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News: Flackernde Standardkerzen

Mit der Entfernungsbestimmung in der Astronomie ist es so eine Sache. Viele Distanzen können allenfalls relativ zu anderen bestimmt werden, andere wiederherum nur unter gewissen Annahmen. Eine dieser Annahmen ist, daß Supernovae vom Typ Ia immer den gleichen Helligkeitsverlauf zeigen. Machen sie das aber nicht, und zu dieser Vermutung besteht nach neuesten Erkenntnissen Anlaß, bricht das astronomische Kartenhaus zusammen.
Kurze Entfernungen können mit entsprechenden Geräten wie Lasern oder ähnlichem schnell und sehr exakt bestimmt werden. In der Astronomie ist die Entfernung zu den meisten Objekten jedoch viel zu groß, so daß auf andere Methoden zurückgegriffen werden muß. Eine Möglichkeit bieten die sogenannten Standardkerzen – Sterne, von denen die Wissenschaftler annehmen, die genaue Strahlungsintensität zu kennen. Aufgrund bestimmter Modelle sind die Prozesse in den Sternen zumindest soweit bekannt, daß relativ genau auf ihre absolute Helligkeit geschlossen werden kann. Mit diesem Wissen kann über den Intensitätsverlust, den das Licht dieser Standardkerzen auf dem Weg bis zur Erde erleidet, unsere absolute Entfernung zu jenen Sternen berechnet werden. Für andere Sterne wieder kann aufgrund ihrer Bewegung oder anderer Parameter der relative Abstand zu den Bezugsobjekten ermittelt werden, so daß auf diese Weise bereits ein ausgetüfteltes System von Sternen mit bekannter Entfernung besteht.

Beliebte Standardkerzen waren unter Astronomen bislang zum Beispiel Supernovae vom Typ Ia (SN). In diesen SN explodiert ein Doppelsternsystem bestehend aus einem Weißen Zwerg und seinem Begleiter. Hierbei wächst der Weiße Zwerg, indem er seinem Begleiter Materie entzieht, bis er so groß und heiß wird, daß der Kohlenstoff in ihm explosionsartig verbrennt und den Stern zerreißt. Zu den chemischen Prozessen, die diese Entwicklung verursachen, gab es bislang gute Modelle, so daß der Helligkeitsverlauf für alle Supernovae dieses Typs als bekannt und fest verausgesetzt wurde. Neueste Untersuchungen an benachbarten Supernovae deuten jedoch darauf hin, daß es durchaus Unterschiede in den Entwicklungen und somit der Helligkeit geben kann.

Bislang wurden Supernovae erst ab einer gewissen Helligkeit beobachtet, niemals jedoch von Beginn der Explosionsphase an. Diese Lücke hat Adam Riess mit seinen Kollegen der University of California, Berkeley mit einem Team vom Pekinger Observatorium und vielen Hobbyastronomen zu schließen versucht. Bei der Beobachtung von zehn Typ Ia-Supernovae in der näheren Sonnenumgebung zeigte sich, daß der Verlauf der Helligkeit bis zum Maximum deutlich länger dauerte als angenommen. Supernovae gleichen Typs, die von Forschern des Supernova Cosmology Project, einer anderen Gruppe, beobachtet wurden, lagen dagegen alle über mehrere Milliarden Lichtjahre weit entfernt. Sie zeigten jedoch im Vergleich, wie Riess meint, deutlich kürze Entwicklungszeiten, so daß daraus geschlossen werden müßte, daß Supernovae sich in unterschiedlichen Entfernungen anscheinend nicht gleich entwickeln und offenbar verschiedene Prozesse durchlaufen.

Wenn sich Supernovae des Typs Ia in großer Distanz anders verhalten als welche, die in unserer Umgebung explodieren, muß tatsächlich ihre Funktion als Standardkerze ernsthaft in Frage gestellt werden – und damit alle indirekt über sie gemessenen Größen. Viele als bekannt angenommenen Entfernungen und auch einige Modelle müßten infolgedessen neu überdacht werden. Doch noch sind die Daten des Supernova Cosmology Project nicht vollständig ausgewertet. Sein Leiter Saul Perlmutter mahnt daher vor übereilten Schlüssen. Ob das astronomische Kartenhaus einen Schubs bekommt oder nicht, steht also noch in den Sternen.

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