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News: Fettzell-Umschulung

Falsche Ernährung wird mehr und mehr zum Gesundheitsproblem im Speckgürtel unserer Erde - Übergewicht und damit einhergehende Krankheiten inklusive. Neue Erkenntnisse versprechen nun Erleichterung durch fettverbrennende Medikamente.
Simpel sind die Ursachen der Fettleibigkeit: Betroffene Personen nehmen schlicht mehr Nahrung zu sich, als ihr Körper verbraucht. Zum Problem wird dies, weil der Körper im Laufe der Evolution zwar lernte, mit Zeiten des Mangels, nicht aber mit dauerndem Überfluss umzugehen. Folgerichtig und vorausschauend verarbeitet er wertvolle Nahrung stets zu werthaltigen Langzeit-Nahrungspeichern und lagert diese in praktischen, zudem wärmeisolierenden Fettpölsterchen zwischen – für alle Fälle.

Gebraucht, also verbraucht werden sie jedoch nicht – so werden aus Pölsterchen dann schnell veritable Polster, und aus einem vermeintlich kosmetischen Luxusproblem ein ernsthaft gesundheitliches: Mit bedenklichem Übergewicht gehen fast zwangsläufig Folgekrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen einher, ein Leidens-Sammelsurium, welches kombiniert auch häufig tödlich in Schlaganfall und Herzinfarkt endet. In den USA leiden bereits mehr als zwanzig Prozent der Bevölkerung unter Adipositas, der übermäßigen Ansammlung von Fettgewebe im Körper, in Deutschland ist schon jedes sechste Kind zu dick – die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit zu hohem Körpergewicht hat sich hier zu Lande in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdoppelt.

Nicht simpel, sondern im Gegenteil kaum verstanden, sind die Folgen der Fettleibigkeit für das eingespielte Uhrwerk des Fettzellstoffwechsels. Eine Schlüsselfunktion nimmt darin das Hormon Leptin ein: Seine Konzentration im Blut bestimmt etwa über den gefühlten Hunger einer Person. Hohe Leptinwerte vermitteln Sättigung und begrenzen so weitere Nahrungsaufnahme – zugleich steigert sich der durchschnittliche Energieverbrauch, und gespeichertes Fett wird vermehrt abgebaut.

Einfache Leptingabe also gleich erwünschte Fettverbrennung? Dies war zumindest die frühe Hoffnung von Adipositas-Bekämpfern – ganz so einfach ist die Gleichung aber nicht. Zwar werden gentechnisch veränderte, leptinlose Mäuse mit Übergewicht ihr überschüssiges Fett Aufsehen erregend schnell los, wenn ihnen Leptin von außen zugeführt wird. In manche Fettzellen aber gelangt im Blut zirkulierendes Leptin gar nicht, andere Fettpolster werden zwar eingeschmolzen, wobei aber massenhaft Fettsäuren als Abfallprodukte anfallen. Diese werden nicht endgültig Energie liefernd in den Zellen verbrannt wie Fettsäuren im Normalfall, sondern in einem Ersatzstoffwechselweg – ganz ähnlich wie bei massivem Hungern oder Insulinmangel – in der Leber zu kleineren Bausteinen oxidiert. Ein vermutlich auf Dauer auch nicht gesundes Abschmelzen der Fettpolster, zumal die hohe Konzentration an frei werdenden Fettsäuren – ihrerseits auch teilweise mit Hormonfunktion – weitere Regelkreise unerwünscht anstoßen können.

Lelio Orci von der Universität Genf und seine Kollegen experimentierten nun mit einer neuen Methode der Leptingabe: Sie erhöhten die Konzentration des Hormons in leptinlosen, übergewichtigen Ratten dadurch rapide, dass sie ihnen mit Hilfe eines modifizierten Virustransporters funktionsfähige Leptingene zuführten. Dann mikroskopierten die Wissenschaftler die Folgen des Eingriffs für den Fettzellenbestand der allzu wohlgenährten Nager. Diese Folgen erwiesen sich als dramatisch: Die Fettzellen verwandelten sich innerhalb kürzester Zeit in einen Zelltypus, der im Normalfall niemals beobachtet wird – einen einschrumpfenden, fettverbrennenden Zellhochofen, randvoll gestopft mit unzähligen energieproduzierenden Mitochondrien.

Weitere molekulare Detektivarbeit der Forscher an den radikal veränderten Zellen enthüllte, warum ihre Art der Leptingabe wohl einen effizient fettreduzierenden Nerv punktgenau getroffen hatte: In den betroffenen Zellen waren nicht nur Signalmoleküle höher konzentriert, die zur Produktion von Fettsäure verbrennenden Mitochondrien anregen, zudem wurden auch vermehrt Proteine hergestellt, welche in einer Art Leerlaufprozess die bei dieser Verbrennung anfallenden Energiemengen als Hitze abführen können. Beides ist wohl notwendig, vermuten die Wissenschaftler, damit die leptinvermittelte Fettschmelze ungebremst ablaufen kann.

Vermuten können die Forscher auch nur, warum ihre virusvermittelte Leptingabe diese Prozesse offensichtlich effizienter vermittelt, als etwa Injektionen von Leptin in den Blutkreislauf von Versuchstieren. Vielleicht, so die Theorie, umgeht der direkte Einbau von Leptingenen negative Rückoppelungen, die von im Blut zirkulierenden Leptinen mit ausgelöst werden.

Jedenfalls: Großes Potenzial für medizinisch-therapeutische Einsatzmöglichkeit ihres Ansatzes sehen die Wissenschaftler auf jeden Fall – wenn auch noch nicht in unmittelbarer Zukunft. Bleibt der Gesellschaft vielleicht noch etwas Zeit, auch an den sozialen und psychologischen Auslösern von Fettleibigkeit und Fehlernährung zu arbeiten. Schließlich sind deren Ursache nicht immer nur ganz simpel medizinischer Natur.

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