent."

Hierzu befindet sich in jeder Kreislaufanlage ein Behälter, der flüssigen Sauerstoff bei einer Temperatur von minus 183 Grad Celsius lagert. Nachdem ein Verdampfer den flüssigen Sauerstoff in den gasförmigen Zustand überführt hat, kann das Gas in das Wasser der Zuchtanlage einströmen. "Um die Vorteile der Anreicherung mit reinem Sauerstoff möglichst vielseitig einsetzen zu können, haben wir eine Reihe von Verfahren entwickelt", erklärt der Ingenieur. "Sie lassen sich individuell auf die Fischart, die jeweilige Zuchtmethode und die klimatischen Verhältnisse abstimmen."

Besonders gefürchtet ist ein Stromausfall, schließlich könnte dadurch der gesamte Fischbestand auf dem Spiel stehen. Deshalb setzen die Fischtechniker auf Notbegasungssysteme, die keine zusätzliche Energie brauchen: Fällt der Strom aus, öffnen sich elektrizitätsfrei betriebene Magnetventile und sichern so die Sauerstoffzufuhr im Becken.

Die Kreislauftechnologie scheint sich zu bewähren: Die Büsumer Fischzüchter konnten den Wasserbedarf so weit vermindern, dass sie nur zehn Prozent täglich durch frisches Seewasser ersetzen müssen. Die Anlage verbraucht innerhalb eines Jahres etwa 60 bis 70 Kubikmeter Wasser pro Tag oder durchschnittlich 3,5 Kubikmeter pro Stunde – herkömmliche Durchflussanlagen benötigten dagegen das 600-Fache.

Dem gezüchteten Fisch geht es offensichtlich gut: Rund 100 Tonnen Steinbutt wachsen in Büsum pro Jahr heran und gelangen seit Herbst 2002 auf dem Markt – und damit jeden Freitag frisch auf den Tisch.

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