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Felis catus: Der wahre Ursprung der Hauskatze

Die Wege der Hauskatze sind unergründlich. Fast jedenfalls. Wann kamen die Stubentiger tatsächlich nach Europa? Darauf haben Archäogenetiker eine neue Antwort.
Ein kleines Kätzchen mit gestreiftem Fell läuft über eine grüne Wiese. Es hat den Mund geöffnet, als ob es miaut. Die Szene ist bei Tageslicht aufgenommen, und der Hintergrund ist unscharf, was den Fokus auf das Kätzchen lenkt.
Irgendwie haben sie es geschafft: Überall auf der ganzen Welt gibt es Katzen. Derzeit dürften bis zu einer Milliarde existieren, verwilderte Tiere eingeschlossen.

Ganz durchschaut haben Menschen ihre Katzen noch immer nicht, aber immerhin konnten Archäogenetiker jetzt den Haustieren ein weiteres ihrer Geheimnisse abringen. Wie die Fachleute in »Science« berichten, kam die Hauskatze (Felis catus) anders als bislang angenommen nicht mit den ersten Bauern beginnend vor circa 9500 Jahren aus der Levante über Anatolien nach Europa, sondern erst sehr viel später: vor ungefähr 2000 Jahren. Zudem ergaben die Genanalysen des Teams um Marco de Martino und Claudio Ottoni von der Universität Tor Vergata in Rom, dass die Hauskatze wahrscheinlich nicht auf jene Afrikanische Wildkatze (Felis lybica lybica) zurückgeht, die in der Küstenregion des östlichen Mittelmeergebiets (Levante) beheimatet war. Vielmehr hat sie ihren Ursprung in Exemplaren dieser Spezies aus Nordafrika. Folglich bildete sich die Hauskatze womöglich in Ägypten oder auch in Karthago heraus. Im Schlepptau der Römer gelangte sie schließlich in die gesamte Alte Welt.

Bislang ließ sich die Herkunft der heutigen Katze nur in Grundzügen bestimmen. Einerseits, weil es nicht ganz leicht ist, Wild- und Hauskatzen etwa anhand ihrer Knochen zu unterscheiden. Andererseits war es bislang nicht gelungen, das gesamte Genom vorgeschichtlicher Katzen auszulesen. Bisherige Ausbreitungsszenarien beruhten daher auf der mitochondrialen DNA (mtDNA), die jedoch nur die mütterliche Linie der Tiere abbildet.

Ottoni und seine Kollegen entzifferten nun die Kern-DNA von 70 Katzen aus den vergangenen 11 000 Jahren sowie das Erbgut von 17 modernen Wildkatzen aus Europa und Nordafrika. Wie sich zeigte, handelte es sich bei den Funden von europäischen und anatolischen Katzen, die ungefähr von vor 11 000 bis 2100 Jahren gelebt hatten, ausschließlich um Europäische Wildkatzen (Felis silvestris). Erst danach tauchte die häusliche Variante auf – und verbreitete sich rasend schnell. Die Schnurrer kamen wahrscheinlich in Begleitung des römischen Militärs: Um die Zeitenwende gab es sie im heutigen Österreich, keine 100 Jahre später in Britannien.

Die ersten Bauern kannten nur Wildkatzen

Bisher hielt man vor allem die Tiere aus der Zeit von vor 9500 bis 6300 Jahren, als die ersten Bauern vom Fruchtbaren Halbmond und Anatolien aus nach Europa strömten, für die ersten Hauskatzen, weil ihre mtDNA das Erbe der Afrikanischen Wild- oder Falbkatze in sich trägt – so wie die heutige Hauskatze auch. Nun stellte sich heraus: Dieses Erbe der vermeintlich frühesten Stubentiger geht auf eine frühe Vermischung zwischen der Afrikanischen und Europäischen Wildkatze zurück.

Zwei alte Katzenschädel | Gut möglich, dass sich Katzen in vorrömischer Zeit nicht freiwillig den Menschen genähert hatten, sondern wegen ihres Fells und Fleischs gejagt worden waren.

Woher aber kam die Hauskatze, Felis catus, dann? Malereien und Tiermumien belegen, dass sie vor spätestens 3500 Jahren in Ägypten als Haustier gehalten wurde. Womöglich ist im Land am Nil auch ihr Ursprung zu suchen. Allerdings klafft, wie Ottoni und Co. schreiben, in ihren Daten gerade dort eine große Lücke. Aus Ägypten seien keine altertümlichen Überreste von Katzen bekannt – abgesehen von Abertausenden Katzenmumien, aus denen sich aber kein Erbgut mehr gewinnen lässt, wie der Evolutionsbiologe Jonathan Losos von der Washington University in St Louis in einem Begleitkommentar betont. Laut Ottoni und seinem Team sei aber ebenfalls denkbar, dass die Karthager in Nordafrika die Wildkatze zähmten.

Das lege ein weiteres Katzenrätsel nahe, das die Fachleute lösen konnten: die Herkunft der sardischen Wildkatze. Bei ihr handle es sich nicht wie angenommen um eine verwilderte Hauskatze, sondern sie gehe ebenfalls auf Wildexemplare zurück, die der Mensch spätestens im 1. Jahrtausend v. Chr. von Nordafrika auf die Insel gebracht hatte.

Strittig bleibt jedoch, ob die Hauskatze, die bekanntlich sehr eigenständig, jagdversessen und schwer abzurichten ist, je wirklich domestiziert wurde. Jonathan Losos spricht daher lieber von halbdomestiziert.

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  • Quellen
De Martino, M. et al., Science 10.1126/science.adt2642, 2025

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