Direkt zum Inhalt

News: Fehlgesteuertes Hormon

Bei Bulimie-kranken Menschen folgt der unkontrollierten Fressattacke das Erbrechen. Offensichtlich besitzt diese schwerwiegende Essstörung aber nicht nur eine psychologische, sondern auch eine physiologische Ebene, denn neuen Studienergebnissen zufolge greift krankhaftes Essverhalten massiv in den Leptin-Hormonhaushalt ein.
Seit Jahren steht die körpereigene Fettbremse Leptin unter Wissenschaftlern hoch im Kurs. Das Hormon steuert sowohl Nahrungsaufnahme als auch Fettverbrennung, weshalb der Körper sein Gewicht langfristig erstaunlich konstant hält. Das von Fettzellen abgegebene Leptin gelangt über die Blutgefäße zum Hypopthalamus und steuert dort das Essverhalten. Je mehr Fett, umso mehr Leptin, umso weniger Nahrung nimmt der Mensch auf, so die Hypothese.

Wenngleich die Illusion, Leptin sei das Allheilmittel gegen unliebsame Fettpölsterchen, längst vom Tisch ist, erfreut sich das kleine Protein in Forscherkreisen nach wie vor größter Beliebtheit. So auch bei dem Team um Palmiero Monteleone von der Seconda Università degli Studi di Napoli, das detailliert der Frage nachging, wie sich ein krankhaftes Essverhalten auf die Leptinsekretion auswirkt. Hierzu haben die Forscher die Leptinkonzentrationen im Blut von insgesamt 127 Frauen gemessen. Eine Gruppe umfasste dabei Patientinnen mit Anorexia nervosa (Magersucht), eine andere Gruppe Patientinnen mit Bulimia nervosa (Ess-Brechsucht) und eine dritte gesunde Frauen.

Die magersüchtigen Frauen wiesen sehr geringe Leptinspiegel auf, während die Gruppe der Bulimie-Patientinnen gespalten war: Ungefähr die Hälfte der Betroffenen wies normale Hormonkonzentrationen auf, während bei den restlichen Frauen ähnlich niedrige Werte wie bei Magersüchtigen vorlagen.

Anschließend fahndeten die Wissenschaftler nach der Ursache für diese Unterschiede. Dabei stellte sich heraus, dass die Essstörungen bei Bulimie-Patientinnen mit sehr geringen Hormonspiegeln wesentlich gravierender ausgeprägt waren. Sie neigten deutlich öfter zu Fressattacken und litten im Schnitt bereits länger an Bulimie als Betroffene mit normalen Leptinkonzentrationen. Zudem gehörten dieser Gruppe wesentlich mehr Frauen mit ernsthaften Persönlichkeitsstörungen an.

Schon seit Jahren wissen Forscher, dass die Speicherfette im Körper die Leptinfreisetzung regulieren. Offenbar gibt es aber noch weitere Reize -  etwa dauerhafte Fehlernährung oder Völlerei  – , die direkt die Hormonabgabe beeinflussen. Denn das Körpergewicht – und folglich die Größe der Fettdepots – liegen bei Bulimikern meist im Normbereich, lediglich das Essverhalten ist massiv gestört.

Interessanterweise hat eine andere Arbeitsgruppe in einer früheren Studie bereits nachgewiesen, dass Völlerei auch bei gesunden Menschen die Leptinproduktion verändert. Um diese Ergebnisse zu stützen, fassen die Wissenschaftler nun neue Projekte ins Auge: Langzeitstudien sollen aufgeklären, inwieweit das Essverhalten über einen längeren Zeitraum die Leptinsekretion erniedrigt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.