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Stammzellforschung: Fast wie echt

Hoffnungsträger oder Teufelszeug - beim Thema embryonale Stammzellen scheiden sich die Geister. Das ethische Dilemma wäre gelöst, wenn für die potenziellen Alleskönner keine Embryonen geopfert werden müssten. Wissenschaftler wollen jetzt einen Weg gefunden haben, mit dem sich dieses Ziel erreichen ließe. Zumindest fast.
Embryonenforschung
Eigentlich ist es ganz einfach: Man nehme eine Eizelle, werfe den Zellkern heraus, setze den Kern einer Körperzelle hinein, warte, bis sich das Ganze zu einem embryoartigen Gebilde entwickelt, und entnehme hieraus das Objekt der Begierde – die embryonalen Stammzellen. Und das Schöne dabei: Diese Stammzellen, die bekanntermaßen alle Zelltypen des Körpers bilden und damit zerstörtes Gewebe ersetzen können, sind genetisch vollkommen identisch mit dem Spender der Körperzelle. Abstoßungsreaktionen des Immunsystems bleiben also aus.

Wo liegt der Haken? Das embryoartige Gebilde, die Blastozyste, könnte sich theoretisch – ob auch praktisch, weiß niemand – zu einem Menschen, einem Klon, weiterentwickeln. Damit gilt es nach deutschem Recht bereits als menschliches Wesen, das nicht geopfert werden darf. Das Verfahren des "therapeutischen Klonens" – manche sprechen lieber vom "Forschungsklonen" – ist daher nicht nur in Deutschland sondern auch in den meisten anderen Ländern der Erde verboten.

Wie schön wäre es, wenn sich die begehrten Stammzellen gewinnen ließen, ohne Embryonen erzeugen und dann wieder vernichten zu müssen. Doch wie soll das gehen? Embryonale Stammzellen ohne Embryo?

Auch das ist eigentlich ganz einfach und nicht so widerprüchlich, wie es zunächst klingen mag. Schließlich besitzt jede einzelne Körperzelle das vollständige Erbgut eines Menschen; genetisch unterscheiden sich Stamm- und Körperzellen also gar nicht. Die Kunst bestände darin, eine schlichte Körperzelle in den embryonalen Alleskönnerzustand wieder zurückzuversetzen. "In 10 bis 15 Jahren", ist Kevin Eggan überzeugt, "werden wir die Umwandlung unmittelbar auslösen können und überhaupt keine Embryonen oder Eizellen dafür brauchen."

Einen kleinen Schritt in diese Richtung präsentiert jetzt der Molekularbiologe vom Stammzellinstitut der Harvard-Universität – einen Schritt, den die Fachzeitschrift Science immerhin für so bedeutend hielt, dass sie ihre übliche Sperrfrist dafür aufhob. Die Forscher um Chad Cowan aus Eggans Arbeitsgruppe probierten mit menschlichen Zellen eine Methode, die schon bei Mäusen geklappt hatte: die Fusion von Körperzellen mit Stammzellen.

Die Forscher nahmen einerseits ausdifferenzierte Zellen aus der menschlichen Haut, so genannte Fibroblasten, andererseits menschliche embryonale Stammzellen aus einer bereits bestehenden Zelllinie. Mit Hilfe der hierfür schon bewährten Chemikalie Polyethylenglykol fusionierten die beiden Zelltypen. Da die Forscher zuvor genetische Marker in beide Zellen eingebaut hatten, konnten sie verfolgen, welche Gene im Fusionsprodukt aktiv waren.

Und tatsächlich entsprachen die Fusionsprodukte den in sie gesetzten Erwartungen. "Unsere Versuche zeigten, dass die Hybridzellen – im Gegensatz zu adulten Zellen – das Entwicklungspotenzial von embryonalen Stammzellen hatten", erläutert Eggan. "Sie konnten zu Nervenzellen, Haarfollikeln, Muskelzellen und Darmephitelzellen heranreifen." Damit sahen sie nicht nur aus wie Stammzellen, sie verhielten sich auch so.

Mit einem Schönheitsfehler: Durch die Fusion hatten die Zellen statt eines doppelten einen vierfachen Chromosomensatz; sie waren tetraploid.
"Diese Zellen eignen sich nicht für Stammzellforschung, denn sie sind abnorm"
(Miodrag Stojkovic)
Die Wissenschaftler müssen also noch das Kunststück vollbringen, die nicht mehr benötigten Chromosomen der ursprünglichen Stammzelle zu entfernen – was nicht ganz einfach sein dürfte. Denn im Gegensatz zu Eizellen mit ihrem kleinen und daher leicht herausnehmbaren Zellkern, füllen die Kerne von Stammzellen fast die ganze Zelle aus. Auch durch Chemikalien oder Strahlung lässt sich das überschüssige Erbgut nicht so ohne weiteres eliminieren, ohne gleich die ganze Zelle in den Selbstmord zu treiben.

Forscherkollegen, wie der Stammzellbiologe Miodrag Stojkovic von der britischen Universität Newcastle, zeigen sich entsprechend skeptisch: "Diese Zellen eignen sich nicht für Stammzellforschung, denn sie sind abnorm. Sie haben 92 statt der normalen 46 Chromosomen."

Eggan will seine Forschung auch noch nicht als ultimative Lösung verstanden wissen: "Das Ergebnis zeigt einen Weg zu einer Alternative auf, aber es liefert nicht selbst diese Alternative."
"Wir sind fest davon überzeugt, dass die Forschung zum therapeutischen Klonen weitergehen sollte"
(Kevin Eggan)
Schließlich müssen die Forscher auch noch das Problem lösen, wie sie an die Ausgangszellen kommen, die ja auch von abgetöteten Embryonen stammen. Es gibt zwar Stammzelllinien, mit denen – auch in Deutschland – geforscht werden darf. Etliche Forscher halten jedoch diese alten Linien inzwischen für ungeeignet.

Letztendlich geht es den Wissenschaftlern – die übrigens auf staatliche Förderung verzichten mussten – um die Frage, was bei der Umprogrammierung von Körper- zu Stammzellen passiert. Und dazu sei auch Forschung an embryonalen Stammzellen unabdingbar, wie Eggan betont: "Meine Kollegen und ich sind fest davon überzeugt, dass die Forschung zum somatischen Zellkerntransfer – dem so genannten therapeutischen Klonen – weitergehen sollte."

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