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Waffen des Immunsystems: Fett sorgt für gesunde Fliegen

Fettzellen sind schon wichtig, weil sie Energie speichern und warm halten - sonst leisten sie nichts. Oder? Falsch vermutet, stellen Forscher verblüfft fest. Zumindest in Fliegen ist Fett vielseitiger als gedacht. Und flinker.
Fett im Fliegenkopf

Die Zellen des Fettgewebes dienen dem Körper von Mensch und Tier bekanntermaßen als Energiespeicher und als formgebende, wärmende Isolierschicht. Daneben erfüllen sie aber auch einige lang übersehene Aufgaben, wie Forscher in den letzten Jahren herausgefunden haben: Sie können etwa über Signalstoffe den Stoffwechsel und die Körperabwehr regulieren. Vielleicht jedoch sind Fettzellen noch immer generell unterschätzt, meinen nun Wissenschaftler der University of Bristol im Fachblatt "Developmental Cell": Sie konnten in Fliegen zeigen, dass Fettzellen hier auf eine bisher völlig unbekannte Weise zu frischen Wunden im Körper schwimmen, diese wie Blutplättchen abdichten und der Körperabwehr entscheidende Hilfsdienste leisten.

Zunächst hatten die Wissenschaftler sich damit beschäftigt, wie in Taufliegen Hämozyten – die insekteneigenen Abwehrzellen – auf innere und äußere Verletzungen reagieren. Unter dem Mikroskop bemerkten sie dabei, dass sich neben den kleinen Immunzellen stets auch große Adipozyten rasch an Wunden ansammelten – jene Fettzellen, die im offenen, aderlosen Blutkreislauf der Insekten vereinzelt umhertreiben, wenn sie von Fettkörper-Gewebespeichern abfallen. Zur großen Überraschung zeigten genauere Analysen, dass die Fettzellen dabei aber nicht etwa passiv zur offenen Wunde gestrudelt werden, sondern sich aktiv und offenbar gezielt dort hinbewegten. Dabei krochen sie nicht entlang von Gewebeflächen, wie dies andere bewegliche Zellen bekanntermaßen tun. Die Fettzellen schwammen vielmehr mit einer peristaltischen Verformung vorwärts; dabei manövrierten sie sich durch über den Zellkörper fortgesetzte Teilabschnürungen in die angestrebte Richtung. Diese Bewegung vollziehen sie mit koordinierten Kontraktionen von Aktin- und Myosinfilamenten im Inneren der Zellen, wie Knockout-Experimente anschließend belegten.

Fettzellen bauen Wundschutz auf

Im Film werden nekrotische Zellen (in Rot) von vordringenden Fettzellen (grün) in den Randbereich einer Wunde abgedrängt (Maßstab: 20 Mikrometer).

Womöglich ist das freie Schwimmen der Adipozyten – eine vermeintlich sehr ungewöhnliche Art der Fortbewegung von Zellen im Körper, die gelegentlich wegen der besonderen Flüssigkeitseigenschaften im Mikroskalenbereich auch schon für eigentlich physikalisch unmöglich erklärt wurde – doch gar nicht so selten wie gedacht, spekulieren die Wissenschaftler. Vor allem könnten die meisten Experimentatoren solche Bewegungen im lebenden Gewebe schlicht übersehen haben, weil sie deutlich schwerer zu dokumentieren und live nachzuvollziehen sind als das typische Kriechen entlang von Deckgeweben, bei denen sich die Zellen an bekannten Adhäsionsmolekülen entlanghangeln.

Wenig Zweifel gibt es über den Zweck der zielstrebigen Fettzellschwimmpartie zur Wunde: Je nach Größe einer Verletzung dichten eine bis vier Adipozyten Geweberisse rasch ab. Schmutz oder Keime, die durch die Wunden eindringen könnten, werden an den Rand des Fettstöpsels geleitet, wo sich die eigentlichen Immunzellen sammeln, um Eindringlinge zu bekämpfen. Zudem geben die Fettzellen antimikrobielle Peptide ab, sobald sie in Kontakt mit Krankheitserregern kommen. Die Fettzellen scheinen für die Fliegen demnach bislang unterschätzte, wertvolle und zielgenaue mobile Eingreifkräfte der Körperabwehr zu sein. Und dies womöglich nicht nur bei wirbellosen Tieren wie den Taufliegen, spekulieren die Forscher: Ganz ähnlich könnten einzelne Fettzellen im Prinzip auch in Säugetieren vorgehen, ohne dass diese bisher unter dem Blickwinkel gängiger Experimente notwendigerweise aufgefallen wären. Tatsächlich hatte man bei Adipozyten von Mäusen zwar keine zielgerichtete Mobilität nachgewiesen, dafür aber zeigen können, dass auch sie antimikrobielle Peptide produzieren – ohne sich darauf allerdings wirklich einen Reim machen zu können.

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