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Feuerwerk: Silversterknallerei stresst Wildgänse nachhaltig

Feuerwerke sind schön anzuschauen, doch der Lärm bedeutet für viele Tiere Stress. Manche Wildgänse etwa fliehen vor der Knallerei bis zu 500 Kilometer weit.
Mehrere rötlich explodierende Feuerwerksköper über dem Nachthimmel.
Manche Menschen freuen sich, dass dieses Jahr wieder mehr Feuerwerk und Böllerei erlaubt ist. Doch der Lärm bedeutet für viele Tiere Stress.

Nach zwei Jahren Feuerwerksabstinenz darf in diesem Jahr wieder geböllert und geknallt werden. Die einen können das nächtliche Spektakel mit Explosionen und Farben kaum erwarten, die anderen ärgern sich schon jetzt über den Lärm und Qualm sowie über den Dreck, den das hinterlässt. Für Tiere bedeutet Silvester aber vor allem eins: Stress. Wildgänse etwa beschäftigt die Knallerei noch Tage später, wie eine im Fachmagazin »Conservation Letters« veröffentlichte Studie zeigt.

Forschende des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz und des Niederländischen Instituts für Ökologie haben acht Jahre lang untersucht, wie sich Wildgänse im Zeitraum vom 19. Dezember bis zum 12. Januar verhalten. Dafür wurden die Bewegungsdaten von 347 Wildgänsen mit Hilfe von GPS-Sendern ermittelt. Die Studie zeigt, dass die Tiere als Reaktion auf das Feuerwerk ihr Verhalten signifikant änderten.

Normalerweise kehren die Vögel über mehrere Nächte zum gleichen Schlafgewässer zurück und sparen Energie, indem sie sich auf der Wasseroberfläche ausruhen. Doch in der Silvesternacht um Mitternacht flohen die Gänse von ihren Schlafgewässern und flogen in Gebiete mit weniger Menschen – bis zu 16 Kilometer weiter und 150 Meter höher als üblich. Manche Tiere legten sogar extreme Distanzen von mehr als 500 Kilometer zurück. »Es ist schockierend zu sehen, wie viel weiter die Vögel in der Silvesternacht flogen«, so Studienautorin Andrea Kölzsch vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie. »Einige Tiere legten hunderte Kilometer in einer einzigen Winternacht zurück, Distanzen, die sie normalerweise nur während des Zuges absolvieren«, erklärt die Wissenschaftlerin.

Die Forschergruppe stellte zudem fest, dass die Nachtruhe der Tiere dadurch um rund zwei Stunden verkürzt wurde. Von den Strapazen erholten sich die Tiere den Auswertungen nach nur langsam. Beobachtet wurden vier Gänsearten: Bläss-, Weißwangen-, Kurzschnabel- sowie Saatgänse. Das sind arktische Zugvögel, die ihren Winter in Norddeutschland, Dänemark und den Niederlanden verbringen. Normalerweise fressen oder ruhen die Tiere den ganzen Tag, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Doch die Flucht in der Silvesternacht kostet die Gänse viel Kraft. Um diese wiederzugewinnen, schonten sie sich danach deutlich. Sie fraßen zehn Prozent mehr und bewegten sich tagsüber deutlich weniger. »In strengen Wintern, wo nicht genug zusätzliches Futter gefunden werden kann oder dieses nicht schnell genug an den kurzen Tagen aufgenommen werden kann, mag dies zu Problemen führen«, erklärt Andrea Kölzsch. Auch die Luftqualität maß das Forscherteam: Die Feinstaubbelastung über den ursprünglichen Ruhezonen der Wildgänse stieg um bis zu 650 Prozent.

Auch andere Tiere leiden in der Silvesternacht. »Jedoch sind die Reaktionen auf diese Störung je nach Art unterschiedlich«, sagt Andrea Kölzsch. Ein Singvogel im Nistkasten werde sich dort in eine Ecke drücken und den Schock mit erhöhten Herzschlag oder viel Hin-und-her-Hüpfen kompensieren. Ein Wildschwein verstecke sich vielleicht im Unterholz. Und wilde Gänse, die von Natur aus vor Gefahr in die Luft flüchten, würden eben wegfliegen.

Auch kleinere Explosionen an Silvester würden schon ausreichen, um die Tiere enorm zu verschrecken. Das hätten die Auswertungen aus den vergangenen zwei Jahren gezeigt, wo das Abschießen von Feuerwerkskörpern und das Böllern in vielen Ländern nur eingeschränkt möglich war. An Stelle eines generellen Verbots sei es sinnvoller, Feuerwerke in der Nähe von Nationalparks, Vogelschutzgebieten und anderen wichtigen Ruhegebieten zu verbieten, so die Forscherinnen und Forscher.

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